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,,…das Konzil richtig zitieren”

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Von der Enzyklika „Humanae vitae” hat man schon viel geredet und geschrieben. Hosanna-Rufe haben sich mit dem „Cruciflge” vermengt, und wieder einmal wurde, wie Christus, der Papst zum Zeichen des Widerspruchs.

Soweit ich weiß, gibt es noch keine echte Vertiefung des Problems auf rein wissenschaftlichem Gebiet, es wurden auch noch nicht genug die Beziehungen studiert, die zwischen der Enzyklika Pauls VI. und der

Lehre des Konzils bestehen, auf das sich die Enzyklika oft bezieht.

Einige haben es sich sehr leicht gemacht und haben behauptet, daß Paul VI. mit seiner Enzyklika den weiten Horizont wieder verschlossen hat, den das 2. Vatik. Konzil und Johannes XXIII. aufgetan haben (wenn doch Johannes XXIII. sich aus dem Grab erheben könnte und so vielen Verwegenen antworten könnte, die seinen Namen und sein Ansehen mißbrauchen!). Andere haben behauptet, das 2. Vatik. Konzil habe sich mit dieser Sonderfrage überhaupt nicht beschäftigt. Wieder andere endlich haben gesagt, daß Paul VI. nichts anderes gelehrt habe als das 2. Vatik. Konzil.

Ich habe schon einmal bei einer anderen Gelegenheit einen Satz aus dem Konzil ausgelegt und dabei geschrieben: „Um das zu verstehen, was das Konzil gelehrt hat, ist oft eine genaue Auslegung des Textes notwendig, wobei besonders das Zustandekommen der Formulierung zu beachten ist. Ausschlaggebenfi muß dabei immer die Stimme des Lehramtes bleibe ,a das: eHer Dekrete des Konzils authentisch auslegt. („Concilio si, Concilio no” Osserva- tore Romano vom 12. 4. 1968.)

Es ist interessant zu wissen, wie die Lehre zustande gekommen ist, die sich mit der sogenannten Geburtenregelung beschäftigt. Wir geben hier kurze Andeutungen, die die Wissenschaftler dann vertiefen können.

in den die Adnexa zum Großteil eingearbeitet waren.

Was die eheliche Fruchtbarkeit angeht, bemerkte die Konzilskom- mission: „Obwohl die Eltern zu allen Zeiten die Zahl ihrer Kinder bestimmt haben, ist diese Frage heute weit schwieriger, weil viele neue Elemente dabei mitspielen.” Verschiedene Meinungen sind in der Aula geäußert worden. „Patre sat Nume- rosi” wünschen, daß sich die Eltern der Vorsehung Gottes überlassen und so viele Kinder zeugen, als ihnen Gott auf Grund des Ablaufes der Natur gibt. Aber eine große Mehrheit der Väter hält, so oder so, an der sogenannten verantwortlichen Elternschaft fest. Nur wenige (davon zwei sehr zögernd) schließen für die schwersten Fälle den Gebrauch von antikonzeptionellen Mitteln nicht aus. Die Kommission hat sich an die zwei ersten Ansichten gehalten, die von einer so großen Zahl von Vätern geteilt werden. In bezug auf die verantwortliche Elternschaft hat die Kommission an die Worte erinnert, die Pius XII. am 29. Oktober 1951 an die italienischen Hebammen und am 26. November 1951 an die italienischen Familienverbände gerichtet hat. Dort wird die „Geburtenregelung” von der „Geburtenkontrolle” unterschieden, und es wird die Geburtenregelung zugelassen, wenn die medizinische, eugenische oder soziale Indikation gegeben ist. Der Text (des neuen Schemas) sagt klar, daß das Gewissen der Eltern sich von objektiven Gesichtspunkten und,, von den Erfordernissen einer objektiven Wertordnung leiten lassen muß; der Wortlaut („conscientia lege Dei recte informata”) unterstreicht in klarer Form, daß unsittliche Mittel verboten sind.

Die Absicht der Kommission war klar und der Hinweis auf die Lehre Pius XII. sehr oppurtun, weil es sich um einen Punkt handelte (verantwort!. Elternschaft), der zu Mißverständnissen hätte Anlaß geben können.

