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Reiner Machtkampf

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Die Vorlagen an die 2. Session der Wiener Diözesansynode umfassen auch die Vorlagen der Kommission II „Die Kirche in einer informierten Gesellschaft“. Man stoße sich nicht an einem Titel, der von manchem vielleicht nur als nichtssagendes Schlagwort empfunden wird. Wesentlicher ist es, daß die Zickzacklinie von Leitsätzen und Resolutionen sich nicht immer auf einen Nenner bringen läßt. So erfährt man, daß Katholiken, die an den Massenmedien wirken, dadurch ihren Teil zum Dienst der Kirche an den Menschen beitragen (49). Kurz darauf heißt es, daß die Kirche auf eine instrumentale Beurteilung der Massenmedien bewußt verzichte und deren eigene Gesetzlichkeit anerkenne (50).

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Die Vorlagen an die 2. Session der Wiener Diözesansynode umfassen auch die Vorlagen der Kommission II „Die Kirche in einer informierten Gesellschaft“. Man stoße sich nicht an einem Titel, der von manchem vielleicht nur als nichtssagendes Schlagwort empfunden wird. Wesentlicher ist es, daß die Zickzacklinie von Leitsätzen und Resolutionen sich nicht immer auf einen Nenner bringen läßt. So erfährt man, daß Katholiken, die an den Massenmedien wirken, dadurch ihren Teil zum Dienst der Kirche an den Menschen beitragen (49). Kurz darauf heißt es, daß die Kirche auf eine instrumentale Beurteilung der Massenmedien bewußt verzichte und deren eigene Gesetzlichkeit anerkenne (50).

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Das Aufzeigen dieser Widersprüchlichkeit soll nur in etwa dazu dienen, um den Gegensatz von Theorie und Praxis nachzuweisen. Die Mitarbeit der Kirche an Presse, Rundfunk und Fernsehen erweckt keineswegs den Eindruck, als sei der Eigengesetzlichkeit und Freiheit der Meinungsäußerung Raum gewährt worden. Ein beachtlicher Teil der Publizistik und die Besetzung der Positionen in Rundfunk und Fernsehen haben dazu beigetragen, Einseitigkeit und Tendenz unverkennbar werden zu lassen. Nicht selten erlebt man es, daß der Ton von Boulevardblättern abfärbt, dann nämlich, wenn mit Befriedigung einer geradezu lustbetonten Neugierde Geschäft gemacht wird. Die Aufmerksamkeit gilt nicht mehr dem Ordentlichen, sondern in erster Linie dem, was außerordentlich und unordentlich ist. Die Thematik wird mit dem Vergrößerungsglas gesichtet, „harte Fragen“ drängen sich in den Vordergrund und hüllen sich nur notdürftig in das Gewand einer Versachlichung.

Die einzelne Information mag vielleicht noch stimmen, es sei denn, daß der Zeitdruck auch hier ein unkritisches Vorgehen verursachte. Die verantwortliche Arbeit sollte indes mit einer systematischen Ordnung der Informationen beginnen. Erst die

Auswahl des Materials verleiht die richtige Bedeutungszumessung und stellt die Nachricht in einen klärenden Gesamtzusammenhang. Die Erhellung der Wirklichkeit besteht nicht in einer Widerspiegelung von zusammenhanglosen Vorgängen, sondern im bewußten Zusammenhang mit dem Ganzen. Das erfordert freilich ein Verantwortungsbewußtsein, dem nicht jeder Charakter gewachsen ist.

