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Es wird offen gesprochen werden

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Es mag nicht üblich sein, einen Artikel mit persönlichen Feststellungen zu beginnen. Im konkreten Fall ist das Abgehen von der Regel kein journalistischer Gag, sondern eine Notwendigkeit.

# Ich bin — seit 25 Jahren — Journalist;

# ich bin — seit der Konstituierung — Mitglied der Synode;

# ich bin — seit meiner Taufe — Katholik.

Darum — und zwar aus allen diesen Gründen — drängt es mich, zur Feder zu greifen. Denn die „schweigende Mehrheit“ der Kirche kann und darf nicht länger stumm bleiben. Es ist höchste Zeit, zum Gegenangriff gegen die falschen Propheten von heute zu blasen. Es wäre unverantwortlich, gewissen Versuchen einer angeblichen Erneuerung und Modernisierung der Kirche länger untätig zuzusehen. Dies vor allem deshalb, weil die sogenannten „Reformer“, „Progressisten“ oder wie sie sich sonst nennen mögen, in Wirklichkeit zumeist gar nicht das anstreben, was sie vorgeben. Vor allem die Hintermänner führen, wie in der „Furche“ bereits treffend festgestellt wurde, in erster Linie einen reinen Machtkampf — und zwar nicht nur um die Macht in der Kirche.

Man muß es einmal sagen, weil es die Wahrheit ist und weil es durch eine ganze Reihe von Tatsachen belegt wird: Bei den nun schon lange Zeit andauernden Attacken gegen das angebliche „Establishment“ in der Kirche geht es auch in sehr hohem Maße um Politik. Die Absicht ist unverkennbar: Die Linke aller Schattierungen will den Katholizismus fest in den Griff bekommen. Und es gibt genug Naive, die dazu Handlangerdienste leisten. Eines muß man den „Reformern“ zugestehen: Sie verstehen es, sich lautstark in Szene zu setzen und den Eindruck zu erwecken, als ob sie mit dem Katholizismus identisch wären. Mitunter kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß sie mehr Taktiker als Gläubige sind. Für sie trifft zu, was Univ.-Prof. Pater Doktor Hugo Hantsch kürzlich in privatem Kreis sagte: So manche Katholiken scheinen zu vergessen, daß es auch nach dem neuen Ritus in der Präfation noch immer „sursum corda“ heißt und nicht „sursum capita“.

Auch das gehört zum Ziel der „Erneuerer“: Sie, die angeblich einer Liberalisierung in der Kirche das Wort reden, sind von einer Intoleranz und Intransigenz, die ihresgleichen sucht. Sie lassen nur gelten, was sie selbst predigen. Und wenn es einmal nicht so läuft, wie sie gern möchten, dann versuchen sie, „umzufunktionieren“. Das darf es doch nicht geben, daß die unfromme Legende zerstört wird, die Kirche von heute sei eben progressiv und nur der Papst noch ein unbelehrbarer Reaktionär!

Vor der zweiten Session Ei Ist kein Zufall, daß die „Reformer“ gerade jetzt wieder emsig am Werke sind. Erstens einmal ist das Interesse der Öffentlichkeit zur Zeit doch stark von der Nationalratswahl beansprucht — und da kann man weitgehend unbemerkt Minen und Fallen auslegen. Zweitens aber rückt die nächste Session der Wiener Diözesansynode näher. Da gilt es, rechtzeitig in Public Relations zu machen, um die notwendige Stimmung vorzubereiten. Und gerade die Vorbereitungen für diese zweite Session sind es auch, die zu einem offenen Wort zwingen. Vorerst aber soll nicht die Rede vom „Blauheft“, der offiziellen Vorlage, sein, sondern von dem Extempore eines Arbeitskreises, denn dieses Beispiel macht deutlich, an welchem Punkt sich die Geister scheiden müssen. Konkret handelt es sich um einen Brief, der an das Präsidium der Synode abgeschickt wurde. Dieser Brief verdient, wörtlich zitiert zu werden: „Der Arbeitskreis .Kirche und Welt* drückt seine Beunruhigung über das Vorgehen Roms im Zusammenhang mit der letzten Session des niederländischen Pastoralkonzils aus. Die Art und Weise, wie hier über die Meinung einer ganzen Nationalsynode und des gesamten Episkopates eines ganzen Landes hinweg-