Der Text, der dann in verschiedene Sprachen übersetzt wurde, entsprach tatsächlich der Absicht und Auffassung der Kommission; ja, mehr noch: in den Absatz, der von Harmonie handelt, die zwischen der ehelichen Liebe und der verantwortlichen Elternschaft herrschen muß, wurde eine Aussage aufgenommen, die von großem Wert ist und so lautet: „Der sittliche Charakter der Handlungsweise, wenn es darum geht, eheliche Liebe und verantwortliche Elternschaft aufeinander abzustimmen, hängt nicht nur von der rechten Absicht und von der Bewertung der Motive ab, sondern muß von objektiven Kriterien bestimmt werden, die aufbauen auf der Würde der menschlichen Person, wobei der ganze Sinn der gegenseitigen Hingabe und der Weitergabe des Lebens im Zusammenhang der wahren Liebe gesehen werden muß. Wenn sich die Kinder der Kirche an diese Grundsätze der Geburtenregelung halten, mögen sie keine Wege beschreiten, die vom Lehramt der Kirche verworfen werden.”

Theologisch unreif

Am Beginn der vierten Sitzungsperiode folgte in der Aula die Diskussion über den erstellten Text, und viele Väter verlangten, daß er klarer formuliert werde, um in einer so delikaten Materie jeden Anschein von Subjektivismus zu vermeiden. Im neuen Text findet sich eine andere Fassung (textus recogni- tus); obwohl wieder gesagt wurde, (das , .Ūtjęr täte .Minderzahl grundsätzlich und letztlich Sache der Eltern seL wurde unmißverständlich beigefügt, daß die Gatten nicht nach ihrem eigenen Gutdünken vorgehen können, sondern daß sie ihrem Gewissen folgen müssen, „das sich erleuchten lassen vom göttlichen Gesetz und daß sich die Eltern gegen das Kirchliche Lehramt gelehrig erweisen müssen, das das göttliche Gesetz im Lichte des Evangelismus authentisch auslegt”. Es ist das erste Mal, daß man ausdrücklich auf das Lehramt der Kirche verweist, das das göttliche Gesetz auslegt; allerdings war schon ein Hinweis darauf in den Adnexa enthalten.

Es folgte die Abstimmung über das Schema, und die Abänderungsvorschläge waren sehr zahlreich. Man verlangte noch klarere Formulierungen. Zwei Väter nannten den Text „theologisch unreif, mißverständlich und in einigen wesentlichen Dingen nichtssagend”. Die Kommission antwortete, daß es nicht ihre Sache gewesen sei, alle Teilfragen zu lösen, die sich auf diesem Gebiet ergeben könnten, zumal ja der Papst ad hoc eine besondere Kommission eingesetzt hatte. Auf alle Fälle setzt der Text den heiligen Charakter der Ehe in ein klares Lieht und ebenso (im Einklang mit der Enzyklika Casti Connubii Pius XI.) diie Heiligkeit der Liebe und der Fruchtbarkeit, wobei viele Rechte und Pflichten des ehelichen Lebens und der Familie keineswegs übergangen wurden.

Text). Weil einige Väter Bedenken geäußert hatten, daß der Text gegen die bisherigen Lehraussagen des Lehramtes ausgelegt werden könnte, wurde schließlich, um jeden Zweifel auszuschließen, eine Fußnote beigefügt, auf die der Konzilstext sich bezieht. Das sind die Enzyklika Casti Connubii Pius XI., die Ansprache Pius XII. an die Hebammen vom 29. Oktober 1951 und die Ansprache Pauls VI. an die Kardinale vom 23. Juni 1964. In derselben Fußnote wird angegeben, daß Paul VI. zur Lösung einiger Sonderfragen eine Sonderkommission bestellt habe, „ut, postquam illa munus suum expleverit, Suimmus Pontifex iudi- cium ferat”.

So ging der Text in die Konstitution ein, die vom Konzil am 7. Dezember 1965 approbiert und ver- Öffentlichtwurde.

Aus dieser kurzen Prüfung ergibt sich klar, daß sich im Konzil nicht nur die Richtung der Entscheidung Pauls VT. abzeichnet, sondern daß dort auch die Grundsätze ausgesprochen sind, auf die die päpstliche Entscheidung aufbaut. Unmißverständliche Zeugen dafür sind die dauernde Anstrengung, sich klarer auszudrük- ken, das Problem immer mehr in den Blickpunkt zu bekommen, das Lehramt immer mehr sprechen zu lassen und es immer mehr zu werten in seiner Aufgabe, das göttliche Gesetz auszulegen. Schließlich hat das Konzil selbst in der Lösung von Teilfragen auf den Heiligen Vater verwiesen, dem das Konzil selbst — vor allem in der Dogmatischen Konstitution Lumen gentium — das höchste persönliche Lehramt, das ihm von Christus übertragen wurde, zusprach und besonders hervorhob.

Es sind daher — besonders im Mund von verantwortlichen Personen — Aussagen unverständlich wie etwa folgende: der Papst hat allein entschieden (er hätte es übrigens tun können!), der Papst ist gegen das Konzil vorgegangen: der Papst hat die Gesinnung des Gottesvolkes zuwenig geachtet und andere ähnliche Formulierungen, die noch respektloser sind.

