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Die Presse ist Opfer wert

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Fonx'-zung von Seite 16

Böse wie Dr. No ...

Ausdruck aus Hitlers Tagen, der „Welle der Zukunft“, „The Wave of the Future“, wie 'es Anne Morrow Lindbergh nannte.

Mächtigste Waffe des totalitären Konformismus ist die Umformung der Sprache — das, was Orwell „Newspeak“ genannt hat. Es ist interessant, zu beobachten, daß unsere beiden großen Medien, Rundfunk und Fernsehen, so gut wie überall ihre eigene Sprache haben, Reizworte gebrauchen, die durch unentwegtes Wiederholen in das Allgemeinbewußtsein eindringen. Die gleichen Ausdrücke hört man daher in Madrid — ja, auch in Madrid! — in Paris, Bonn oder Rom — von Amerika ganz zu schweigen. Da wird etwa von der Gefahr der „Multinationalen Gesellschaften“ erzählt (was übrigens an den Kreuzzug Gottfried Feders und seiner Schüler gegen „Zinsknechtschaft und Trusts“ vor fünfzig Jahren erinnert). Da werden Terroristen als „Regimegegner“ bezeichnet, womit man sie im Unterbewußtsein der Massen zu iegitimen oppositionellen Politikern stempelt. Da wird dem CIA die Vielseitigkeit eines James Bond und die Bösartigkeit von Dr. No nachgesagt (von den Aktivitäten der KGB hört man allerdings nichts). Systematisch wird allem, was aus dem kommunistischen Lager kommt, entweder moralische Überlegenheit bescheinigt oder aber zumindest ein beschönigendes Epitheton Omans angehängt. Es würde überhaupt dafürstehen, ein Lexikon der Mediensprache zu schreiben. Man wäre erstaunt, in welchem Ausmaß hier bereits eine Umfunktionie-rung unserer Sprache stattgefunden hat, die ganz gezielt eine gewisse Tendenz fördert. (Was sich in gleicher Richtung bei den popularisierten Songs abspielt, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt.)

Dies nur einige Beispiele jener weltweiten Manipulation, der heute eine angeblich wohlinformierte öffentliche Meinung ausgesetzt ist. j Es genügt allerdings nicht, über Tatsachen zu klagen. Abhilfe ist nämlich möglich, nur muß man die geeigneten Mittel erkennen und bewußt einsetzen.

Unter den Medien sind heute die Tageszeitungen verhältnismäßig wenig wirksam, wenn wir einige ausnehmen, die ein besonderes Publikum ansprechen, von diesem aber auch viel fordern, wie etwa die „Neue Zürcher Zeitung“ im deutschen Sprachraum, „Le Monde“ in Frankreich, aber auch vereinzelte Provinzblätter. Es ist die große Schwierigkeit der Tageszeitungen, daß sie zeitlich mit Rundfunk und Fernsehen nicht zu konkurrieren vermögen, während sie anderseits von der Aktualität derart überlaufen werden, daß sie diese nicht wirklich gründlich behandeln können.

Am anderen Ende der; Skala der Informationsmittel Steht die Wochenzeitung. Sie hat genügend Abstand zu den Ereignissen, um gründliche Arbeit zu leisten. Sie hat daher durchaus die Möglichkeit, gegenüber der Blitzinformation der großen Medien, jene Hintergrunddaten anzubieten, die erlauben, die Tagesereignisse in Kenntnis ihres Ursprungs oder ihrer Akteure zu beurteilen. Es ist daher nicht von ungefähr, daß heute in den agilsten Ländern die Rolle der Wochenblätter immer größer wird und daß ihr Gewicht bei politischen Entscheidungen zunimmt. In Frankreich etwa fällt auf, daß die wesentlichsten Aussagen aus den Lagern der Regierung ebenso wie der Oppositon immer mehr in Wochenzeitungen wie „L'Express“, „Le Nouvel Observateur“ oder „Le Point“ gemacht werden. Die Politiker haben erkannt, daß sie auf diese Weise jene menschlichen Multiplikatoren ansprechen, die allein ein Gegengewicht zu den Massenmedien darstellen. In diesem Sinne kann man heute sagen, daß man der drohenden Gefahr der totalen, weltweiten ' Manipulation nur mit der ältesten Form des Journalismus wirkungsvoll begegnen kann. Von den Wochenzeitungen wird es weitgehend abhängen, ob eine ausreichende Anzahl von Menschen, trotz intensivster Versuche, sie wie eine Herde zu lenken, noch die Freiheit des Urteiles, also die Vorbedingung einer freiheitlichdemokratischen Politik, bewahrt.

