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Digital In Arbeit

Keine päpstlichen Public relations

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Stehen katholische Journalisten, ob sie nun in kircheneigenen, kirchennahen oder anderen Medien arbeiten, in einem anderen Spannungsfeld als religiös ungebundene Kollegen?

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Stehen katholische Journalisten, ob sie nun in kircheneigenen, kirchennahen oder anderen Medien arbeiten, in einem anderen Spannungsfeld als religiös ungebundene Kollegen?

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Die ersten Dokumente, die das II. Vatikanische Konzil verabschiedet hat, waren die Konstitution über die Liturgie und das Dekret über die sozialen Kommunikationsmittel. Die feierliche Verkündigung beider ist am 4. Dezember 1963 erfolgt. Die Annahme erscheint legitim, daß die Konzilsväter die Wichtigkeit der modernen Kommunikationsmittel nicht nur erkannt haben, sondern auch ausdrücklich hervorheben wollten.

Dabei ist auch der Titel des Dokuments signifikant. Er ist, wie

üblich, identisch mit den ersten Worten: „Inter mirifica“, in der authentischen deutschen Ubersetzung „unter den erstaunlichen (Erfindungen der Technik)“. Das Konzil nimmt also mit einem gewissen Erstaunen die Medien zur Kenntnis, die „in ihrer Eigenart nicht nur die einzelnen Menschen, sondern die ganze menschliche Gesellschaft erreichen und beeinflussen können: die Presse, den Film, den Rundfunk, das Fernsehen und andere gleicher Art“, es weiß auch um die „Eigengesetzlichkeit jedes Mediums“ und spricht von der „Aufgabe der Laien, die sozialen Kommunikationsmittel mit echt humaneWüncT christlichem Geist zu beseelen“.

Man darf freilich mit Fug und Recht bezweifeln, daß alle Journalisten, die der katholischen Kirche angehören, dieses Konzilsdekret kennen, geschweige denn, sich mit ihm auseinandergesetzt haben. Denn eine solche Auseinandersetzung ergäbe zwar gewiß manchen Diskussionsstoff, aber auch manche Klärung des Selbstverständnisses — nicht zuletzt für katholische Publizisten, die in Medien arbeiten, die als solche weder das Etikett „katholisch“ tragen noch gar sich als „kirchlich“ verstehen oder einordnen lassen.

Der katholische Journalist, der in einem unabhängigen oder jedenfalls von der Institution Kirche unabhängigen Medium arbeitet, wird sich — mag er den Konzilstext kennen oder nicht — dem Ethos seines Berufs in besonderem Maß verpflichtet fühlen, wie seine Kollegen in kirchlichen Medien ebenso. In der Praxis des Alltags ist er dabei oft genug auf sich allein gestellt, steht einem Leser-, Hörer- oder Seherpublikum gegenüber, dessen Glaubenswissen und Bewußtsein der Zugehörigkeit zum Volk Gottes, zum mystischen Leib Christi, zumindest unterschiedlich ist.

Er muß sich auch darüber im klaren sein, daß es nicht seine Aufgabe ist, unmittelbar als Verkündiger zu wirken, wozu ihm nicht nur im Rahmen seines Mediums die Möglichkeiten fehlen, sondern normalerweise auch Berufung und Qualifikation. Es wäre ein prinzipieller Irrtum, würde jeder katholische Journalist sich als Public-relations-Beauftrag-ter seines Bischofs oder des Heiligen Stuhles verstehen (was de facto eher selten der Fall sein dürfte). Das „sentire cum eccle-sia“, das jedem Laien abzuverlangen ist, muß aber auch ihm Verpflichtung sein—über das konkrete Wie ist gewiß manchmal gründlich nachzudenken.

Diesbezüglich befindet sich jeder Journalist so gut wie immer im Dilemma zwischen dem aktualitätsbedingten Zeitdruck und dem Wunsch nach gründlicher, möglichst umfassender Information. Das trifft auch für den kirchlichen Bereich zu, zumal in ihm manchmal andere Kriterien gelten als die im Journalistenalltag üblichen.

So ist heute damit zu rechnen, daß nichtkirchliche internationale Nachrichtenagenturen jeweils vor der Publikation lehramtlicher Aussagen diesbezügliche Meldungen publizieren. Aus der Diktion geht meist hervor, daß der Autor solcher Meldungen seinerseits nur über Teilinformation verfügt und in seiner Selektion andere Wertmaßstäbe setzt, als ein katholischer Journalist es tun würde — da aber das Ganze im Zeichen der „Indiskretion“ steht, hat gerade der gewissenhafte, an wahrheitsgemäßer Berichterstattung fnteressierte kaum die Möglichkeit, innerhalb der vorgegebenen Zeit korrekte Informationen zu erhalten.

Die Eigengesetzlichkeit der Medien erlaubt jedoch fast nie den Entschluß, die „voreiligen“ Nachrichten so lang zu verschweigen, bis der authentische Text zugäng--lich-ist. Damit sind zwangsläufig Simplifizierungen und falsche Akzentsetzungen im Prioritätsvorteil, und die nachträgliche Korrektur ist schwierig, wenn nicht in der breiten Öffentlichkeit sogar unmöglich.

Mit diesem Problem sieht sich zweifellos auch der in einem kirchlichen Medium wirkende

Journalist konfrontiert — aber es trifft ihn weniger hart als seinen katholischen Kollegen, der dem Konkurrenzdruck in einer pluralistischen Medienlandsehaft ausgesetzt ist und vielfach unter dem Zwang steht, Nachrichten oder

Kommentare zu kirchlichen Aussagen oder Ereignissen rasch und in einer Form anzubieten, die auch für Fernstehende attraktiv ist, ohne sie dem Inhalt nach unzulässig zu vereinfachen oder gar zu verfälschen.

Das Verständnis für dieses Spannungsfeld hat in den letzten Jahren allenthalben in der Kirche zugenommen, das kann mit Freude konstatiert werden. Die Probleme sind damit noch lange nicht aus der Welt geschafft. Der notwendige, fortzusetzende Lernprozeß ist indes nicht nur eine Aufgabe für die „Amtskirche“. Die katholischen Journalisten ihrerseits müssen sich stärker als bisher der Tatsache bewußt sein, daß zum — vom Konzil anerkannten und ausdrücklich angeführten -,.Recht auf Information'“, das es in der menschlichen Gesellschaft gibt (was die Kirche einschließt), auch eine Pflicht zu einem rechten Gebrauch gehört, daß es auch klare Grenzen gibt, die einzuhalten sind.

Die Medien sind, wie das Wort besagt, „Mittel“. Der Christ, der Katholik, der in Medien tätig ist, kann sich niemals darauf zurückziehen, auch er sei nur Mittel und sohin jeder anderen Verantwortung als derjenigen der Befolgung der Eigengesetzlichkeit entzogen - im Gegenteil, er hat sich einer besonderen Herausforderung zu stellen, tagtäglich, einem Berufsethos folgend, das letztlich niemals im Widerspruch zu dem stehen kann, was in der christlichen Botschaft verankert ist. Ihm dies zu erleichtern, kann nur der Kirche als ganzer dienen — und da bleibt “beiderseits noch manches zu tun.

Die Autorin ist stellvertretender Chefredakteur der Tageszeitung „Die Presse“.

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