Was die Sonderkommission angeht, auf die das Konzil hinweist, muß gesagt werden, daß ihre Aufgabe nur war, zu informieren und Unterlagen für die Entscheidung zu schaffen. Das hat sie getan. Es war dann Sache des Papstes, und nur des Papstes, zu entscheiden. So steht es geschrieben im zitierten Konzilstext: „Ut postquam illa munus suum expleverit, Summus Pontifex indicium ferat.” Und der Papst „Indicium tulit!” ganz in der Linie der Lehre des Konzils, nachdem er viele andere Personen und Instituionen gehört hatte, die zuständig und befähigt waren, wie es in der Enzyklika gesagt wird. Paul VI. hat sich gegen alle sehr respektvoll erwiesen, ich möchte sagen, bis zum Äußersten. Aber die Rücksicht darf ihm nicht jene Autorität nehmen, die ihm zusteht, und darf ihm nicht die Verantwortlichkeit nehmen, die ihm als höchsten Hirten der Kirche zusteht. Wer das Gegenteil behaupten würde, würde sofort einem praktischen, nicht lehrmäßigen und theo- retischen, Konziliarismus , verfallen, den das 2. Vatikanische Konzil erneut zurückgewiesen hat weil ės von neuem die höchste persönliche Sonderstellung des Papstes betont hat.

„Unsittliche Mittel verboten”

Über unseren Gegenstand handelt ausdrücklich der zweite Teil des ersten Kapitels der Pastoralkonstitu- ticn „Gaudium et Spes” über die Kirche in der Welt von heute.

Verschiedene Schemata und wissenschaftliche Abhandlungen sind dem Text der Konstitution vorausgegangen. Des erste eigentliche Schema ist den Vätern am 3. Juli 1946 unter dem Titel „Gaudium et Luctus” zugegangen: Der Text war relativ kurz, es waren „Adnexa” beigefügt, über die man in der 3. Konzilsperiode sehr viel diskutierte und die die Punkte, die schon in der Hauptsache im Schema behandelt waren, weiter ausführten und beleuchteten.

Das erste Schema sagt: „Das ist die Eigenart der Ehe, daß die Ehe ihrer Natur nach auf die Weitergabe des Lebens und auf die Erziehung der Kinder ausgerichtet ist.” Was die Kinderzahl anbelangt, so wurde ausgeführt, daß die Gatten nicht dem blinden Instinkt folgen dürfen, sondern ihre Pflicht erfüllen müssen „mit voller und bewußter Verantwortlichkeit, nach dem Gesetz der wahren Liebe”, sie müssen sich ihr Urteil bilden auf Grund der Erfordernisse pädagogischer und wissenschaftlicher Natur, es muß ferner die Gesamtsituation (der Ehegatten) bedacht werden und die Erfordernisse der Familie, aber auch der staatlichen und kirchlichen Gemeinschaft berücksichtigt werden. In den Adnexa wurden diese Begriffe weiter ausgeführt, und schließlich wird darauf hingewiesen, daß dieses Urteil gebildet werden müsse, „nach der Lehre, die die Kirche vorlegt”.

Infolge der zahlreichen Einsprüche, die die Konzilsväter machten, wurde ein neuer Text redigiert, der am 28. Mai 1965 an die Väter verteilt wurde. Es war ein einheitlicher Text,

Klar ausgedrückt

Im verbesserten Text, in den die Veränderungsanträge eingearbeitet wurden (textus denuo recognitus) wird die oben erläuterte Lehre wieder gebracht und nur der Ausdruck „conscienta ab ipsa lege divina illu- minanda” mit dem klaren vertauscht „conscientia ipsi legi divnae confor- manda”. Es folgen dann die Worte „dociles erga Ecclesiae Magisterium” usw. In den nächsten Absatz, der, wie gesagt, von der Harmonie zwischen der Gattenliebe und der verantwortlichen Weitergabe des menschlichen Lebens handelt, wurden wertvolle Beiträge eingefügt: es müssen nämlich die objektiven Kriterien, die die Erlaubtheit der geschlechtlichen Beziehungen und des Geschlechtsverkehrs bestimmen, aus der Natur der Person und aus der Natur der Akte derselben abgeleitet werden (im vorherigen Text war von diesen Akten nicht die Rede); der ganzheitliche Sinn der Hingabe und der Weitergabe ist nicht denkbar ohne Hochschätzung der ehelichen Keuschheit; den Kindern der Kirche („his principiis innixis” nicht nur „imbutis”, wie es im vorhergehenden Text heißt) 1st es nicht erlaubt (also ging es nicht um einen Rat, wie es früher hätte scheinen können!), Wege zu beschreiten, die verworfen wurden vom Lehramt in Ausübung seiner Aufgabe, das göttliche Gesetz zu interpretieren (diese letzten Worte fehlten im vorhergehenden.