Presseorgane aller Schattierungen gehören nach wie vor zu den einflußreichsten Verständigungsmitteln der menschlichen Gesellschaft. Manche Prognostiker allerdings hatten im Zeitalter der elektronischen Massenmedien für das Zeitungswesen den Todesstoß erwartet. Er fand aber nicht statt. Wohl haben Zeitungen heute ihre Probleme und manche von ihnen starben unter dem Druck roter Zahlen. Viele Zeitungen und Zeitschriften aber konnten neue spezifische Wirkungsmöglichkeiten entdecken und ausgestalten, so die Vertiefung und Verbreiterung der über Funk und Fernsehen weit ausgestreuten Top-Informationen; die Präsentierung der vom Fernsehen nur schwer erfaßbaren Nachrichten aus dem menschlichen Nahbereich (lokale und regionale Information); für den einzelnen Menschen immer wieder nachlesbare Antworten auf seine Fragen bei alltäglichen und spezifisch menschlichen Problemen; intensive Mitbetreuung von Stoßgruppen ideeller und staatsbürgerlicher Anliegen und manches andere. Im Konkurrenzdruck erwies sich die Presse als ein plastisch formbares Mittel der Kommunikation. Sie wird ihren Platz behaupten. Einst war sie Pionier für wachsende Verständigung und für ideelle Auseinandersetzung in Politik, Kultur und Geistesleben. Sie ist das auf weitem Feld fast allein gewesen. Heute muß sie sich als einzelnes Instrument in ein ganzes Kommunikationskonzert einfügen. Je besser eine Zeitung das verwirklicht, um so stärker sind in der modernen Welt ihr Einfluß und ihre Bedeutung.

Nicht sei übersehen, daß — zumindest in unseren Landen — die Presse das einzige Massenmedhim ist, das nicht in irgendeiner Form vermonopolisiert wurde, das also unter bestimmten Vorausetzungen einzelnen Menschen oder Menschengruppen voll verfügbar bleibt und in ihrem Sinne für das Gespräch mit der ganzen Gesellschaft eingesetzt werden kann.

Generationen von Katholiken vor uns haben auf ihre Weise ihre Presse effektiv gemacht, immer mit viel Idealismus und harten Opfern. Die Methoden von damals können wir kaum noch unbesehen auf heute übertragen. Doch müßten wir Erben des Mutes und der Idealisten von einst bleiben. Die Chance, im Kom-munikationsfeld der heutigen Gesellschaft mit Hilfe von Presseorganen christliches Denken und Wollen an die Menschen heranzutragen, ist noch immer gegeben. Diese Chance nicht nützen oder diese harte Arbeit beiseite schieben wollen, würde dem Verkündigungsauftrag Jesu widersprechen, käme auf einem wichtigen Gebiet einer Selbstverstümmelung der Kirche gleich.

Wo, wie im Einzelfalle und in welcher pluralen Breite erfolgreiche Einstiege katholischer Presse in das heutige Kömmunikationsfeld eines Staates, eines Landes, eines Diöze-sanraumes unternommen werden sollen, ist genau zu prüfen. Denn der Erfolg hängt vom publizistischen Können, vom Idealismus und von den möglichen Geldeinsätzen jener Leute ab, die durch direkte Pressearbeit oder von verantwortlichen kirchlichen Positionen her durch Impulse für Fortführung, Neuorientierung oder Neugründung von katholischen Presseorganen zu sorgen haben. Jedenfalls aber liegt hier ein weites Feld für ein unmittelbares Apostolat. Die kirchlichen Gemeinschaften (Gemeinde, Diözese, kate-gorielle Gruppen) warten auf die durch die katholische Presse intensivierten Gespräche und Informationen, und die oft zitierten Fernstehenden sind — über eine für allgemeine Belange geöffnete katholische Presse — durchaus auch für interessante originale Informationen aus dem Raum der Kirche zugänglich. Es hat wenig Sinn, über den ,,Tod“ der katholischen Presse Bücher zu schreiben und lange zu diskutieren. Helfen gegen Fehlentscheidungen, Fehlentwicklungen und Mißerfolge wird eher der mutige Einsatz der erforderlichen fachlichen Qualitäten; ein Idealismus, der weder aufgibt noch auf andere die Schuld abschiebt; das Verständnis, daß uns allen als „Kirche“ die Presse auch einen entsprechenden Geldeinsatz, also Opfer wert sein muß. Die Kirche glaubt an die Bedeutung und an die Wirkmögliohkeiten der katholischen Presse. Wie hätte sonst der Heilige Vater in seinem Weltrundschreiben „Communio et progressio“ so ausführlich auf das Apostolat der christlichen Presse hinweisen können?

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