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Lebendige Kirche lebendige Presse

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Das Konzilsdekret über die Massenmedien hat bei den Journalisten eine geteilte Aufnahme gefunden. Das was es sagt, meinten manche Journalisten, sei zuwenig, und was die Journalisten brauchen würden, sei darin nicht enthalten. Vielleicht ist das auch ein Symptom einer gewissen Verlegenheit, eine mangelnde rndortbeslimmung der Presse im kirchlichen Bereich. Dabei fehlt es gewiß nicht an gutem Willen auf beiden Seiten. Aber dort, wo der gute Wille sich in eine gute Tat umsetzen soll, spüren wir manchmal, daß sich die Begriffe, die Methoden nicht decken. In Österreich haben wir, wie auch andere Länder, die Einrichtung des Pressesonntags, der alle drei Jahre abwechselt mit einem Film- und Rundfunksonntag. Auch dieser Pressesonntag ist in manchem eine Verlegenheit. Die Kirche weiß nicht immer, was sich die Presse davon erwartet, und die Presse weiß nicht, worauf die Kirche eigentlich abzielt.

Das Fehlen einer agressiven antireligiösen, antikatholischen, antikirchlichen Note in der Massenpresse, vor allem in jener, die sich als nicht parteigebunden betrachtet, ja sogar ein gewisses freundliches, wenn auch dem Charakter der jeweiligen Zeitungen entsprechend mehr an der Oberfläche bleibendes Interesse an religiösen und kirchlichen Angelegenheiten zeigt, könnte zu der Meinung führen, daß das, wofür unsere Väter als Apostel einer katholischen Presse gekämpft haben, bereits weitgehend Erfüllung gefunden habe. Weil es also keine kämpferische antikatholische Presse mehr gibt, sei auch eine katholische Presse nicht mehr notwendig. Wenn Bischöfe sprechen, berichten ohnehin alle Zeitungen darüber, ebenso wie über die Ansprachen des Papstes, wie über die Beratungen des Konzils.

Kann rrian mit Recht die Auffassung vertreten, daß wir heute eine katholische Presse nicht mehr brauchen? Oder ist es nicht eher so, daß das freundliche, aber unverbindliche Interesse der Massenpresse an Religion und Kirche nur dann für uns ein Gewinn ist, wenn daneben eine echt katholische Presse existiert? Denn würde sie fehlen, hätte niemand die Möglichkeit, auch die Massenpresse selbst nicht, sich an einer weltanschaulich eindeutig katholischen Presse auszurichten. Würde die katholische Presse fehlen, müßte das zu einer noch weiter gehenden Verflachung, Verdünnung und schließlich Verflüchtigung des Katholischen in unserem Lande führen.

Die katholische Publizistik wird heute in unserem Lande ihre Aufgabe nicht mehr im Kampf, im Gegensatz, in der Konkurrenz zu dieser Massenpresse sehen. Die Kirche will auch kein Meinungsmonopol über die Massenkommunikationsmittel, auch nicht In der Presse. Der Traum einer großen, überregionalen katholischen Tageszeitungen, die den Anspruch erhebt, die Zeitung der Katholiken zu sein und die zu lesen man als Katholik verpflichtet sei, ist in unserem Lande nicht mehr realisierbar. Das ist nicht nur eine Frage des Geldes, das für die Gründung einer solchen Tageszeitung notwendig wäre, das ist eine Frage der Leser und ebenso eine Frage der politischen Gegebenheiten.

Eine katholische Pressearbeit muß heute andere Wege gehen. Drei parallel laufende, sich ergänzende und gegenseitig stützende Möglichkeiten scheinen hier vor allem in Betracht zu kommen. • In der Presse sind, wie überall, neben den Besitzverhältnissen die Menschen maßgebend. Die Journalisten sind es, die das Antlitz einer Zeitung prägen. Heute geht es also darum, daß katholische Journalisten nicht nur in katholischen Blättern, sondern in möglichst vielen Zeitungen tätig sind. Vor fünfzig Jahren wäre ein solcher Gedanke absurd erschienen; heute ist er in Österreich schon weitgehend Tatsache geworden. Katholisch heißt hier gewiß mehr, als bloß einen katholischen Taufschein besitzen, katholisch sein heißt hier, als katholischer Journalist in freier Verantwortung und freier Entscheidung, seiner katholischen Überzeugung und seinem Gewissen verantwortlich zu wirken. • Eine weitere Voraussetzung katholischer Pressearbeit ist eine lebendige, gut und rasch arbeitende katholische Nachrichtenagentur, die mehr ist als eine kirchliche Pressestelle, sie soll den Zeitungen, dem

