Bischofsernennung auf der Höhe der Zeit

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Den Diözesen Österreichs stehen in Bälde die Ernennungen von neuen Bischöfen bevor. Die Kirche solle, obwohl keine Demokratie, nicht gegen die Betroffenen entscheiden.

Eine wesentliche Ursache für die schwere und perspektivenlose Krise der Kirche ist ihre kuriose Personalpolitik. Die Ernennung ungeeigneter Bischöfe löste in Österreich 1995 das breit unterstützte Kirchenvolksbegehren aus. Aber auch anderswo wie in Holland und Lateinamerika versuchte der Vatikan, seine Linie durch „zuverlässige“ Konservative durchzusetzen, die ihren Rückhalt in Rom, aber nicht in Priesterschaft und Kirchenvolk hatten. Erklärte in der jungen Kirche Papst Leo der Große (5. Jh.), dass die Oberhirten vom Volk erbeten und vom Klerus gewählt sein müssten, wandelte sich deren Aufgabe in letzter Zeit zu Außenstellen einer zentralen Glaubensbürokratie. Das bedeutet eine fundamentale Änderung der ursprünglichen Qualität des Dienstes.

Das vom II. Vatikanum betonte Prinzip einer unter der Leitung des Bischofs von Rom wirkenden Kollegialität wird wie andere systematisch zurückgedrängt. Im Blutkreislauf der Glaubensgemeinschaft ist ein Infarkt aufgetreten, der eine ganz große Gefahr bedeutet. Die Hoffnung, man hätte wenigstens aus vergangenen Fehlern gelernt, erwies sich als trügerisch. Bei der jüngst erfolgten Ernennung eines Weihbischofs für Linz sah man wieder die Absicht des Vatikans, angenommene Fehlentwicklungen durch ein rücksichtsloses Aufoktroyieren von „geeigneten“ Ordnungsmachern zu bekämpfen. Abermals erlitt die Kirche beträchtlichen Schaden und neuerlich wendeten sich viele von ihr ab.

Aktive Katholiken mischen sich ein

Allerdings erkannte diesmal auch die Bischofskonferenz die dadurch eintretende schwere Belastung. Offensichtlich bewegt Kardinal Schönborn die Sorge, bei der bevorstehenden Besetzung wichtiger Diözesen könnte sich die Tragödie wiederholen. Gerade das katholische Aktivsegment scheint nicht mehr gewillt zu sein, ein „Darüberfahren“ über die Ortskirche hinzunehmen. Dass sich hier die Dechanten mit überwältigender Mehrheit und Erfolg gegen den von Rom ausgesuchten Bewerber aussprachen, ist wohl einmalig in der jüngeren Kirchengeschichte.

Doch es bleibt die Sorge, dass eine Konfliktzone existiert, die zu einem weiteren Kräftemessen zwischen einem total überzogenen Zentralismus und den berechtigten Anliegen der Betroffenen führt. Zum schweren Schaden des Ansehens und der Wirkungsmöglichkeiten der Kirche! Zu diesem Zeitpunkt muss ein Umstand in Erinnerung gerufen werden, dessen Bedeutung bisher anscheinend nicht bedacht wurde. Nach dem geltenden Konkordat zwischen der Republik und dem Heiligen Stuhl ist vor der Besetzung einer Diözese nicht nur die Meinung der Bischöfe einzuholen, sondern es ist auch bei der Bundesregierung nachzufragen, ob sie Gründe allgemein politischer Art gegen die erwählte Person geltend zu machen hat.

Von diesem Mitwirkungsrecht hat man bisher aus sicher guten Gründen keinen Gebrauch gemacht. Im Vordergrund stand dabei wohl die Absicht, sich nicht in die inneren Angelegenheiten der Kirche einzumischen und ihr die nötige Freiheit einzuräumen. Aber es muss nun gefragt werden, ob nicht doch Gewichtiges dafür spricht, dass die Republik von einem Recht Gebrauch macht, das ihr sicher nicht ohne Grund eingeräumt wurde. Kann es ihr wirklich egal sein, wer eine Diözese leitet? Gerade angesichts des Umstandes, dass die Kirche Vertragspartner des Staates ist, dem keineswegs geringe Rechte und Aufgaben eingeräumt wurden?

Dabei kann es natürlich nicht um die berufliche und in diesem Fall geistliche Qualifikation eines Kandidaten gehen, das wäre tatsächlich eine höchst unzulässige Einmischung! Aber wir sollten bedenken, dass sich in unserem Kulturkreis Grundsätze entwickelt haben, für deren Beachtung gerade die Bundesregierung zu sorgen hat. Das demokratische Prinzip ist zur Basis des Zusammenlebens in unserem Gemeinwesen geworden. Und dazu gehört, dass möglichst nichts von großer Bedeutung ohne oder gar gegen die Betroffenen entschieden wird.

