
Weihbischof Helmut Krätzl: Konzilssohn
Sein Konzilsbuch "Im Sprung gehemmt" wurde ein kirchlicher Bestseller. Auch im FURCHE-Gespräch zeigt sich Weihbischof Helmut Krätzl vom Feuer des II. Vatikanums gepackt.
Sein Konzilsbuch "Im Sprung gehemmt" wurde ein kirchlicher Bestseller. Auch im FURCHE-Gespräch zeigt sich Weihbischof Helmut Krätzl vom Feuer des II. Vatikanums gepackt.
Als Papst Johannes XXIII. am 11. Oktober 1962 das Zweite Vatikanische Konzil eröffnete, war Helmut Krätzl 31 Jahre alt und live dabei. Als Konzilsstenograf zeichnete er das Ringen der Konzilsväter um eine Erneuerung der Kirche auf. Heute bezeichnet sich der Wiener Weihbischof selbst als "einen der letzten überlebenden bischöflichen Konzilssöhne". Bei aller Liebe zu seiner Kirche klagt er notwendige Reformen ein.
DIE FURCHE: Sie werben seit vielen Jahren um eine Fortführung der Kirchenerneuerung im Geist des II. Vatikanums. Woher nehmen Sie die Kraft dazu?
Bischof Helmut Krätzl: Aus dem Konzil selber. Für mich war das Konzil das prägende Ereignis meines Priesterlebens. Ich war so beeindruckt von dem, was sich damals in der Kirche bewegt hat, dass ich mich heute verpflichtet fühle, es anderen weiterzugeben. Das Konzil ist ein Auftrag, den die Kirche damals geistgewirkt bekommen hat.
DIE FURCHE: Warum klagen heute so viele Menschen, dass man von diesem Geist nur noch wenig spürt?
Krätzl: Zunächst einmal muss man sagen: Das Konzil hat viel mehr Früchte getragen als man heute glaubt. Der Theologe Otto Hermann Pesch hat einmal geschrieben: Die unter 50-Jährigen wissen nicht, mit welcher Selbstverständlichkeit sie auf den Früchten des Konzils aufbauen können. Das ganze Klima in der Kirche, die Liturgie, der Kirchenbegriff, die Bedeutung der Laien, die Ökumene - all das sind ja Erfolge des Konzils, die vorher fast undenkbar waren.
Allerdings hat die Kirche die Umbrüche in der Gesellschaft seit 1968 nicht positiv aufgenommen, sondern als Bedrohung angesehen. Heute hat sie ihre dominierende Position verloren. Nicht wenige haben die Schuld daran dem Konzil gegeben. Sie sagen: Hätte die Kirche Fenster und Türen nicht so weit geöffnet, wäre sie heute stärker. Ich halte diese Einstellung für völlig falsch.
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