gegangen wird, ehe noch ein Dialog mit den betreffenden Stellen aufgenommen wurde, scheint uns gegen den Geist des Konzils und der Kollegialität schwerstens zu verstoßen. Diese Vorgangsweise erscheint geeignet, die gesamte Kirche weit über die Grenzen Hollands hinaus unglaubwürdig zu machen und das Vertrauen in jeglichen synodalen Prozeß in der Kirche zu zerstören. Wir ersuchen das Präsidium der Synode, den Herrn Kardinal zu bitten, auf die zuständigen Stellen mäßigend einzuwirken, um noch größeren Schaden für die gesamte Kirche zu verhindern. Das Generalsekretariat wird gebeten, eine Abschrift dieses Briefes an das Sekretariat des niederländischen Pastoralkonzils zu senden. Ein Durchschlag des Briefes geht an den Herrn Kardinal.“

Das geht denn doch zu weit

Man liest diesen Brief einmal, man liest ihn zweimal, man liest ihn ein drittes Mal — und kann ihn noch immer nicht für möglich halten. Und doch wurde er geschrieben!

Da darf man es nicht bei der Feststellung bewenden lassen: Das geht denn doch zu weit. Mit diesem Brief wurde nämlich ein Problem zur Debatte gestellt, über das auf der Synode zu diskutieren weit wichtiger wäre, als etwa darüber, ob die Firmung schon mit 12 oder erst mit 14 Jahren gespendet werden dürfe. Zur Debatte steht nämlich immer mehr die Frage nach den Möglichkeiten und den Grenzen einer Synode überhaupt. Und da muß man einmal in aller Offenheit sagen: Wenn Ihr Zweck vornehmlich darin bestehen soll, den Heiligen Vater zu attackieren oder gar zur Rebellion gegen Rom aufzurufen — dann besser gar keine Synode mehr. Dann würde es sich empfehlen, die nächsten Sessionen einfach nicht mehr stattfinden zu lassen.

Zumindest so lange nicht, bis klargestellt ist, was nicht zu den Aufgaben der Synode gehört: Gegen die Autorität des Papstes aufzubegehren und für die katholische Kirche den Grundsatz zu postulieren: „Erlaubt ist, was gefällt.“

Was an dem Brief besonders aufregend ist, ist die Pression, die auf den Kardinal ausgeübt wird, und zwar durch die Aufforderung an das Generalsekretariat, eine Abschrift dem Sekretariat des niederländischen Pastoralkonzils zu senden.

Glücklicherweise gibt es noch mehr Katholiken, als den Reformern lieb ist, die so „rückständig“ sind, daß für sie das Wort des Papstes noch etwas gilt, mehr gilt als Ansichten, die bedenklich nahe an die Grenze der Selbstzerstörung beziehungsweise der Häresie gehen.

Nicht zufällig

Gott sei Dank scheut sich wenigstens der Heilige Vater nicht, ein offenes und klares Wort zu sprechen, wenn die Verwirrung im katholi-

schen Lager gefährliche Dimensionen anzunehmen beginnt. Und was den Zölibat betrifft, hat der Papst schon lange vor dem holländischen Pastoralkonzil Stellung bezogen. Es gehört deshalb schon eine Portion Unverfrorenheit dazu, dem Oberhirten die Beschuldigung anzudichten, er mache die Kirche unglaubwürdig — obwohl sich in Wirklichkeit die Holländer in direkten Gegensatz zu Rom gestellt haben. Ob es nun dem einen oder anderen paßt oder nicht: Unglaubwürdig wird jeglicher synodale Prozeß ausschließlich durch jene, welche das Konzil

oder die Synode für Zwecke mißbrauchen, die leicht zu durchschauen sind. Es ist hier nicht der Ort und die Gelegenheilt, zu untersuchen, ob der Zölibat zweckmäßig und notwendig sei oder nicht — aber an diesem Beispiel wird ganz allgemein die Absicht der „Reformer“ deutlich: Durch so manche ihrer Forderungen soll lediglich legitimiert werden, was sie schon jetzt ohne Legitimation tun. Das aber kann weder der Zweck des Konzils noch einer Synode sein. Eine Gefälhgkeitsdiemokratie war die Kirche niemals und kann die Kirche niemals werden — weder heute noch morgen.