Die Kritik an der Rollenverteilung oder, wenn man es noch deutlicher sagen will, an der Eroberung von Machtpositionen wird allerdings zurückgedrängt, wenn man liest, daß das Katholische Zentrum für Massenkommunikation von einem „Ehrenkodex“ des katholischen Journalisten ausgehen möge (53). Schon denkt man an tätige Reue und ist bereit, alles Bisherige als ein überholtes Zwischenspiel zu betrachten. Die Freude steigert sich, wenn man uniter dem Stichwort „Publizistisches Konzept der Diözese“ davon liest, daß die Kirche gewillt sei, die Freiheit der Verlage, der Redaktionen und der einzelnen Publizisten zu gewährleisten (58). Die Großzügigkeit scheint hier überhaupt keine Grenzen zu kennen, wenn die Kirche sogar dafür in Anspruch genommen wird, grundsätz-

lich den Pluralismus der Meinung zu bejahen. Es sei hier nicht untersucht, wieweit der Begriff „Pluralismus“ mit Pluriformität verwechselt worden ist. Insoweit vielgestaltige Meinungen, die der einen Wahrheit nicht entsprechen, vertretbar sind, sollte es die Kirche in der Tat nicht auf sich nehmen, zwischen noch vertretbaren Auffassungen die Rolle eines Schiedsrichters zu spielen. Sicherlich wird man mit dem Blick auf die Re-ligions- und Meinungsfreiheit dem Andersdenkenden die Möglichkeit zur Meinungsäußerung gewähren und damit seine Freiheit grundsätzlich bejahen. Eine Bejahung der Meinungsinhalte unbeschadet ihres Wahrheitsgehaltes oder ihrer sittlichen Wertordnung dürfte wohl nicht als Aufgabe der Kirche betrachtet werden. Darüber tröstet einen auch nicht die Ballung von Substantiven hinweg, wenn von einem legitimen Freiheitsraum „auf der Basis der Einheit in den Grundwahrheiten“ die Rede ist. Welche Grundwahrheiten sind gemeint und wer bestimmt sie? Hoffentlich nicht das Katholische Zentrum für Massenkommunikationen. Die Freude über soviel Großzügigkeit fängt jedoch an zu schwinden, wenn man weiterliest. So heißt es in der Resolution, daß die Erträgnisse von Publikationen, die der Erzdiözese gehören, in erster Linie zum weiteren Ausbau dieser Publikationen selbst und dann zur Finanzierung der Öffentlichkeitsarbeit heranzuziehen seien. „Für andere als diese Zwecke dürfen Gewinne in Zukunft nicht verwendet werden“ (58). Schon auf der nächsten Seite erfährt man, wo die Wunde liegt. Die „Wiener Kirchenzeitung“ war offensichtlich Anlaß dafür, daß eine Resolution eingebracht werden soll. Man erfährt, daß „15 Prozent des Verkaufspreises im Namen und für Rechnung des Institutsfonds der Erzdiözese Wien erhoben werden“ (59). Freilich wird

sofort betont, daß man nur vom ^all der „Kirchenzeitung“ ausgegangen sei, damit jedoch grundsätzlich alle der Erzdiözese gehörenden Publikationen mitinbegriffen wissen wollte. Es ist kaum anzunehmen, daß 15 Prozent des Verkaufspreises ohne Wissen des Erzbischofs für den Institutionsfonds erhoben worden sind. Sicher hat der Erzbischof gute Gründe dafür gehabt, den Teil vom Erlös einem Werk zukommen zu lassen, dessen Zwecke nicht minder gemeinnützig sind als jene der Öffentlichkeitsarbeit. Wenn nun scheinheilig versichert wird, daß es im Prinzip Sache des Eigentümers einer Publikation sei, über die Verwendung der Gewinne zu entscheiden, so kann diese Phrase kaum von einem heuchlerischen Gehalt freigesprochen werden. Gerade in diesem Fall ist unsere Kritik durchaus am Platz, weil bei der „Kirchenzeitung“ nicht vergessen werden darf, daß die Verbreitung dieses Blattes nicht durch das Wechselspiel von Nachfrage und Angebot geregelt wird. Nicht nur, daß die „Kirchenzeitung“ im Gotteshaus verkauft wird, sie wird vielfach von den Gläubigen einfachhin bezogen, weil das als „gutes Werk“ und selbstverständliche Pflicht eines Katholiken betrachtet wird. Je kleiner und überschaubarer die Verhältnisse sind, wie etwa auf dem Lande, um so selbstverständlicher erscheint es, daß ein Katholik eben ein katholisches Kirchenblatt bestellt. Diese Gesinnung ließe es an sich vertretbar erscheinen, den Erlös nach der gleichen Einstellung zu verwenden.

