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Kirche unter der Prager KP-Knute

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Konsequent hart wie fast nirgends sonst in Europa führt das Prager KP-Regime seit seiner Machtübernahmeeinen Kampf gegen die Kirchen - vor allem aber gegen die katholische. Damit konnte es die Kirche zwar schwächen, in die Knie zwingen konnten die Kommunisten die Katholiken aber nicht.

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Konsequent hart wie fast nirgends sonst in Europa führt das Prager KP-Regime seit seiner Machtübernahmeeinen Kampf gegen die Kirchen - vor allem aber gegen die katholische. Damit konnte es die Kirche zwar schwächen, in die Knie zwingen konnten die Kommunisten die Katholiken aber nicht.

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Was sind die Grundsätze der Kirchenpolitik der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei? Man findet sie in einer Reihe von Dokumenten, von denen viele einen internationalen Charakter besitzen: Es sind zum Beispiel Beschlüsse der Kommunistischen Internationale, Beschlüsse des ZK der KPTsch sowie Äußerungen führender kommunistischer Politiker und dies seit der Gründung der Partei bis zur Gegenwart.

Im Programm der Kommunistischen Internationale von 1928 kann man nachlesen: „Einen besonderen Stellenwert unter den Aufgaben der Kulturrevolution der breiten Volksmassen hat der

Kampf gegen das ,Opium der Menschheit*, gegen die Religion. Diesen Kampf muß man unermüdlich und systematisch führen ..."

Und diesem Kampf widmete sich die KPTsch sofort nach dem Februarumsturz von 1948. Der Kampf konzentrierte sich vor allem gegen die katholische Kirche, weil diese die stärkste und gesellschaftlich bedeutendste Kirche war. Darüber hinaus - und dies wurde sehr oft betont - hat diese Kirche ihr Zentrum im Vatikan, was in der kommunistischen Konzeption ,4m imperialistischen Ausland" heißt.

Auf einer Sitzung des ZK der KPTsch im Juni 1948 formulierte Gottwald folgendes strategisches Ziel: „Ich meine, wir sollten uns darauf konzentrieren, die katholische Kirche vom Vatikan loszulösen. Wir sollten sie soweit bringen, daß sie sich vom Vatikan loslöst und eine Nationalkirche gründet..."

Der Kampf gegen die Kirche kam im Laufe des Jahres 1949 in eine entscheidende t'hase. Es wurde das staatliche Amt für kirchliche Angelegenheiten gegründet. Die diplomatischen Beziehungen zum Vatikan wurden praktisch unterbrochen. Die KP organisierte antikirchliche Veranstaltungen.

Zwei grundlegende antikirchliche Gesetze wurden verabschiedet, die bis heute gelten. Im September 1949, auf einer geheimen Sitzung der Kreissekretäre der KP, bilanzierte Slansky, damals Generalsekretär der Partei, die bisherigen Ergebnisse der Kirchenpolitik. Er sagte:

„Wir nahmen den Bischöfen ihren Boden weg. Der Kirche haben wir ihre gesamte Presse weggenommen. In jedes Konsistorium haben wir Kommissäre beordert. Die kirchlichen Schulen wurden geschlossen, in diesem Jahr wurde keine einzige von ihnen geöffnet. Jetzt nehmen wir ihnen nach und nach die Klöster. Die Priester sperren wir ein..."

Eines darf man nicht vergessen; die Kirchenpolitik war von Anfang an selbstverständlich nur ein Bestandteil der gesamten Strategie der Kommunisten. Das Ziel dieser Strategie war, das totalitäre Machtmonopol zu erreichen. Und dies bedeutete, jede von der Partei unabhängige Aktivität zu liquidieren.

Es gibt innenpolitische wie internationale Faktoren, die auf die Art und Weise der kommunistischen Kirchenpolitik wirken. Zu den wichtigsten innenpolitischen Faktoren gehört meiner Ansicht nach die Festigkeit und Kompro-mißlosigkeit der einheimischen Hierarchie und gleichzeitig aller Priester, die die staatliche Zustimmung zur Ausübung des Priesteramtes besitzen.

Der Opportunismus sowie die Ängstlichkeit der Hierarchie haben gewöhnlich eine Verschärfung der Kirchenpolitik zur Folge und umgekehrt. Zu den wichtigen Faktoren gehören weiterhin die Zahl und die Festigkeit der Gläubigen, die Zahl der Kirchengänger und die Besucherzahlen bei den Messen, die Anzahl von Eltern, die trotz allerlei Schikanierung ihre Kinder zum Religionsunterricht anmelden.

Von großer Bedeutung ist es, wenn die Jugend die Meßfeiern besucht. Großes Kopfzerbrechen bereitet der kommunistischen Macht außerdem das Phänomen der sogenannten Untergrundoder geheimen Kirche.

Bei den internationalen Faktoren gehören Stellungnahmen des Vatikans sowie des Heiligen Vaters zu den wichtigsten. Jede Äußerung des Vatikans bezüglich der Lage der Kirche in der Tschechoslowakei hat dort unter den Gläubigen ein breites Echo. Und dies kann die kommunistische Macht einfach nicht ignorieren.

Sie muß dazu jedesmal Stellung beziehen.

