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Nach fast 200 Jahren: Ein Papst in Wien?

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Kommt Papst Johannes Paul II. im Mai nach Wien? Die österreichische Bischofskonferenz hat ihn eingeladen; der zuständige Minister seines Heimatstaates betonte, daß der Polenreise nichts im Wege stehe. Der Papst selbst hat in den Monaten seines bisherigen Aufenthaltes in Rom immer wieder seinen Landsleuten gegenüber versichert, wie sehr er hoffe, zu den Feiern zum 900. Todestag des heiligen Stanislaus nach Krakau kommen zu können, und auf dem Flug nach Mexiko deutete er den mitreisenden Journalisten an, man werde sich vielleicht demnächst in Wien wiedersehen.

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Kommt Papst Johannes Paul II. im Mai nach Wien? Die österreichische Bischofskonferenz hat ihn eingeladen; der zuständige Minister seines Heimatstaates betonte, daß der Polenreise nichts im Wege stehe. Der Papst selbst hat in den Monaten seines bisherigen Aufenthaltes in Rom immer wieder seinen Landsleuten gegenüber versichert, wie sehr er hoffe, zu den Feiern zum 900. Todestag des heiligen Stanislaus nach Krakau kommen zu können, und auf dem Flug nach Mexiko deutete er den mitreisenden Journalisten an, man werde sich vielleicht demnächst in Wien wiedersehen.

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Die Reise des Papstes hätte eine kirchenhistorische und eine kirchenpolitische Dimension. Papst Wojtyla ist der erste Nichtitaliener seit fast einem halben Jahrtausend -und damit auch der erste, der die Pflichten als Pontifex Maximus der Weltkirche mit der Liebe zu der außerhalb der Stadt Rom und ihres geistigen Umfeldes hegenden Heimat verbinden muß. Man weiß, wie sehr er noch als Kardinal im Sport in den heimatlichen Bergen der Beskiden oder auf den masurischen Seen Erholung fand. Der Wunsch zur Reise entspricht dieser Liebe zur Heimat.

Die Reise wäre aber auch ein Zeichen für die Menschen im Osten, für die dort herrschenden Regime. Die Feiern in Krakau gelten dem Andenken des heiligen Stanislaw (oder Stanislaus), des- Schutzpatrons der Polen, und ihrer alten Königsstadt. Der 1030 geborene Sohn eines Adelsgeschlechtes, seit 1072 Bischof von Krakau, ging stets mit harten Worten gegen das lasterhafte Leben des Königs Boleslaw II. vor.

Der von der nationalen Geschichtsschreibung mit dem Beinamen „Smialy“, der „Kühne“, versehene Herrscher hatte es verstanden, in geschickter Politik zwischen Kiew, Ungarn und dem römischdeutschen Kaiser seine Macht zu festigen und sich - unter Ausnützung des Investiturstreites - zum König krönen zu lassen. Sein Privatleben dagegen mußte die Kirche herausfordern.

Der Kritiker wurde vom König selbst ermordet (oder zum Tod verurteilt), Boleslaw kurz darauf von seinen eigenen Jagdhunden zerrissen, wie die Legende berichtet.

Konnte es ausbleiben, daß die ge-schichtsbewußten Polen ihre Parallelen zum Heute zogen? Die Polen, die zum 60. Jahrestag des Wiedererstehens ihrer Eigenstaatlichkeit den Stichtag der Pilsudski-Gründung, den 11. November, feierten, nicht den vom Regime befohlenen 7. November? Die Polen, für die nur der alte bekrönte Adler der echte ist, nicht jener ohne Krone, wie ihn die Volksrepublik auf ihren Insignien führt?

Verwundert es dann, wenn man im Osten diesem Besuch des Papstes mit zwiespältigen Gefühlen entgegensieht? Einerseits stolz auf die nationale Aufwertung (auch Moskau gegenüber), andererseits skeptisch

den Anzeichen einer neuen Phase vatikanischer Ostpolitik entgegensehend, vertreten von einem Papst, der es gelernt hat, mit kommunistischen Machthabern umzugehen und die Rechte der Kirche gegen sie zu verteidigen?!

Johannes Paul II. wäre seit fast 200 Jahren der erste - und überhaupt erst der zweite - amtierende Papst, der Wien besucht. 1782 kam Pius VI. in die kaiserliche Haupt- und Residenzstadt, um zu versuchen, Kaiser Josef II. von seinen allzu rigorosen Reformen im kirchlichen Brauchtum und Ordenswesen abzubringen. Der Papst stieg im Vorort Marahilf im Schloß des Fürsten Kaunitz ab. (Die längst total veränderten Reste des Schlößchens mußten vor wenigen Jahren dem Neubau des Bundesgymnasiums VI weichen). Pius VI. zelebrierte bei den Kapuzinern, er erteilte den Gläubigen auf dem Platz Am Hof den Segen, mußte aber erfolglos wieder abreisen.

Einige spätere Päpste weilten in Wien, bevor sie noch das höchste Amt der Weltkirche erreicht hatten. Pia Maria Plechl („Um Österreich zu suchen“) zählt sie auf: Enea Silvio Pic-colomini, später Pius II., wohnte als Berater Friedrichs III. in der Hofburg und wirkte als einer der großen Humanisten an der Wiener Universität. Antonio Pignatelli, später Innozenz XII., war zwei Jahre (1668-1670) päpstlicher Nuntius in Wien. Und schließlich nahm der junge Angelo

RoncaUi, der spätere Johannes XXIII., als Sekretär des Bischofs von Bergamo 1912 am Eucharistischen Kongreß teil - und reiste anschließend nach Polen weiter, um bei der Muttergottes von Tschenstochau zu beten: in dieselbe Richtung wie sein dritter Nachfolger nun im Mai 1979.

Mit der Reise des Papstes nach Mexiko begann eine neue Ära päpstlicher Reiseaktivität, die mit der Polenreise fortgesetzt würde. Nachdem die französischen Truppen während des Ersten Vatikanischen Konzils Rom besetzt und den Kirchenstaat dem italienischen Königreich einverleibt hatten; nachdem Pius IX. erklärt hatte, daß erst dann wieder ein Papst aus dem Vatikan heraustreten werde, wenn dieses Unrecht wieder gutgemacht wäre - war Pius XII. der erste, der wenigstens innerhalb Roms die Opfer der Kriegshandlungen besuchte.

Johannes XXIII. fuhr als erster nach Venedig. Erst Paul VI. entsprach durch seine weitgespannten Reisen der veränderten Lage in der Weltkirche. Schon 1964 besuchte er die heiligen Stätten in Israel und Jordanien, um die Annäherung an die Ostkirche vorzubereiten, dann zum Eucharistischen Kongreß nach Bogota, um den Anliegen Lateinamerikas zu entsprechen.

1965 sprach Paul VI. vor der UN-Generalversammlung in New York, 1967 im portugiesischen Fatima, dann besuchte er den Patriarchen Athenagoras in Istanbul und in Ephesus, 1968 Kolumbien, 1969 die UN-Abrüstungskonferenz in Genf, schließlich Uganda, Iran, Pakistan, die Philippinen, Australien, Indonesien, Hongkong und Sri Lanka - die Dritte Welt war sein bevorzugtes Reiseziel

Ein schon von Paul VI. geplanter Besuch von Tschenstochau kam nicht zustande, da die polnischen Behörden dem Papst damals die Einreise verweigerten.

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