Ebenso unverzichtbar ist, dass alle wichtigen Verfahren nachvollziehbar, überprüfbar und begründbar sind. Von Transparenz kann allerdings bei Bischofsernennungen keine Rede sein. Wenn man bedenkt, wie Helmut Krätzl seinerzeit als „natürlicher Nachfolger“ von Kardinal König verhindert wurde, scheinen eher Intrige und Denunziation die Beweggründe gewesen zu sein als das Wohlergehen der Kirche. Hatte man doch damals Erkundigungen über den Geeignetsten durchgeführt und der Name des unglückseligen Hans Hermann Groer kam da wohl nicht vor. Seine Ernennung hatte dann auch die bekannten Folgen. Was zuletzt betreffend Oberösterreich passierte, passt absolut ins Schema, die Umstände brauchen nicht neuerlich dargelegt zu werden.

Kirche als Fremdkörper in der Demokratie

Ist es also wirklich für unseren Staat irrelevant, wie man beim Partner Kirche vorgeht, wenn Entscheidungen mit weitreichenden Folgen getroffen werden? Es geht in diesem Fall nicht um die Person, sehr wohl aber darum, welchen Verfahrens Produkt sie ist. Ganz direkt ist zu fragen: Ist es heute noch hinnehmbar, dass im Bereich des gesamten öffentlichen Geschehens eine nach wie vor sehr wichtige Einrichtung existiert, die nur nach ihrem eigenen Belieben vorgeht und jene elementaren Grundsätze ignoriert, die das Gemeinwohl erfordert? Natürlich ist „die Kirche keine Demokratie“, wie wir oft belehrt werden. Aber sie sollte doch heutzutage in unserer eng verwobenen Gesellschaft nicht ein Fremdkörper sein, der sich dem Fortschritt und der gemeinsamen Verantwortung aller verschließt.

Dass dies alles auch eine theologische Dimension hat, bleibe nicht unerwähnt. Aus den überlieferten Worten Jesu ist eindeutig erkennbar, dass er jede Unterdrückung von Völkern durch Herrscher und Machtmissbrauch verwarf. Allein der Dienst war für ihn wesentlich (Mt. 20,25–28)! Die Kirchenleitung ist ihm da in seiner Nachfolge keineswegs treu geblieben. Sie beanspruchte vielmehr für sich, von ihm zur alleinigen Entscheidung über die Köpfe der Glaubenden hinweg ermächtigt worden zu sein. Die Ablehnung der „modernen Welt“ und der Aufklärung einschließlich der Volkssouveränität durch das I. Vatikanum ist noch keineswegs überwunden.

Um die Dinge offen beim Namen zu nennen: Immer mehr hat sich eine absolutistische Papstdiktatur entwickelt, der römische Zentralismus steigert sich gerade in letzter Zeit. Die Ängstlichkeit gegenüber Veränderungen und allem Neuen ist offenbar dominierend. Wir sehen ein System vor uns, das sich besonders bei der Rekrutierung seiner Leitungsfunktionen ganz von der umgebenden Welt abschottet. Die Folge ist eine arg behinderte Seelsorge und massenhafte Abwendung, die Zukunft der Kirche wird immer mehr bedroht.

Mut zu kritischen Fragen an die Kirche

Was als Rechtfertigung all dessen behauptet wird, hält einer kritischen Überprüfung keineswegs stand. Dass die in der Kirchengeschichte im Bündnis mit den Herrschenden konstruierten Ämter jedenfalls im Namen und in Stellvertretung des Herrn handeln, konnte man gestützt auf längst überholte Machtverhältnisse seinerzeit den Leuten einreden. Aber dem widerspricht der biblische Befund ebenso eindeutig, wie es die zahlreichen und tragischen Erfahrungen tun, welche die Menschheit mit solchen „göttlichen Stellvertretern“ machen musste. Verbrannte man den Reformer Hus trotz zugesichertem freien Geleit bei einem Konzil wirklich „im Auftrag“ des barmherzigen Gottes? Hat Leo der Große als Nachfolger Petri recht, was die Auswahl eines Bischofs betrifft, oder haben es die Päpste unserer Zeit? Was ist da überall „Wahrheit“?

Doch zurück zur Frage der Mitwirkung weltlicher Autorität, aber auch deren Verantwortung! Gottlob muss heute niemand seinen Widerspruch auf dem Scheiterhaufen büßen. Aber Willkür bleibt Willkür, auch wenn man die Methoden ändern musste. Reist heute ein Politiker nach China oder Russland, beobachten alle, ob er genug Courage hat, die Frage der Menschenrechte anzusprechen. Gilt das nur im Ausland und nur im Zusammenwirken weltlicher Mächte? Es müsste doch auch die Verpflichtung empfunden werden, die Kirche zumindest zu fragen, ob sie insofern menschengerecht handelt, als sie den Gläubigen nicht Obrigkeiten aufzwingt, die von der Mehrheit im Kirchenvolk weder gewollt noch geschätzt werden.

* Der Autor ist Obmann der Laieninitiative, war ÖVP-Abgeordneter und Sozialsprecher

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