Nimmermüder Anwalt SEINER KIRCHE

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Helmut Krätzl, der emeritierte Wiener Weihbischof, wird 85. Einmal mehr beschenkt er sich und sein Publikum mit einem Buch: "Meine Kirche im Licht der Päpste".

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Helmut Krätzl, der emeritierte Wiener Weihbischof, wird 85. Einmal mehr beschenkt er sich und sein Publikum mit einem Buch: "Meine Kirche im Licht der Päpste".

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Er ist -unvermutet - mittendrin zwischen zwei Päpsten: Der Vorgänger, Benedikt XVI., wird nächstes Jahr 90. Und der Amtsinhaber, Franziskus, feiert im Dezember seinen Achtziger. Helmut Krätzl liegt also altersmäßig dazwischen: Und er darf am 23. Oktober selber seinen 85. Geburtstag feiern.

Gar nicht dazwischen liegt Krätzl, was seine Position zu den beiden Päpsten betrifft: Franziskus ist ihm zweifelsohne näher. Wahrscheinlich empfindet es der emeritierte Wiener Weihbischof als eine späte Genugtuung seines Lebens, dass nun ein Mann an der Kirchenspitze steht, der in sehr vielem das verkörpert, was Krätzl von einem vom Geist des II. Vatikanums geprägten Pontifex erwartet. "Papst Franziskus hat mir trotz meines vorgerückten Alters noch einmal neue Freude an der Kirche und am Wirken Gottes geschenkt." So endet Helmut Krätzls jüngstens Buch "Meine Kirche im Licht der Päpste".

Ein "konservativer" Jungpriester

Von Krätzl selber stammt ja das Bonmot, zu jedem seiner runden Geburtstage oder Jubiläen bringe er ein Buch heraus. Also war es klar, dass nun auch der 85er mit eigener Feder zu würdigen war: Diesmal sind es sieben der acht Päpste, deren Leben sich mit den Lebzeiten Krätzls überschnitten haben, die ihn zu seinen gewohnt griffig formulierten und gut lesbaren Ausführungen inspiriert haben. Das Thema mag beim ersten Hinschauen mäßig spannend klingen, aber der Leser darf sich einmal mehr auf einen gewohnt klarsichtigen und verschmitzten Krätzl in Buchform freuen.

Pius XI. hat er ausgelassen, weil er bei dessen Tod selber erst siebeneinhalb Jahre alt war. Aber schon wie er an Pius XII. erinnert, dessen triumphalistisches Kirchenregiment ihn, wie Krätzl schreibt, damals durchaus begeisterte, zeigt, wie wichtig diese Zeitzeugenschaft auch für heute bleibt. In dicken Pinselstrichen malt Krätzl ein zweigeteiltes Bild dieses Pontifikats: Wie er prägnant den reformerischen Pius XII. zeichnet, der der Bibelforschung endlich Luft zum Atmen verschaffte oder die Liturgiereform eigentlich einleitete, bringt die Meriten des Pacelli-Papstes auf den Punkt, der später, wie auch Krätzl darlegt, in den letzten Lebensjahren wieder begann, das antimodernistische Angstregime in der Kirche zu etablieren. Auch ein junger Priester namens Helmut Krätzl gehörte da dazu: "Später hat man mir nachgesagt, ich sei in meinen ersten Priesterjahren 'konservativ' gewesen."

Neben der hohen Kirchenpolitik in Rom streut Krätzl auch Details aus den österreichischen Verhältnissen ein, etwa wie er die Vorgänge um den Wiener Erzbischof-Koadjutor Franz Jachym (1910-84) erzählt, der im Gottesdienst zu seiner Bischofsweihe aufstand und zum Entsetzen der Anwesenden den Stephansdom kurz vor der Weihe verließ (diese wurde später dann in Rom nachgeholt).

Gleiches gilt auch für die Vorgänge um die Nachfolge des Wiener Kardinals Theodor Innitzer 1955/56, die nicht, wie allgemein erwartet wurde, von Jachym, sondern vom unbekannten St. Pöltner Weihbischof Franz König übernommen wurde. Krätzl selber sollte genau 30 Jahre später ein ähnliches Schicksal widerfahren, als nicht er, sondern Hans Hermann Groër Erzbischof von Wien wurde.

Der Papst, der Krätzl in seiner Spiritualität und Kirchensicht prägte, ist Johannes XXIII. Ihn hat Krätzl ja schon wiederholt als biografische Messlatte gewürdigt. Im neuen Buch kommt aber hinzu, dass Johannes XXIII. nun auch im Licht des Pontifikats von Franziskus neu leuchtet - die Parallelen, die Krätzl zieht, sind frappant und erhellend.

Auch brisante Zeithistorie

Von Paul VI. bis Benedikt XVI. reicht die Palette der Pontifikate, in denen der Aufbruch des II. Vatikanums zum Abbruch geriet oder die Kirche jedenfalls, wie Krätzl mit seinem bekanntesten Buch 1998 diagnostizierte, "Im Sprung gehemmt" wurde. Einmal mehr erzählt der Wiener Bischof, welche schwarzen Punkte es für ihn in Rom darob regnete. Und einmal mehr wird sichtbar, dass das, was dieser Kirchenmann aus Mitteleuropa schon längst geäußert hat, beim derzeitigen Papst aus dem Süden auf fruchtbaren Boden fällt.

Diesmal hat sich Krätzl für sein Buch auch mancher Hilfe von außen versichert: Den Publizisten und Radiopionier Hubert Gaisbauer bat er, über Johannes XXIII. zu schreiben. Krätzls Studienkollege, der von Franziskus zum Kardinal gemachte Alt-Nuntius Karl-Josef Rauber, äußert sich zu Paul VI., und der Altbischof von Oppeln in Polen, Alfons Nossol, steuert seine Sicht auf Johannes Paul II. bei.

Am spannendsten ist der Beitrag des Altbischofs von St. Gallen, Ivo Fürer, der die zurzeit von konservativ-katholischen Verschwörungstheoretikern oft gebrandmarkte "Gruppe von St. Gallen" darstellt. Fürer beschreibt erhellend Zusammenkünfte rund um die Kardinäle Martini (Mailand), Daneels (Brüssel) und Lehmann (Mainz), die zwischen 1996 und 2005 vor allem in St. Gallen stattfanden. Dort wurde auch "eine Alternative zu Kardinal Ratzinger" als Papst gesucht. Schon 2005 war dabei von Kardinal Bergoglio als derartige Alternative die Rede - bekanntlich machte anno 2005 aber Joseph Ratzinger das Papst-Rennen. Doch 2013 kam dann Bergoglio, die personelle Option der St. Gallener Gruppe, zum Zug.

Dieses zeithistorische Detail ist spannend -und es spricht für die Bischöfe Krätzl und Fürer, dass sie dies der Öffentlichkeit zugänglich machen. Auch deswegen ist das neue Buch aus der Feder Helmut Krätzls eine gelungene "Geburtstagsgabe" des Jubilars. Man hofft, dass es nicht das letzte bleibt.

Meine Kirche im Licht der Päpste

Von Pius XII. bis Franziskus.

Von Helmut Krätzl.

Tyrolia 2016.27

tw. farb. Abb.

208 Seiten, geb., € 19,95

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