Kampf um den Herold

Ging es bei der „Wiener Kirchenzeitung“ um das Geld, so wächst das Erstaunen noch mehr, wenn es um die Freiheit eines Pressvereins geht. Hier wird nicht die Freiheit der finanziellen Gebarung angetastet, sondern, und dies ist weit ärger, die Freiheit der Meinungsäußerung angegriffen. Die Kritik scheint sich dagegen zu richten, daß die Mitgliedschaft auf 18 Personen beschränkt ist. Es ist uns bekannt, von welchen Erwägungen sich der Verein Herold leiten ließ, als er diese Zahl festlegte. Allgemein darf jedoch von den Erfahrungen ausgegangen werden, daß ein ständiges Gremium, das mehr als 15 bis 20 Personen umfaßt, an Aktionsfähigkeit erheblich einbüßt. Erstaunlich ist es ferner, daß man sich veranlaßt sah, gleichsam

ein Spießrutenlaufen vorzunehmen, als die Namen der Mitglieder den Synodalen bekanntgegeben wurden. Mehr noch als die Tatsache, wer dabei ist, soll wahrscheinlich vor Augen geführt werden, wem es nicht geglückt ist, hier eine Position zu erobern. Sicherlich fehlt so mancher Name, den man in zahlreichen Gremien stereotyp antrifft. Es sind Namen, die mit den Massenmedien eng verknüpft erscheinen. Wollte man persönlich werden, müßte man Listen veröffentlichen, die keines Kommentars mehr bedürften. Es ergäbe sich daraus eine zum Nachdenken geeignete Geschichte, die sich nicht nur auf die Rollenverteilung bei den Massenmedien beschränken ließe. Sagen wir es ganz offen: Es ist ein andauernder Kampf um Machtpositionen, welcher der Wiener Diözesansynode vorausgegangen ist und ihre Atmosphäre vergiftet hat. Die staunenswerte Toleranz des Oberhirten hat nun dazu geführt, daß sich die Kritik gegen ihn wendet. Die Kommission II stellt mit Bedauern fest, daß sie keine Möglichkeit einer faktischen Ingerenz der Kirche von Wien auf den aus 18 Personen etablierten und sich nur aus diesem Kreis erneuernden Verein Herold sieht

Nicht nur die Liebe, sondern auch der Haß macht blind, und diese Blindheit hat dazu geführt, daß man Prinzipien über den Haufen geworfen hat, von denen die Vorlage ausgegangen ist. Wollte die „Kirche von Wien“ (sie ist hoffentlich mit der Kommission II nicht identisch) sich eines Vereins oder eines Verlages bemächtigen, der zugegebenermaßen kein kirchliches Organ ist, so müßte der Ausdruck Bevormundung noch als zu schwach erscheinen. Die Kle-rikalisierung des öffentlichen Lebens ist ein Vorwurf, so meinte man bis jetzt, der heutzutage nicht mehr zutrifft. Jeder Versuch, der in diese Richtung geht, muß als peinlich empfunden werden. Wenn die Synode sich Rechte anmaßt, wi in offener Kampfarena sich eine Verlages zu bemächtigen, so kann cMeses Vorgehen wohl kaum anders gewertet werden als ein Straßenraub. Die Wut über die verlorene Bastion ist begreiflich, wird sie jedoch zur Triebkraft einer Synode, dann liegt ein offener Mißbrauch kirchlicher Institutionen vor. Die Glaubwürdigkeit der Kirche Wiens und ihrer Synode wird dadurch nicht wachsen.

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