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Wider die Sensationsjournalistik!

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Papst Johannes XXIII. hat vor wenigen Wochen zu einer Gruppe katholischer Journalisten unter anderem folgendes gesagt: „Ein Journalist muß das Feingefühl eines Arztes besitzen, die Vielseitigkeit des Schriftstellers, die Umsicht des Juristen und das Verantwortungsbewußtsein des Erziehers.“

Diese treffende und umfassende Definition ladet schwere Lasten auf die Schultern jedes katholischen Journalisten. Vom Feingefühl des Journalisten

zum Beispiel ist in den letzten Jahren vieles, wenn nicht alles veriorenge- gangen. Feingefühl, Taktgefühl, Zurückhaltung, Achtung vor der Persönlichkeit des anderen, wo finden wir all das heute noch in der Presse? Wo finden wir überhaupt heute noch eine Grenze in der modernen Presse zwischen dem, was dem wirklichen öffentlichen Interesse unterliegt, und zwischen dem widerlichen, hemmungslosen und von billigsten Trieben geleiteten Einbruch in die Persönlichkeit des Nächsten? Nicht, weil ich als Politiker etwa die schaffe Feder der Journalisten fürchtete, sondern aus der Achtung vor dem Recht jedes Menschen, als Ebenbild Gottes auf eine private und persönliche Sphäre, fühle ich mich veranlaßt, jene billige Sensationsjournalistik offen zu verurteilen, die jedem Katholiken und jedem katholischen Journalisten immer fremd bleiben muß.

Hat der Katholik als Staatsbürger die Pflicht, diese seine Einstellung dadurch zu dokumentieren, daß er solche Presseerzeugnisse weder kauft noch liest, so hat der katholische Journalist zunächst die eindeutige und unabdingbare Pflicht, sich jederzeit von solcher Journalistik fernzuhalten. Das aber ist nicht genug. Seine Pflicht geht weiter. Er ist aber auch im Rahmen seines Berufes und seiner beruflichen Stellung

eindeutig verpflichtet, solche unseriöse Sensationsjournalistik zu verhindern. Und dies in erster Linie im Interesse jener, die allzu leicht ein Opfer dieser Seuche werden können, nämlich unserer jungen Generation, die heute immer mehr dieser pestartigen Epidemie ausgeliefert ist. Gesetze, Verordnungen und Beschlüsse sind da nicht genug. Hier gilt nur die positive Tat, und dabei muß gerade' der katholische Journalist vorne in der ersten Linie stehen.

Wenn die Presse in der Ordnung der Werte jenen Platz einnehmen will, der ihr zukommt, dann muß sie sich von diesen Auswüchsen und Krankheiten selbst befreien und sorgsam darauf achten, daß die Journalisten wieder jenes Feingefühl erwerben und auch ausüben, das eine wesentliche Voraussetzung für ihren Beruf ist.

Daneben sehe ich aber noch eine akute Gefahr, nämlich die. gefährliche Sackgasse des Spezialistentums unter den Journalisten. Alle Berufe leiden heute unter dieser Modekrankheit des Spezialistentums, das am meisten die geistigen Berufe angekränkelt hat. Am gefährlichsten aber ist diese Krankheit bei jenen Berufen, die mit der öffentlichen Meinung zu tun haben. Nicht nur die universelle Ausbildung, sondern auch die universelle Einstellung ist die Grundvoraussetzung für den erfolgreichen Journalistenberuf. Und für welchen Journalisten sollte das mehr gelten als für den katholischen, dessen Glaube und Weltanschauung ja nach dieser Universalität eben „katholisch" heißt. Nichts auf dieser Welt ist für sich allein, ohne Zusammenhang oder ohne Gott. Alles hat seinen Platz im göttlichen Universum. Daher ist die Technisierung des Journalisten zum seelenlosen Spezialisten falsch und widernatürlich, weil man eben das Einzelne nicht aus dem Universum

lösen kann: Man ist und bleibt katholischer Journalist, ob man über den Sport oder die Außenpolitik, über die Wirtschaft oder die Kultur berichtet!