Die Kirche war nicht im Zweifel!

Es wurde darauf hingewiesen, daß die Lösung gekommen ist, nachdem schon viele zu gegenteiligen Ansichten gekommen sind. Ich habe am 22. März 1958 geschrieben: Wenn ein Problem einem genauen Studium unterzogen wird, glauben manche berechtigt zu sein, das Ergebnis und die Folgen vorausnehmen zu können. Wer den Ernst kennt, mit dem kluge und angesehene Moralisten in ähnlichen schwierigen Lagen zu urteilen pflegen, kann eine solche Oberflächlichkeit nur bedauern. Nehmen wir an, ein Gesundheitsministerium beauftragt eine Kommission, ein Gift dahin zu prüfen, ob, und wie und in welcher Dosierung und für welche Krankheit man es brauchen kann. Wer würde es wagen, das Gift zu nehmen, bevor das Ergebnis der Prüfung bekannt und die Zulassung der Behörde da ist. Wer dadurch geschädigt würde, könnte sicherlich nicht das Ministerium anklagen, das die Untersuchung angeordnet hat. Gerade das aber sagen, erzählen und tun manche in einer Frage, die weit einschneidender ist, weil es um sittliche Probleme geht. Man weist darauf hin, daß eine genauere Untersuchung des Problems zu einer Bestätigung der bisherigen Lehre und der traditionellen Grundsätze führen könnte. Ja, und? Auf alle Fälle: bis die rechtmäßige Autorität sich nicht anders geäußert hat, muß man bei den Leitsätzen bleiben, die das Lehramt immer gegeben hat. Das ist eine sichere Garantie; das ist ein Kriterium, das sich auf die Lehre und auf den Geist des 2. Vatikanischen Konzils stützt. („Stati d’animo postconciliari” in .L’Osservatore Romano’ vom 22. März 1968.) In unserem Fall gab das Konzil unmißverständlich die Richtung an und der Papst selbst hatte erklärt, daß die Kirche in dieser Frage nicht im Zweifel war.

Nun sagt man verschiedentlich, daß die Lehre der Enzyklika nicht ex cathedra definiert worden ist, daher ist sie nicht unfehlbar. Welche Begriffsverwirrung! Aber bitte, ist es definiert, daß ich leben, arbeite, auf der Straße gehe oder etwas tue? Und doch ist das alles wahr und sicher; wer es bestritte, würde gegen etwas angehen, was sonnenklar ist. Noch bevor das Konzil von Nizäa die Konsubstantialität des Wortes feierlich definiert hatte, glaubten schon die wahren Anhänger Christi daran, so daß die, die es bestritten, zum Beispiel Artus, als Häretiker betrachtet wurden.

Anders gesagt, die Definition, die oft aus äußeren Gründen notwendig ist, fügt dem Wahrheitscharakter nichts bei, der von sich aus die Zustimmung des Verstandes verlangt.

Wenn, wie es bei der Enzyklika der Fäll ist, eine Grundwahrheit der sittlichen Ordnung authentisch von dem gelehrt wird, der dazu das Recht, ja mehr noch, die Pflicht hat, und zwar vom Obersten Hirten, in klaren und feierlichen Formulierungen, die die Zustimmung aller, der Bischöfe und der Gläubigen verlangen, dann gibt es nur eines zu tun für den, der den Papst als Oberhaupt der Kirche und Stellvertreter Christi anerkennt: anzunehmen in frommer und ehrfürchtiger Ergebung, wie es das 2. Vatikanische Konzil lehrt. Für mich sind andere Gedankengänge nicht am Platz.

Man appelliert an die Menschenwürde, die vom 2. Vatikanischen Konzil proklamiert wurde, an die Würde des menschlichen Gewissens, die man achten müsse. Aber dasselbe Konzil hat auch mit klaren Worten gesagt, daß es keine andere Würde gibt, die sich nicht auf Gott bezieht und Ihm folgt; daß das Gewissen nur dann rechter Leitstern und verpflichtend ist, wenn es dem göttlichen Gesetz folgt, das, wenn notwendig, vom Lehramt der Kirche ausgelegt wird; und daß alle verpflichtet sind, sich ein wahres Gewissen zu bilden.

Man muß das Konzil zitieren, aber richtig zitieren.

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