Weiter in Königs Weite

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In der Weltkirche wie in Österreich stehen die Zeichen auf Rückzug. Dem Erbe des verstorbenen Kardinals verpflichtet ist aber das Gegenteil gefordert.

Ende einer Epoche?" betitelte Bischof Helmut Krätzl vor zwei Wochen in der Furche seinen Nachruf auf Kardinal König, um hinzuzufügen: Königs Tod dürfe "kein Ende einer Epoche sein, sondern ein Ansporn, in seinem Geist Auf- und Umbrüche in Kirche und Gesellschaft mitzugestalten".

Krätzls hier gestellte Frage und der daraus abgeleitete Auftrag zum Weitertun im Sinne des verstorbenen Kardinals sind wichtig. Dennoch kann kein Zweifel darüber bestehen, dass letzten Samstag doch auch die Kirchenepoche des 20. Jahrhunderts endgültig zu Grabe getragen wurde - auf jeden Fall jene Ära, die mit Johannes XXIII. eingeleitet worden war: König war der letzte Kardinal, der noch vom Konzilspapst kreiert worden war.

Vieles von diesem Befund kann an den Zeichen der Tage des Abschieds festgemacht werden: Der aufgebahrte Kardinal trug das Brustkreuz Johannes XXIII., das ihm dieser kurz vor seinem Tod geschenkt hatte; das Kreuz wurde aber nicht mit im Sarg in die Bischofsgruft genommen, sondern es kommt ins Museum...

Symbolisch in vielerlei Hinsicht auch das berührende Requiem - in manchem vor allem darin, was nicht gesagt wurde: Weder Kardinal Ratzinger noch Kardinal Schönborn sprachen in ihren Würdigungen des Verstorbenen das Zweite Vatikanische Konzil an, das König so mitgeprägt hatte, und von dem er selbst so geprägt war. Und eine weitere Nuance: Neben dem - Gott sei Dank - fast schon "selbstverständlichen" orthodoxen Gebet und der zu Herzen gehenden hebräischen Rezitation des Psalms vom Guten Hirten durch den jüdischen Freund des Kardinals fehlte eine muslimische Stimme: Auch im Gespräch mit dem Islam hat König ja Bahnbrechendes geleistet, doch ein Zeichen über den Graben zwischen den Religionen hinweg - in der Weltangst vor islamischem Terror notwendiger denn je - blieb aus.

Kardinal König selbst hat in den letzten Jahren seine zunehmende Sorge über Ängstlichkeit und Enge sowie den überhand nehmenden Zentralismus Roms auch öffentlich artikuliert. Man mag es als positives Zeichen nehmen, dass Kardinal Ratzinger - der oft als Personifizierung solcher Entwicklung angesehen wird - nach dem Begräbnis vor Journalisten andeutete, der Kern dieser Kritik sei ihm durchaus bewusst.

Die weltkirchlichen Signale stehen zur Zeit dennoch weiter auf Rückzug: Das jüngste Bangen konzilsbewegter Christen richtet sich auf den Gründonnerstag, an dem ein - juristisches - römisches Dokument über die Liturgie erscheinen wird: Das Thema Liturgie ist seit geraumer Zeit Gegenstand vatikanischer Restriktionen, und man darf davon ausgehen, dass auch hier der nachkonziliare Aufbruch weiter beengt wird; die Frage ist nur, wie stark die Einschränkungsvorgaben sein werden. (Ob sich die Kirchenbasis hierzulande an die römischen Vorgaben halten wird, ist eine andere Sache.)

Was in der großen Welt(kirche) zu konstatieren ist, gilt gleichermaßen für die heimischen Zustände: Wenn Kardinal König in den letzten Tagen so oft als Pontifex - Brückenbauer - tituliert wurde, so ist das auch ein Ausdruck dafür, wie schmerzlich Österreichs Kirche einen wie ihn vermisst. Der kirchliche Aufbruch der letzten Jahrzehnte ist auch hierzulande Geschichte. Waren die innerkirchlichen Konflikte der neunziger Jahre noch ein Lebenszeichen, so ist die derzeitige Verfasstheit der Kirche eher von Friedhofsruhe denn von Auseinandersetzung, Aufwachen, sich zu Wort Melden gekennzeichnet: Gerade viele Laien in der Kirche haben - anders als in der Epoche, für die König steht - das Gefühl, in die Entwicklungs- und Entscheidungsprozesse immer weniger eingebunden zu sein - und engagieren sich ihrerseits bestensfalls schaumgebremst.

Gegen all diese Entwicklungen war Kardinal König bis zuletzt ein Lehrmeister. Er sei "keinem hochbetagten Menschen begegnet, der so sehr im Heute, im Jetzt lebte" wie König: Diese Worte Kardinal Schönborns beim Requiem für seinen Vorvorgänger sprechen aus, was für alle Parteiungen als Erbe Königs gelten sollte. Im Wissen um Kardinal Königs Zeugnis heißt dies aber auch: Nicht Resignation, Engstirnigkeit und Ängstlichkeit wären angesagt, sondern unbändige Neugierde, Weltoffenheit - und grenzenloses Gottvertrauen.

otto.friedrich@furche.at

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