Rundfunk und dem Fernsehen jene Meldungen und Informationen anbieten, in denen sich die Reichhaltigkeit und die Spannungsweite katholischen Lebens und katholischen Denkens im eigenen Land sowie in der ganzen Welt widerspiegeln. Eine katholische Nachrichtenagentur ist kein Mittel der Presselenkung. So wie sie selber nur in freier Verantwortung ihre Aufgabe erfüllen kann, so will sie selbst die Verantwortung und Entscheidungsfreiheit des Zeitungsredakteurs nicht ersetzen. Wenn katholische Pressearbeit nicht in der Enge eines katholischen Ghettos stecken bleiben will, dann muß eine katholische Nachrichtenagentur so beschaffen sein, daß sie für alle greifbar ist, weil sie zeitnah, aber auch grundsätzlich informiert, aber auch so gestaltet sein, daß sie für alle annehmbar ist. Auch hier, so scheint es, sind in Österreich die rechten Wege beschritten worden. • Das Wichtigste aber, um in Österreich in der Presse und durch die Presse katholisch wirksam und präsent zu sein, ist eine auflagenstarke, wirtschaftlich gesunde, zeitaufgeschlossene und moderne katholische Wochenpresse. Auf ihr basiert die innerkatholische Meinung, an ihr liegt es, mitzuhelfen, eine solche Meinung zu bilden, eine solche Meinung zu stärken. Sie soll zu Grundsatzfragen Stellung nehmen, an ihr soll sich die Umwelt über katholische Fragen orientieren können. Zwei Arten der katholischen Wochenpresse gibt es in Österreich: Einmal die Kirchenpresse im eigentlichen Sinne, die diözesanen Kirchenblätter und Kirchenzeitungen. Sie sind Organe des Bischofs. Sie dienen vor allem der religiösen Unterweisung und Information, sie sind auf die regionalen Gegebenheiten der einzelnen Diözesen abgestellt. In einem Land, wie Österreich, wo nicht nur die Landschaft, sondern auch die Menschen so differenziert sind, zeigen daher auch die österreichischen Kirchenblätter ein differenziertes Bild. Im allgemeinen aber haben sie sich ihre Stellung — eine gewiß noch ausbaufähige Stellung — in der Presse des Landes, vor allem toi der katholischen Publizistik gesichert. Daneben gibt es, wenn wir von den rein lokalen Wochenblättern absehen, die freien politischen katholischen Wochenzeitungen. Sie haben über die Diözese und über das Bundesland hinaus gesamtösterreichische Aufgaben, die sie je nach ihrem Charakter und nach ihrem Leserkreis wahrzunehmen trachten. Sie haben ein politisches Profil und sollen es auch haben. An sie denkt man in erster Linie, wenn von der katholischen Presse in Österreich die Rede ist. Zu diesen Zeitungen gehört die „Furche“, ja sie repräsentiert gemeinsam mit dem „Volksboten“ diesen Typ der katholischen Presse.

Eine solch katholische Presse kann sich nicht darauf beschränken, daß nicht Antikatholisches in ihr Raum findet. Das wäre zuwenig.

Katholisch heißt aber auch nicht, daß alles, was in diesen Zeitungen geschrieben wird, die verbindliche katholische Linie darstellt. Die katholische Wochenpresse soll ein Spiegelbild der Weltweite, der Offenheit und des Spannungsreichtums katholischen Lebens sein. Man kann nicht über alles einen katholischen Raster legen, man kann nicht alles katholisch klassifizieren und beurteilen. Es geht diarum, nicht eng zu sein in der Enge des Herzens und des Geistes, sondern die Weite, die Größe, die Vielfalt des Lebens zu sehen, sehen im Lichte des Glaubens, der auch Spannungen und Widersprüche erträgt. Darin liegt die katholische Aufgabe einer katholischen Meinungspresse.

