Der alte Kämpfer beflügelt

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im Buch "Brot des Lebens" ist nun schwarz auf weiß nachzulesen, was sich dieser Bischof Helmut Krätzl schon lange "traut".

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im Buch "Brot des Lebens" ist nun schwarz auf weiß nachzulesen, was sich dieser Bischof Helmut Krätzl schon lange "traut".

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Immer wenn er einen runden Geburtstag feiere oder ein Jubiläum begehe, bringe er ein neues Buch heraus. So oder so ähnlich kann man Helmut Krätzl in kleinem und größerem Kreis sinnieren hören: Er schreibe sich seine Festschriften quasi selber. Natürlich verzeiht man dem mittlerweile 82-jährigen Wiener Weihbischof in obigem Zitat den Anflug an Koketterie, denn auch in aller Bescheidenheit kann der Kirchenmann als wortgewaltiger Übersetzer der biblischen und kirchlichen Botschaft für ein zeitgenössisches Publikum gelten. Und es gibt nur wenige Bischöfe deutscher Zunge, die die theologischen Umbrüche der letzten 100 Jahre so nachvollziehbar reflektieren können wie eben Helmut Krätzl. Dazu kommt sein unleugbares Verdienst, die Zeitzeugenschaft des II. Vatikanischen Konzils in eine geradezu unbändige Anwaltschaft für ebendieses epochale Kirchenereignis ummünzen zu können.

Man kennt also Krätzl seit Jahren. Man weiß, wofür er steht - und schätzt ihn dafür. Und wundert sich, dass es ihm immer noch gelingt, seine Glaubensbegeisterung und sein Glaubenswissen so zwischen zwei Buchdeckeln zu platzieren, dass man das Ganze (gefühlt jedenfalls) in einem Atemzug durchliest. Schon gar, wenn der Band "Brot des Lebens. Mein Weg mit der Eucharistie" heißt, also ein schweres, ernsthaftes Thema verheißt.

Reicher Erfahrungsschatz

Ach ja, nachzutragen ist der Anlass für den neuen Krätzl: Demnächst begeht der Bischof sein Diamantenes Priesterjubiläum, das heißt, der Jahrestag seiner Priesterweihe jährt sich zum 60. Mal. Das hohe Alter, das sich in diesen Kennzahlen ausdrückt, hat auch bei Helmut Krätzl eine unübersehbare Konsequenz: Der Autor hält sich, trotz leichter, aber keineswegs oberflächlicher Sprache, nicht bei den Nebensachen auf, sondern malt in biografischen und denkerischen Pinselstrichen sein Bild des Wesentlichen. Und wer über Eucharistie als Christ, als Priester, als Bischof nachdenkt, ist im Nu beim Wesentlichen.

Dazu kommt, dass Krätzl, der alte Mann, aus einem Reichtum an Erfahrung schöpft: "mindestens 20.000 Messen" habe er gefeiert, zählt er im Buch einmal auf, und auch die unzähligen Begegnungen und Erfahrungen bei Firmungen und Pfarrvisitationen fließen in Krätzls Eucharistiesicht ein. Einem Menschen mit dieser Erfahrung kann man nichts vormachen - auch seine Kirche nicht, an der er mitunter arg zu leiden hatte. Und aus der Erfahrung erwächst einmal mehr Erkenntnis: Die Biografie ist der Ausgangspunkt des Nachdenkens über Eucharistie, die jüngerer Kirchengeschichte mit dem Konzil -das Leibthema Krätzls - natürlich ebenso. Das vorkonziliare Kirchenbild, in dem Krätzl aufgewachsen ist, wird durch das II. Vatikanum völlig transformiert - und das hat gleichermaßen Konsequenzen für den Ritus wie auch fürs Eucharistieverständnis.