Von Bedeutung sind die Reaktionen des Westens auf die Verfolgung der Christen in der Tschechoslowakei. Eine breite Publizität jedes Aktes von Verfolgung stellt die wirksamste Hilfe dar. Eine Vogel-Strauß-Politik des beschämten Schweigens ist nicht nur unmoralisch und feige, sondern sogar eine unwirksame und schädliche Politik.

In der letzten Zeit zeichnet sich der Konflikt zwischen dem tschechoslowakischen Staat und dem Heiligen Stuhl durch zwei Aspekte aus: Ein Problem dreht sich um die regimekonforme Priestervereinigung „Pacem in terris", die durch das Dekret der römischen Kongregation für den Klerus im März 1982 verboten wurde. Die Staatsmacht in der CSSR hat ihr Bestmögliches getan, damit dies die Katholiken im Lande nicht erfahren konnten.

In der Slowakei kennt man das Dekret aber aus religiösen Untergrundschriften. In Böhmen hat der Prager Erzbischof Kardinal Tomäsek die Priester seiner Diözese über das Dekret offiziell informiert und bezog dazu eine eindeutig positive Stellung.

Mitte Dezember 1982, kurz vor seiner Absetzung, schrieb der Chef des staatlichen Kirchenamtes Karel Hrüza in ,3ude pravo" einen scharfen Artikel gegen das Verbot der Vereinigung „Pacem in terris". Nach Hrüza bedeutet dies „einen Versuch des Vatikans, sich in die Angelegenheiten der Bürger der CSSR einzumischen". Im Vatikan - behauptet Hrüza -werde mit zweierlei Maß gemessen: diejenigen Priester, die sich für den Frieden und den Aufbau des Sozialismus engagierten, würden angegriffen, und es werde ihnen mit kirchlichen Strafen gedroht. Dagegen würden diejenigen, die das Werk des Sozialismus zu zerstören trachteten, im Vatikan mit Wohlwollen behandelt.

Der zweite Aspekt* der das Prager Regime ebenfalls zu einer scharfen Reaktion bewegt hat, war die jüngste Ernennung zweier Exilpriester zu Bischöfen. ,J*ro-vokation des Vatikans" - lautete der Titel eines Artikels über dieses Ereignis im Parteiblatt .JElude pravo".

Uber den slowakischen Bischof Dominik Hrušovsky schrieb man dort, daß er sich für die Zerstörung der Tschechoslowakei und die Erneuerung des klerofaschi-stischen Regimes in der Slowakei bemühe. Uber den tschechischen Exilbischof Dr. Jaroslav Skarva-da wußte, Jlude pravo" folgendes zu berichten:

„Der Vatikan hat seine hohe Anerkennung der antisozialistischen Verdienste von Jaroslav Skarvada durch einen Akt von beispielloser Provokation ergänzt: er wurde zum Titularbi-schof von Litomyšl ernannt, einer Stadt mit ruhmreichen Traditionen aus dem Zeitalter des Husitis-mus sowie der nationalen Wiedergeburt."

Was wird die Prager Staatsmacht wohl in Zukunft unternehmen? Aufgrund der bisherigen Erfahrungen hofft die Prager Regierung, daß es il?r bei Verhandlungen mit dem Vatikan gelingen wird, eine Milderung der Auslegung bestimmter Passagen des Dekretes über das Verbot „Pacem in terris" zu erreichen.

Darauf könnte auch die Ernennung des neuen Chefs des Sekretariats für kirchliche Angelegenheiten hindeuten. Dieser neue Mann heißt Vladimir Jankü, der früher im Außenministerium, später - bis zu seiner Ernennung -in der Abteilung für internationale Beziehungen des ZK der KPTsch tätig war. Es handelt sich also um eine Person mit einer gewissen Qualifikation für internationale Verhandlungen.

Wir können konstatieren, daß das strategische Ziel der kommunistischen Kirchenpolitik seit der Gottwald-Ära — nämlich die Schaffung einer nationalen, vom Vatikan abgetrennten Kirche -nicht erreicht wurde. Und nichts deutet außerdem darauf hin, daß dies der kommunistischen Kirchenpolitik gelingen könnte.

Die katholische Kirche hat sich — trotz allerlei Dezimierung und einiger unwürdiger Priester -dank der damaligen Kompromiß-losigkeit des Kardinals Beran sowie der heutigen Standhaftigkeit des Kardinals Tomäsek ihre traditionellen Grundlagen sowie die ihrem Wesen eigenen Bindungen zum Heiligen Stuhl bewahrt.

Man darf jedoch nicht vergessen, daß die kommunistische Macht auf ihr Hauptanliegen, die Eliminierung der Kirche sowie die Ausrottung der Religion, nie verzichtet hat. In diesem Streben waren jedoch die Kommunisten nicht erfolgreich und es wird ihnen immer schwerer fallen.

Die repressive kommunistische Machtpolitik schafft immer neue Quellen und Impulse für die Verbreitung des religiösen Glaubens, weil die Menschen — vor allem junge Menschen — im Labyrinth des Totalitarismus nach einer sicheren Lebensorientierung suchen.

Die kommunistische Kirchenpolitik war nur bei der Demolierung der Kirchen — vor allem der katholischen Kirche — einigermaßen erfolgreich. Diese Politik ist jedoch im Grunde ohne Perspektiven, denn sie kann ihr Endziel nie erreichen. Es wird ihr weder gelingen, aus den menschlichen Seelen den religiösen Glauben zu entreißen, noch die Kirche auszurotten.

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