Die Brücken sind haltbar

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Kardinal König hat nicht nur die Ökumene mit den Ostkirchen vorangetrieben, sondern damit auch ein Kapitel österreichischer Geschichte geschrieben.

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Kardinal König hat nicht nur die Ökumene mit den Ostkirchen vorangetrieben, sondern damit auch ein Kapitel österreichischer Geschichte geschrieben.

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Wer heute von Österreich aus das Gespräch mit der Orthodoxie sucht, begegnet den Spuren Kardinal Königs. ln Rumänien etwa ist unvergessen, dass der damalige Wiener Erzbischof 1967 die orthodoxe Kirche des Landes besucht hat und damit erstmals die Mauer der Isolierung durchbrach, die vom kommunistischen Regime aufgerichtet worden war.

"Die Orthodoxie ist integrierender Bestandteil Europas", sagt Kardinal König in seinem jüngsten Interview in der italienischen Zeitschrift "Il Regno". Diese Überzeugung prägt seit Jahrzehnten auch seine Bemühungen um den ökumenischen Dialog mit den östlichen Kirchen. Bereits im November 1961 stattete er aus Anlass des Patronatsfestes der Kirche von Konstantinopel als erster Kardinal der römischen Kirche seit der Kirchenspaltung dem Ökumenischen Patriarchen in Istanbul (damals der unvergessene Athenagoras I.) einen Besuch ab.

Pro Oriente Um den Dialog mit den Kirchen des Ostens zu fördern, begründete Kardinal König die Stiftung "Pro Oriente". Dieser Name wurde im Lauf der Jahre zu einem geschätzten Markenzeichen. Mit "Pro Oriente" gelang es Kardinal König - unterstützt vom langjährigen Generalsekretär und dann Präsidenten der Stiftung, dem allzu früh verstorbenen Alfred Stirnemann - in ähnlicher Weise wie in seinem Mitwirken an der vatikanischen "Ostpolitik" die besondere Position Wiens ins Spiel zu bringen.

Die geographische Nähe, die historischen Verbindungen und die politischen Gegebenheiten machten es möglich, dass von Wien aus manches "inoffiziell" in Gang gebracht werden konnte, was auf "offizieller" Ebene und auf römischem Boden nicht denkbar gewesen wäre. In eindrucksvoller Weise zeigte sich, wie der lebendige Austausch zwischen einer Teilkirche und dem Zentrum der katholischen Weltkirche dazu beitragen kann, das Wohl der ganzen Kirche zu fördern. Für viele später zwischen Rom und orthodoxen oder altorientalischen Kirchen begonnene offizielle Beratungen und Kommissionen sind die ersten persönlichen Kontakte in Wien durch "Pro Oriente" hergestellt worden.

Der gute Ruf Wiens und Österreichs im Bereich der osteuropäischen Orthodoxie wie auch im Vorderen Orient, aber auch die Wiener "Atmosphäre" waren für die Vertreter der Ostkirchen Voraussetzungen dafür, mit Vertretern der katholischen Kirche zusammenzutreffen und ins Gespräch zu kommen. In Rom wäre dies auf Grund der historisch gewachsenen Ängste und Animositäten nicht so leicht gewesen. In Wien konnten haltbare Brücken gebaut werden, die heute noch gern benützt werden; auch die Krisen im ökumenischen Dialog nach der "Wende" haben diese Brücken nicht zum Einsturz gebracht. Kardinal König hat damit nicht nur einen wichtigen Beitrag für den ökumenischen Dialog auf Weltebene geleistet, sondern auch ein Kapitel in der Geschichte der Zweiten Republik geschrieben, das zu den zwar weniger bekannten, aber dafür um so schöneren gehört.

Von den vielen Initiativen, die Kardinal König im Rahmen von "Pro Oriente" angeregt und gefördert hat, seien nur zwei besonders herausgegriffen: Die fünf "Lainzer Dialoge" mit Theologen der altorientalischen Kirchen und das erste inoffizielle Kolloquium zwischen katholischen und orthodoxen Theologen im April 1974.

Bei den "Lainzer Dialogen" ab 1971 wurde behutsame Vorarbeit dafür geleistet, dass ein seit 1.500 Jahren - seit dem Konzil von Chalcedon im Jahr 451 - andauerndes Trauma überwunden werden konnte. Katholische und altorientalische Theologen entdeckten im aufmerksamen und vertrauensvollen Aufeinanderhören, dass sie im Glauben übereinstimmen. Gar manches, was man so viele Jahrhunderte zwischen Katholiken und Altorientalen für kirchentrennend gehalten hatte, stellte sich als kulturell oder politisch bedingt heraus. In der bei den "Lainzer Dialogen" entwickelten "Wiener Formel" wurde deutlich, dass die katholische Kirche und die altorientalischen Kirchen dasselbe meinen, wenn sie in unterschiedlichen Formulierungen von Christus als "wahrem Gott und wahrem Menschen" sprechen.

Beim Kolloquium "Koinonia" vom April 1974 handelte es sich um einen inoffiziellen Dialog, doch nahmen 27 führende orthodoxe Theologen aus Griechenland, Russland, Serbien, Rumänien, Polen und Amerika teil. Katholische und orthodoxe Theologen reflektierten gemeinsam, was während und nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil in der katholischen Kirche wieder entdeckt und gelebt wurde.

Um Einheit in Vielfalt Diese Reflexion im Blick auf die Wiederentdeckung der Gemeinsamkeit zwischen katholischer und orthodoxer Kirche hat nicht wenig dazu beigetragen, dass die auch nach dem Konzil noch vorhandenen Barrieren des Misstrauens abgebaut werden konnten. Man könnte sagen, dass der Weg für die 1980 erfolgte Aufnahme des offiziellen theologischen Dialogs zwischen katholischer und orthodoxer Kirche in Wien freigemacht wurde. In diesem Zusammenhang darf Kardinal Edward Cassidy, der Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, zitiert werden: "Die Gespräche und Kontakte im April 1974 waren im Vorfeld der Einsetzung der Gemischten Kommission für den theologischen Dialog zwischen der katholischen Kirche und der orthodoxen Kirche gewiss von unschätzbarem Wert."

lm gesamten Wirken Kardinal Königs ist sein Einsatz für den ökumenischen Dialog mit den Kirchen des Ostens nur ein Teilaspekt. Aber dieser Aspekt weist darauf hin, wie sehr das Prinzip der Einheit in der Vielfalt sein Bild der Kirche und seine Liebe zur Kirche prägt.

Der Autor ist Erzbischof von Wien und Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz.

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