In dieser Weite ist hinreichend Platz für individuelle Ausprägungen, Platz genug, um bestimmte Richtungen und Überzeugungen auf staatlichem, gesellschaftlichem und politischem Gebiet zu diskutieren. Es wäre kein Gütezeichen für die katholische Presse, wenn alle Katholiken mit allem und jedem, mit jedem Artikel und jeder Zeile, die in ihr geschrieben werden, mit jeder Meinung, die in ihn vertreten wird, übereinstimmen wollten. Im Gegenteil, am Widerspruch entzündet sich die Diskussion, und die Diskussion, der Dialog, auch unter den Katholiken, tut uns heute not.

Das heißt aber auch nicht, daß die katholische Presse nicht eine integrierende Funktion hätte, nicht im Sinne eines katholischen Integralismus, der weder der Zeit noch der Umwelt entspricht, sondern im Sinne eines Zusammenführens. Wer Integrierung so versteht, setzt aber immer die Existenz und die Berechtigung des Einzelstandpunktes voraus, kann nicht Nivellierung, vollkommene Auslöschung und Gleichschaltung anstreben. Eine katholische Presse wird um so katholischer sein, je lebendiger sie ist, je aufgeschlossener, je profilierter, je vielseitiger: wobei Vielseitigkeit nicht mit Standpunktlosigkeit verwechselt werden darf. Eigene Meinung /.u haben und anderen Meinungen aufgeschlossen zu sein, sind keine Gegensätze.

So können katholische Wochenzeitungen je nach ihrer Individualität, je nach der persönlichen Überzeugung der in ihr wirkenden Katholiken auch verschiedene persönliche Meinungen vertreten, wenn sie darauf verzichten, ihre persönliche Ansicht als verbindlich katholisch auszugeben; wenn sie Widerspruch ertragen können und auch andere Meinungen zu Wort kommen lassen. Verbindlich für uns alle müssen die katholischen Grundsätze und der gemeinsame Glaube sein. Das gemeinsame Ziel kann auf verschiedenen Wegen angestrebt werden.

„Die Furche“ ist eine österreichische katholische Wochenzeitung, der Ton liegt auf beidem. Als solche wurde sie vor zwanzig

Pholo: Gröpel

Jahren von Friedrich Funder gegründet. Seinen Weg wollte sie bisher gehen. Mit ihrer politischen Haltung als politische Wochenschrift sind nicht immer alle Katholiken Österreichs einverstanden gewesen. Das war ihr gutes Recht, wie es das gute Recht der „Furche“ war, in ihrer politischen Linie dem Vermächtnis ihres Gründers treu zu bleiben. Diese Linie der „Furche“ ist nie im Gegensatz gestanden zu jener Haltung der Kirche in Österreich, wie sie sich nach 1945 entwickelte. Man kann wohl auch sagen, daß „Die Furche“ eine solche Entwicklung gestützt und gefördert hat.

Das heißt wiederum nicht, daß alles, was in der „Furche“ steht, die Meinung der Kirche oder die Meinung des Bischofs wiedergibt, ebensowenig, wie sie die Meinung aller österreichischen Katholiken darstellt.

„Die Furche“ hat die Möglichkeit, weit über den katholischen Raum hinaus zu wirken, so wie sie auch über die Grenzen des Landes hinaus reicht und vor allem für unsere Brüder im Osten oft das einzige Zeugnis katholischen Lebens ist, das sie erreicht. Das ist eine nicht zu unterschätzende missionarische Aufgabe, und das ist auch eine große Verantwortung.

Diese Aufgabe und Verantwortung hegen in erster Linie beim Herausgeber und bei der Redaktion. Die österreichischen Katholiken können aber insofern an dieser Aufgabe mithelfen, und an dieser Verantwortung mittragen, daß sie die „Furche“ immer stärker — was den Kreis ihrer österreichischen Leser betrifft — im innerkatholischen Raum verankern und daß sie durch ihre Mitarbeit, durch ihr kritisches Mitlesen und Mitschreiben die „Furche“ noch umfassender, noch interessanter, profilierter und noch katholischer machen. Nicht im Mittelmaß, nicht in der Nivellierung, nicht in der Vorsicht liegt die Chance einer Zeitung wie der „Furche“, sondern in der Herausforderung, im Anruf und in der Provokation zur Stellungnahme, denn eine lebendige Kirche braucht eine lebendige Presse.

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