Der alten Messe nicht nachtrauern

Krätzl -auch dies nicht zum ersten Mal -wiederholt klar, dass die nachkonziliare Form der Eucharistiefeier, die nicht zuletzt unter Benedikt XVI. zumindest unter der Hand mehr und mehr in Frage gestellt wurde, eine Folge des Kirchenbildes des wandernden Gottesvolkes darstellt, und dass es von daher für Krätzl keinen Sinn macht, dem "tridentinischen Ritus" nachzutrauern (Krätzl zeigt auch auf, dass der alte gar nicht der "tridentinische" ist). An den Umbrüchen des II. Vatikanums entlang sucht Krätzl auch die Themen rund um die Eucharistie zu bündeln: Wie steht es ums Verhältnis zwischen "Mahl" und "Opfer"? ist da eine der Streitfragen, die Konservative und Konzilsbewegte trennen. Und viele Entwicklungen - nicht zuletzt Rückschritte in den Jahrzehnten nach dem Konzil bis hin zum Pontifikat Benedikts XVI., stellt Krätzl dar.

Dabei ist der Bischof durchaus kein blinder Vorwärtsstürmer -das wird gerade am Thema der Eucharistie klar. Krätzl ist und bleibt Priester in einem traditionellen (nicht traditionalistischen!) Sinn, dessen wesentlicher Dienst die Feier der Eucharistie ist, welche gleichzeitig auch Kraft-und Frömmigkeitsquelle für ebendieses Priesterdasein darstellt. Bei aller Offenheit für neue Wege, die er auch hier andenkt und mitzugehen bereit ist, rüttelt er an dieser katholischen Grundfeste nicht. Man darf davon ausgehen, dass in seinem Verständnis fürs Priestersein keine Sympathien für etwa die Privateucharistien von Laien Platz haben, für die jüngst etwa das Tiroler Ehepaar Heizer exkommuniziert wurde. Das macht Krätzl aber keineswegs zum Anhänger eines verengten Eucharistieverständnisses, wie er es nicht zuletzt unter Kardinal Ratzinger und dessen späterem Pontifikat ortet. Allerdings zitiert Krätzl diesen nicht nur im Widerspruch: Berührungsängste zu potenziell gegensätzlichen Positionen hat der Autor keine.

Rückenwind dank Franziskus

Dazu kommt, dass das Buch "Brot des Lebens" auch in Rudimenten eine Geschichte der eucharistischen Frömmigkeit anbietet mit der gleichzeitigen Gewähr, dass Krätzl dem Leser doch eindeutig Bewertungen anbietet -etwa, was denn von der von konservativer Seite zuletzt immer stärker propagierten "Anbetungen" des eucharistischen Brotes zu halten ist.(Das Ergebnis wird wenig überraschen.)

Aber auch "Brot des Lebens" wäre kein echter Krätzl, wenn es darin nicht ausführlich um seine Ceterumcenseos ginge: die Frage des Kommunionempfangs von wiederverheirateten Geschiedenen, die ökumenische Gastfreundschaft oder Überlegungen, wie Eucharistie angesichts von Priestermangel und Pfarr-Sterben aufrechtzuerhalten sind. Es ist keine Überraschung, dass hier im Pontifikat von Franziskus auch Krätzl Rückenwind und Atemluft verspürt, die er selber kaum mehr erwartetet hätte: Der neue Wind in Rom und in der Weltkirche beflügelt auch einen alten Kämpfer für eine erneuerte Kirche neu.

Wir haben es ja gewusst, dass Helmut Krätzl sich nicht immer kirchenrechtlichen Vorgaben gebeugt hat. Aber im Buch "Brot des Lebens" ist nun schwarz auf weiß nachzulesen, was sich dieser Bischof schon lange "traut". Das ist gut so. Denn wenn mehr und mehr Bischöfe bekunden, wo sie die Grenzen römischer Gängelungen längst überschritten haben, dort werden diese Gängelungen auch ihrem Ablaufdatum näherkommen.

Am eindrücklichsten ist dennoch der Beginn des neuen Krätzl, wo er erzählt, dass er anno 1936 als Fünfjähriger zur Kommunion gehen durfte -und das ohne Erstbeichte! Wenn das nicht der prophetische Anfang eines späteren Priesterlebens war ...

Buchpräsentation: Kardinal König Haus, 1130 Wien. Mittwoch, 11. Juni 2014,19 Uhr Anmeldung: 0512 /2233-209

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