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Papst mit Bodenhaftung

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Vor 30 Jahren, am 3. Juni 1963, ist Papst Johannes XXIII. gestorben. Seine Amtsführung ließ einen neuen Stil des Papsttums erahnen.

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Vor 30 Jahren, am 3. Juni 1963, ist Papst Johannes XXIII. gestorben. Seine Amtsführung ließ einen neuen Stil des Papsttums erahnen.

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Als sie ihn wählten, dachten die Kardinäle wohl (auch): ein 77jähriger garantiert einenkurzenPontifikat. Die Amtszeit des Roncalli-Papstes währte tatsächlich nur fünf Jahre. Folgenlos ist sie nicht geblieben. Die Ankündigung eines Konzils am 25. Jänner 1959 war eine Überraschung, seine Durchführung das Ereignis der römisch-katholischen Kirche in diesem Jahrhundert.

In seiner vielbeachteten Eröffnungsrede zum Konzilsbeginn am 11. Oktober 1962 hat Johannes XXIII. vom „vorrangig pastoralen Charakter des Lehramtes" gesprochen. Das war neu. Sein Vorgänger Pius XII. hatte sein Amt aristokratisch-elitär verstanden und auch so ausgeübt. Johannes XXIII. war für die Kurienbeamten der ungehobelte Bauernsohn aus Sotto il Monte, derüberdie Diplomatenschiene den Papstthron erklommen hatte. Ein dicklicher, von manchen für dümmlich gehaltener greiser Ponti-fex eben. Allerdings mit einem prophetischen Gespür!

Zwar ist er noch im Tragethron, der Sedia gestatoria, über den Petersplatz gehievt worden. Aber an den Pforten der Petersbasilika ist er abgestiegen und zu ebener Erde durch das Kirchenschiff zur Confessio geschritten. Die versammelten Bischöfe haben dieses Signal verstanden und zu schätzen gewußt.

In unserem Medienzeitalter hat es kein Vertreter eines öffentlichen Amtes leicht. Auch nicht ein Papst. Vor Jahren erschien in der italienischen Jesuitenzeitschrift „Civiltä Cattolica" ein Artikel, der sich mit der „Papolatrie" auseinandersetzte. Nicht der nötige Respekt und die Ehrfurcht

vor soviel Last und Würde war gemeint, sondern eine unsinnige An-himmelung, ja Vergötterung eines Papstes, die ihn zum Superstar macht. Der Papst braucht keine Verehrung.

Der Nach-Nach-Nachfolger Johannes' XXIII. hat alle Qualitäten eines Präsentators. In seiner bald 15j ährigen Amtszeit hat er mehr Reisen absolviert als alle seiner 265 Vorgänger zusammen. Damit hat er dem Petrusamt neue Akzente verliehen. Lange schien dieser Papst eher pastoral als doktrinal in Erscheinung zu treten.

Das hat manchen nicht gepaßt. Da kursieren plötzlich offiziöse Theorien, denen zufolge der Papst für die Zeit eines Pastoralbesuchs „Besitz ergreife" von einer Diözese, Kardinäle werden zu Ministranten, Bischöfe mutieren zu einem liturgischen Komparsenheer. Die alle fünf Jahre vorgeschriebenen ad-limina-Besuche der Bischöfe in Rom werden buchstäblich als „Grenz-"erfahrung empfunden. Was ist daran „brüderlicher Dialog"? Das Lehramt zitiert sich

Jesus ja, Kirche nein?

(ski)- Schon einmal, 1991, interviewte Felizitas von Schönborn den Paderborner Theologen Eugen Drewermann für ein Buch, nach dessen Suspendierung vom Priesteramt hat sie nun ein neues Werk herausgebracht, „das beste, was bisher über Drewermann erschienen ist", behauptet die Zeitschrift „Christ in der Gegenwart".

Von Drewermann selbst heißt es ja, er könne schneller schreiben als seine Rezensenten zu lesen vermögen. Angesichts der Flut dicker Bücher von und über Drewermann (62 Titel schon bis zum Herbst 1992) stellt Schönborn jene zufrieden, die knapp informiert werden wollen. Sie liefert im ersten Teil das Wichtigste über den „Fall Drewermann" und fügt ein langes, interessantes Interview mit diesem „Katalysator" (Schönborn) an. Kleine Fehler kommen vor: In Deutschland gibt es maximal 40.000, aber nicht „400.000" Priester (11), und Leo XIII. (nicht „III.") fand auch nach Jahrhunderten keine positiven Worte für den von Drewermann geschätzten Giordano Bruno (128).

Schönborn läßt durchblicken, daß Drewermann wunde Punkte in der Kirche berührt hat, ihm aber heute das nötige Maß an Selbstkritik fehlt. Daß er einen Weg eingeschlagen hat, auf dem ihm nicht alle seiner bisherigen Sympathisanten folgen werden, zeichnet sich ab. Denn letztlich vertritt Drewermann in diesem Buch vor allem die Formel: Jesus ja, Kirche nein! Sagt er doch am Ende des Interviews: „Es ist die Kirche, die 2000 Jahre nach Christus uns der Bergpredigt nicht näher gebracht, sondern uns weiter von ihr entfernt hat denn je. Dies ist das ganze Problem."

EUGEN DREWERMANN - Rebell oder Prophet? Von Felizitas von Schönborn. Walter Verlag, Solothurn-Düsseldorf 1993. 133 Seiten, öS 177,80.

ständig selbst und unterliegt dadurch, wie Kardinal Jo seph Ratzinger meinte, der Inflation der Worte. Der Papst tritt weniger als Hörender, als Schlichter und als Kollege -primus inter pares -denn als Richter und Ermahner auf.

Ein bestimmtes Amt gewinnt seinen Wert nicht durch sich selbst, sondern durch die Art und Weise, wie es personal geführt wird. Der antirömische Affekt -genaugenommen ein antikurialer Affekt -richtet sich nicht gegen den Papst oder seine Person. Er bezieht sich auf anonyme Apparat-schiks, die ihre Sicht und ihre Entscheidungen zu Entscheidungen des Papstes machen. Sie versuchen ihn vor der kirchlichen und pastoralen Wirklichkeit abzuschirmen.

Wenn heute zahlreiche kirchliche Gruppierungen und Foren sich (bis in ihre Namensgebung hinein) auf Johannes XXIII. beziehen, so erinnern sie damit an das große Aufatmen, das mit seiner Person für die Kirche verbunden war.

Als Johannes XXIII. vor 30 Jahren starb, hielt die ganze Welt den Atem an. Trauernde Betroffenheit war weit über die katholische Welt hinaus zu spüren. Da war einer von der Weltbühne abgetreten, der mit der „Nostalgie des Christentums" aufgeräumt hatte. Johannes XXIII. war nicht zuerst Theologe. Er war zuallererst Hirte und sah darin die Substanz des Petrusamtes - in allem anderen „Accessoires". Er war - und blieb - ein menschlicher Papst. Vielleicht auch deshalb, weil er sich jeden Morgen beim Aufstehen sagte: „Angelo, nimm dich nicht so wichtig."

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