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Ein Konzil des Dialogs
Das Konzil fiel in eine Zeit der beginnenden weltpolitischen Entspannung. Nach dem Remis des kalten Krieges suchte die Welt wieder nach einer Einheit, an Stelle der Drohungen, oder zumindest neben sie trat das Gespräch, der Dialog. Und dieses Konzil sollte doch auch ein Konzil des Dialoges sein, ein Konzil des Gespräches, nicht nur ein Konzil der Definitionen, keines der Verdammungen. Von gegenseitigen Verdammungen hatte die Welt schon mehr als genug. Wird eine Institution, so fragte sich die Welt, fest gefügt seit über einem Jahrtausend hierarchisch erstarrt, dogmatisch versteinert, das Leben und die Kraft aufbringen, zur Gegenwart, zum Leben in unserer Zeit ein entscheidendes Wort zu sagen? Daß sich die Welt, eine weitgehend areligiöse
Welt, überhaupt diese Frage stellte, daß sie die Möglichkeit eines Beitrages der Kirche zu den Problemen der Zeit in Rechnung stellte, verdankt die Kirche jenen Männern und Frauen, Priestern und Laien, die ein neues Bild der Kirche, das Bild einer sich erneuernden Kirche, im Herzen trugen, die oft verkannt, fast immer unbedankt, im Widerstand gegen die Vorstellungen der Zeit, auch die Vorstellungen so vieler Katholiken, die Vision einer offenen in die Welt tretenden Kirche verkündeten. Sie sind die wahren Pioniere gewesen, die Kundschafter in ein neues Land, oft diffamiert, manchmal auch verketzert, und manche sind daran zerbrochen. Wir sollten ihr Leben, ihre Leistungen und ihre Opfer nicht vergessen. Aber wird ihr Geist in diesem
Konzil spürbar sein? Das war der Zweifel, aber auch die Hoffnung der Welt. Nun, alle Hoffnungen konnte dieses Konzil nicht erfüllen, alle Erwartungen nicht Wirklichkeit werden lassen. Aber das eine hat sie der Welt gelehrt Und das eine hat die Welt auch staunend zuerst, überrascht und dann bewundernd zur Kenntnis genommen: Dieses Konzil ist ein Beispiel geistiger Freiheit, wie man es in dieser auch geistig oft so uniformierten und reglemen-tarierten Welt vergebens suchte. Bei allem Freimut der Diskussion, bei aller Härte der Auseinandersetzung zwischen oft gegensätzlichen Standpunkten war die Einheit nie gefährdet. Der Welt, die im geistigen wie auch im politischen Raum um die Harmonie von Einheit und Freiheit ringt, wurde mit diesem Konzil das Beispiel gegeben.
Sollte solch ein Beispiel nicht auf die Welt wirken? Und hat es nicht gewirkt? Geistige„ Freiheit wirkt ansteckend. Wenn wir heute überall in der Welt, auch in der bisher so monolithisch scheinenden Welt des Kommunismus, wieder etwas von einem Wehen des Geistes zu spüren vermeinen, wenn auch dort, was lange verboten war, über sich selbst diskutiert wird, wenn statt der Meinung von oben die Diskussion zu treten scheint, sollte dies nicht auch die Auswirkung des Beispiels sein, das die Kirche im Konzil und durch das Konzil gegeben hat? Der Geist Gottes ist ein Geist der Freiheit und der Geist weht, wo er will.
Gegner oder Fortsetzer?
Aber kann dieses Konzil überhaupt als eine Einheit betrachtet werden? Ist das Konzil, das in wenigen Wochen zu Ende geht, dasselbe Konzil, das Johannes vor über drei Jahren eröffnete? Wir alle wissen, daß es ohne Johannes wohl kein Konzil, keinen Aufbruch, kein Aggiorna-mento, keinen Dialog gäbe. Daß die Kirche wieder ein Faktor, wieder eine Realität — nicht für die Gläubigen, sondern für die Welt — geworden ist, das alles verdanken wir ihm.
Wer immer diesem Manne nachfolgen sollte, er würde nach dem Maß seines Vorgängers gemessen werden. Das war zu erwarten, es war zu erwarten, daß die beiden Päpste des Konzils, Johannes und Paul, in ihrer Popularität gesehen werden. Man hat aber dabei manches falsch gesehen, nicht aus Liebe zu Johannes, sondern um auch den toten Papst gegen den lebenden auszuspielen. Es ist heute Mode geworden, Papst Johannes und Papst Paul einander gegenüberzustellen und daraus Schlüsse zu ziehen über Fortgang, Auswirkungen und Frucht des Konzils.
Gegenüber manchen tendenziösen Darstellungen und um auch in den eigenen Reihen alle Zweifel zu beseitigen, muß eindeutig festgestellt werden, daß Paul VI. auf seine Weise die Linie Johannes' XXIII. unbedingt fortzusetzen gewillt ist. Zu Beginn der Zweiten Konzilsession setzte Paul VI. für die Konzilsleitung vier Moderatoren ein. Die Auswahl dieser Moderatoren hat den Standort des Papstes bei der Fortsetzung des Konzils deutlich gemacht. Während Kardinal Agaganian als Mann der Mitte gilt, der den Fragen der Zeit und den notwendigen Verwaltungsreformen offen gegenübersteht, sind die drei anderen Kardinäle, Lercaro, Döpfner und Suenens, eindeutig Männer der Konzilsmehrheit und als solche bereits in der ersten Konzilssession hervorgetreten. Alle drei haben sich als Vertreter der Linie Johannes' XXIII. bekannt
Man sagt, Paul VI. habe wohl von der Kurienreform gesprochen, habe aber nichts für diese Kurienreform getan. Demgegenüber muß festgestellt werden, daß die Kurienreform absolut zum Programm des Papstes gehört. Diese Kurienreform wird ohne Zweifel weiter verfolgt, wenn auch heute nicht viel davon gesprochen wird. Es sei erwähnt, daß sich der Papst beim Kardinalempfang zum Jahreswechsel von Kardinal Roberti ganz konkrete Reformvorschläge vorlegen ließ.
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