Ich möchte hier feststellen, daß die Verantwortung des katholischen Journalisten sowohl der katholischen Kirche als auch seinem Volk und Staat gegenüber ohne Zweifel die schwerste seiner Lasten ist. Es steht nirgends geschrieben, daß jeder, der eine gute Feder führt, Journalist werden muß. Oder, wie der Heilige Vater kürzlich sagte: „Man wird nicht durch Zufall Journalist.“ Aber es steht eindeutig geschrieben, daß jeder, der Journalist wird, besonders jeder, der katholischer Journalist wird, Verantwortung, und zwar schwere Verantwortung auf sich zu nehmen bereit sein muß.

Das Urteil über die Bewährung spricht auf dieser Welt meist nicht die Gegenwart, sondern erst die Zukunft. Daher hat es manchmal den Anschein, als. ob mancher dieser Verantwortung entfliehen könnte. Und einzelne tun tatsächlich so, als ob es ihnen wirklich gelungen wäre. Aber das ist Täuschung und Selbsttäuschung. Vor dem Gewissen und dem Herrgott entkommt keiner dieser großen Verantwortung, die noch bedeutender ist als die Verantwortung des Erziehers: Denn der Journalist wirkt nicht nur auf die Jugend, sondern auf die gesamte Bevölkerung,

Piešę v'erautwrQUunig umiißt also die genaue Kenntnis der Grenze, wo das Recht zur Informierung aufhört und das Unrecht des Eindringens in die souveränen Rechte und Gefühle des

anderen beginnt. Sie umfaßt weiter die Verpflichtung nicht nur zur universellen Ausbildung, sondern auch zur universellen Einstellung gegenüber dem einzelnen Ereignis und dem einzelnen Ressort. Diese Verantwortung umfaßt

ferner die Vorsicht und die Umsicht, wie sie etwa der Jurist bei der Abfassung eines guten Vertrages handhabt, 'sie umfaßt die Voraussicht, weiche Wirkung das geschriebene und gedruckte Wort haben kann. Trotz aller Anerkennung des ständigen Zeitdruckes und der Hast, unter der der r

Journalist arbeiten muß, trotz Anerkennung der harten Konkurrenz der nicht weltanschaulich gebundenen Presse muß festgehalten werden: Nur wer bereit und fähig ist, die volle Verantwortung für die Wirkung seiner tausendfach gedruckten Meinung und Beurteilung auf sich zu nehmen, soll sich für die Arbeit in der Redaktion entscheiden. Es ist dies eine Arbeit, bei der es keinen Kompromiß gibt. Es gibt nur ein Entweder-Oder und es gibt kein „Vielleicht“ und kein „Eventuell“.

Der Journalist ist der Fachmann, der aus hohem Verantwortungsgefühl heraus die Neuigkeit an die Öffentlichkeit heranbringt. Der katholische Journalist tut dies als Teil seines katholischen Glaubens und seiner katholischen Lehrtätigkeit.

Ein Wort möchte ich noch sagen über die Form der journalistischen Darstellung, über den Stil der Presse. Ich habe das Gefühl, daß die Presse derzeit auf dem besten Weg ist, sich in nichtssagendem Wortreichtum endgültig zu verlieren. An die Stelle klarer, einfacher Worte und Sätze treten immer mehr Wortkaskaden, deren Inhaltslosigkeit durch den Gebrauch von möglichst vielen Fremdwörtern kaschiert werden soll. Ich glaube, daß auch hier ein sehr verdienstvolles Aufgabengebiet für die katholischen Journalisten liegt. Schon in der Heiligen Schrift heißt es: „Deine Rede sei Ja- Ja, Nein-Nein, was darüber ist, das ist von Bösem.“ Nehmen Sie sich diese wenigen Worte zum Leitsatz für Ihre berufliche Tätigkeit, und ich bin überzeugt, daß Sie Ihrer schweren und verantwortungsvollen. gleichzeitig aber auch entscheidenden und bedeutsamen Aufgabe als katholischer Journalist Österreichs mit Gottes Hilfe voll gerecht werden können.

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