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Druck des Staates stärkt die Kirche

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Nichts Neues im Osten -erstarrte Fronten im Verhältnis zwischen Kirche und Staat in Polen. Der geplante dritte Polen-Besuch des Heiligen Vaters ist dadurch gefährdet.

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Nichts Neues im Osten -erstarrte Fronten im Verhältnis zwischen Kirche und Staat in Polen. Der geplante dritte Polen-Besuch des Heiligen Vaters ist dadurch gefährdet.

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Ohne Paradoxien und Widersprüche kommt man nicht aus, um Polen verstehen zu lernen. Auch die katholische Kirche bildet da keine Ausnahme. So hat der Primas Polens, Kardinal Josef Glemp, in seiner Hauspostille, dem „Przeglad Katolicki“, erklärt, die katholische Kirche des Landes erwarte sich vom geplanten dritten Besuch von Johannes Paul II. in seiner Heimat eine „Stärkung“.

Andererseits hielt Glemp aber auch fest, daß die „ideologische Konfrontation“ mit dem kommunistischen Regime in Polen seit 1945 die Kirche nur „stärker“ gemacht habe. Wörtlich sagte er unter anderem: „Der ideologische Kampf existiert noch immer, und die Kirche reinigt sich dadurch und wird dank dieser Konfrontation immer stärker.“

Das politische Regime in Polen ist sich dieser Tatsache offenbar voll bewußt — und reagiert eigentlich auch paradox. Es verschärft den ideologischen Kampf, der die Kirche — nach Glemps Worten — nur stärker macht; und es opponiert gegen den geplanten Papstbesuch, der - nach den Worten des Kardinals — eigentlich nicht notwendig wäre, wenn die Kirche doch ohnehin so stark ist.

Wo verlaufen derzeit die „Hauptkampflinien“ im Stellungskrieg zwischen Kirche und Staat in Polen?

• Da ist einmal die leidige Frage des „klerikalen Extremismus“. Das Regime verlangt von derKir-che, sie möge Schritte gegen jene über 100 Priester unternehmen, die „öffentlich die Regierung kritisieren“ und „regierungs- und kommunismusfeindliche Reden und Predigten“ halten. Regierungssprecher Jerzy Urban hat denn auch Anfang April indirekt zu verstehen gegeben, daß ein Papstbesuch in Polen 1987 nur dann in Frage komme, wenn dieses Problem „gelöst“ werde.

Daß Urban hier nicht seine persönliche Meinung kundtut, kann auch aus dem Entwurf des Parteiprogramms abgelesen werden, das dem Kongreß Ende Juli vorgelegt werden wird und am 10. Februar in der Parteizeitung „Try-buna ludu“ veröffentlicht wurde.

Die Kirche und der polnische Episkopat haben dazu bisher nicht öffentlich Stellung genommen, weil man sich in einer gewissen Zwangslage befindet: Man kann es einerseits nicht zulassen, daß das kommunistische Regime „Säuberungen“ im katholischen Klerus verlangt; andererseits ist die Kirche auch nicht gerade glücklich mit manchen der 100 vom Staat angefeindeten Priester, weil sie doch verbal weit

übers Ziel hinausschießen und Kommunismus in einem Atemzug mit „Satan“ oder „Nationalsozialismus“ nennen.

• Die zweite Schlacht im Stellungskrieg tobt um die polnische Jugend. In einer der wortgewaltigsten und schärfsten Aussagen der letzten Jahre hat die polnische Bischofskonferenz Mitte März die „atheistische Propaganda“ in den Schulen angegriffen. Wörtlich heißt es in dem Dokument: „Die polnischen Familien, die überwiegend katholisch sind, können es nicht billigen, daß ihre Kinder in einer Atmosphäre der Feindseligkeit gegenüber Kirche und Religion erzogen werden.“

Tatsächlich hat sich in diesem Jahr offenkundig der staatliche Druck in den Schulen bedeutend erhöht. Es gibt sogenannte „Verifikationsverfahren“ unter den Lehrern. Die Gläubigen Polens glauben, daß vor allem aktiv katholische Lehrer durch die „Verifikation“ aus den Schulen gedrängt werden sollen.

Die Partei ist - auf Grund von soziologischen Studien und Meinungsumfragen — nämlich zu der Erkenntnis gekommen, „daß sich die religiöse Haltung der Schüler und Studenten nach dem Papstbesuch von 1979 deutlich intensiviert“ habe. In der Zeitschrift „Argumenty“ nutzte der Agitprop Wladyslaw Loranc die Ergebnisse der Studie zu Klagen und Attak-ken.

Noch schriller tönte zu diesem Thema die polnische Armeezeitung „Zolnierz Wolnosci“: Die Jugendarbeit der katholischen Kirche sei darauf ausgerichtet, „antikommunistische Kämpfer“ gegen den sozialistischen Staat auszubilden. Die katholischen „Oasen“ (in den 70er Jahren vom damaligen Krakauer Erzbischof Karol Wojtyla ins Leben gerufene Jugendbewegung) bauten eine „Untergrundgesellschaft“ auf, konspirierten mit „ausländischen Zentren“ und betrachteten Befürworter des Sozialismus in Polen als „Okkupanten“. • Die dritte Schlacht, die eben erst begonnen hat, spielt sich im Vorfeld des kommenden Parteitages Ende Juni ab. Zwar hält der neue Parteiprogramm-Entwurf fest: „Die Beziehungen zur katholischen Kirche haben besondere Bedeutung für einen nationalen Konsens und wir treten für eine konstruktive Entwicklung dieser Beziehungen ein.“

Gleichzeitig hält der Entwurf aber fest, daß die Partei „Gegenmaßnahmen gegen die Verseuchung der Hirne der Menschen mit reaktionären Ideen“ ergreifen wird. Was damit gemeint ist, hat die Parteizeitung „Trybuna ludu“ in einem Kommentar zum Programm-Entwurf klipp und klar gesagt - daß nämlich „die materialistische Weltanschauung und die religiöse Betrachtung des Lebens absolut unvereinbar“ sind.

Hier scheint sich eine bedeutende Änderung anzubahnen, denn am letzten Parteitag im Juli 1981 wurde ausdrücklich festgehalten, daß „die Partei in ihren Reihen auch gläubige Werktätige akzeptiert“. Ob der kommende Parteitag alle gläubigen Parteimitglieder ausschließen wird, ist noch nicht klar. Eines ist aber, laut „Trybuna ludu“, bereits sicher: „Niemand sollte überrascht sein, wenn für Parteiposten jene Kandidaten ausgewählt werden, die nicht ihrem religiösen Glauben anhängen.“

Ob in diesem Klima die Verhandlungen zwischen Kirche und Staat über den dritten Papstbesuch in Polen 1987- aus Anlaß des Eucharistischen Kongresses — sehr erfolgreich verlaufen, darf bezweifelt werden. Nicht zuletzt, weil der Heilige Vater diesmal auch unbedingt Danzig. die Geburtsstätte der „Solidarität“, besuchen will.

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