Sie wollen die Macht

Der einzige Nährboden, auf dem die Saat der „Reformer“ aufgehen kann, ist die Unsicherheit. Darum das permanente Bemühen, alles in Frage zu stellen, alle Probleme zu zerreden. Dafür Hefern auch die Vorlagen im „Blauheft“, der Arbeitsunterlage für die zweite Session der Synode, genug Beispiele. Man möchte nicht für möglich halten, wie viele Fußangeln in den Leitsätzen, Resolutionen, Empfehlungen, Aufträgen und Er-

läuterungen ausgelegt wurden. Es genügt, das Kapitel Massenmedien unter die Lupe zu “nehmen. Neben erfreulichen Bekenntnissen zu den Grundsätzen moderner Öffentlichkeitsarbeit stößt man immer wieder auf Passagen, die, nimmt man alles in allem, nur dem einen Ziel dienen, bestehende Zweifel zu nähren und neue zu schaffen.

Etwa dann, wenn festgestellt wird, auch für Publikationen, die der Kirche direkt gehören, sei es durchaus legitim, wenn sie unterschiedliche Meinungen nicht nur widerspiegeln, sondern Meinungen — be-

ziehungsweise die öffentliche Meinung der Kirche — auch ihrerseits zu bilden trachten. Aus dieser Formulierung liest man unverkennbar den Wunsch heraus, die Kirche möge ihre Publikationen den Reformern ausliefern, damit diese dann der Kirche die öffentliche Meinung diktieren können. Man geht in dieser Annahme bestimmt nicht fehl, denn schon der nächste Satz lautet wörtlich: „Dabei können ihre Aussagen, sofern sie nicht Glaubenswahrheiten in Frage stellen, durchaus von der Auffassung der zuständigen kirchlichen Autorität oder .Behörde' in der betreffenden Angelegenheit abweichen, ja sogar im Gegensatz dazu stehen.“ Auf derselben Linie liegt die Feststellung, daß die Kirche „grundsätzlich den Pluralismus bejaht“.

Weit stärker als diese Thesen macht die wahren Absichten auf dem Sektor Öffentlichkeitsarbeit jedoch das Lamento darüber deutlich, daß die „Furche“ nicht mehr das Sprachrohr der lauten Minderheit ist. Obwohl dazu in diesem Blatt schon von besonderer Seite Stellung genommen wurde, kann man die betreffenden Stellen nicht oft genug zitieren; be-

weisen sie doch mit nicht zu überbietender Deutlichkeit, daß die „Progressisten“ ein absolutes Meinungsmonopol anstreben und alle jene, die nicht bereit sind, in Ihren Chor einzustimmen, am liebsten mundtot machen möchten. So also steht es in dem „Blauheft“ zu lesen: „Von der ursprünglichen Absicht, das Problem .Furche' und die Tätigkeit des Verlages Herold in den Auftrag zur Erstellung eines publizistischen Konzepts im besonderen mit einzu-beziehen, ist die Kommission II unter dem Eindruck dieses — mit Bedauern festgestellten — Sachverhalts abgekommen, da sie keine Möglichkeit einer faktischen Ingerenz der Kirche von Wien auf den aus 18 Personen etablierten und sich nur aus diesem Kreis erneuernden Verein Herold zieht. Die Frage bleibt offen, ob aus der erwähnten .Bildung besonderer Art' nicht doch eine Möglichkeit der Einflußnahme sowie Recht und Pflicht der Synode abzuleiten sind, dazu ihre Meinung zu äußern.“

Bitte, hier ist die Meinung eines Synodalen, eine Meinung, die gewiß nicht allein steht: Hände weg von der „Furche“! Dem Versuch, diese Zeitung auf dem Umweg über die Synode „umzufunktionieren“, muß von Anbeginn mit aller Deutlichkeit begegnet werden.

In diesem Zusammenhang eine Frage an die „Reformer“: Wie können Sie das vereinbaren? Sie fördern auf der einen Seite den Pluralismus der Meinung, auf der anderen streben Sie mit aller Macht die Unifor-mität der öffentlichen Meinung an — freilich einer öffentlichen Meinung, die ausschließlich von Ihnen gestaltet wird.

Durch die letzte Liturgiereform wurde die Landessprache sozusagen offizielle Kirchensprache. Das sollte und das wird sich auch auf die Synode auswirken. Die Mehrheit, die lange genug stumm gewesen ist, wird von der nächsten Session an deutsch reden. Und zwar so deutlich, daß es wirklich alle verstehen. Denn: Eine Kirche mit Linksdrall ist auch in Österreich nicht dl* Kirche der Zukunft.

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