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Persönliches Kennenlernen -erster Schritt zur Einheit

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„Ihr westlichen und wir östlichen Christen kennen einander zuwenig. Aus der geringen Kenntnis der anderen wächst beiderseitige Entfremdung. Wir sollten nicht nur durch kluge Bücher zueinander kommen, sondern Aug' in Auge, indem wir zu euch und ihr zu uns kommt, und jeder von uns des anderen segensreiches Wirken erforscht“, meinte Metropolit Philaret, Exarch des Patriarchates von Moskau für Mitteleuropa, beim 21. ökumenischen Symposium, das „Pro Oriente“ veranstaltete. Es stand unter dem Motto: „Ökumene und russische Orthodoxie.“

Der Exarch gab einen geschichtlichen Uberblick über die sehr seltenen Anstöße, Verbindungen und Einflüsse, die seit der Trennung im 11. Jahrhundert vom westlichen Christentum und seiner geistigen Entwicklung nach dem Osten drangen, wobei er naturgemäß die heftigen Kämpfe zwischen der Orthodoxie und der katholischen Kirche, besonders in der Ukraine, nicht unerwähnt lassen konnte. Erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts hat ein Buch,„Die Nachfolge Christi“ von Thomas von Kempen, einen nachhaltigen Einfluß gewonnen, wurde übersetzt und bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts immer wieder neu aufgelegt.

Selbst nach der jahrhundertelangen Abgeschlossenheit waren auch noch im 18. Jahrhundert die Kontakte eher kümmerlich. Eine sachte Annäherung fand lediglich mit der anglikanischen Kirche statt. Erst das 19. Jahrhundert hat durch die verstärkte Reisetätigkeit ins westliche Ausland auch westkirchliches Gedankengut an die russische Orthodoxie herangetragen. 1854 fand zum ersten Mal eine Begegnung zwischen einem russischen Archimandri-ten und dem Papst - Pius IX. - statt Der Abbau der Feindschaften und die Wiedervereinigung waren das große Anliegen des späteren Bischofs Por-phyri. Er sah beide christlichen Konfessionen als Schwestern und prägte das Wort: „Unsere irdischen Scheidewände reichen nicht bis zum Himmel.“

Allerdings haben erst die Kontakte, Erfahrungen und schließlich die Zusammenarbeit mit dem Weltkirchenrat

in Genf die russische Orthodoxie nachhaltig aus ihrem Gettodasein herauszuholen vermocht und sie dadurch mit westkirchlichem Gedankengut konfrontiert. Wenn sie sich auch 1948 noch zu einem Beitritt negativ geäußert hat, so wurde durch die Erklärung von Toronto 1950, daß „... im Weltkirchenrat Platz für die Ekklesiologie einer jeden Kirche sei“, die Grundlage für den Beitritt der russisch-orthodoxen Kirche 1961 gelegt.

Naturgemäß ist durch die Kontakte mit anderen christlichen Kirchen die Frage nach der Einheit zum zentralen Thema geworden. Die Tagung des Weltkirchenrates 1977 in Odessa hat dann auch den ersten Konsens in der Geschichte der ökumenischen Bewegung im Hinblick auf die Taufe und die Eucharistie erzielt Über das dritte Dokument, über das Priestertum, insbesondere über die Dienste der Frau in der Kirche, konnte noch keine Einigung gefunden werden. Die vielen bilateralen Gespräche der russischen Orthodoxie mit evangelischen oder römisch-katholischen Theologen sind

nach Ansicht des Metropoliten Philaret ein großer Beitrag zur Verwirklichung des Einheitsgebotes Christi.

Als besonderen Akt der russischen Orthodoxie zum ökumenischen Gespräch hob er ein Schreiben des Pa-triachen Pimen von Moskau an den Weltkirchenrat im August 1973 hervor, in dem es heißt: „Wir glauben, daß die sozialen Fragen nicht die Grundbedeutung des Heiles als einer Befreiung von der Sünde, vom Fluch und vom Tode und der Verleihung des ewigen Lebens im Reiche Gottes und in der Gemeinschaft mit Gott verdunkeln oder ersetzen dürfen... diese Fragen schließen einander nicht aus ... aber sie liegen auf verschiedenen Ebenen.“

Am Schluß betonte der Exarch noch einmal den Wunsch der russischen Kirche, den ökumenischen Dialog ernsthaft weiterzuführen, auch wenn keine rasche Erfüllung des Einheitsgebotes Christi in Aussicht stehen mag, sondern sie in christlicher Geduld, die nicht schläft und nicht resigniert, sondern von der Hoffnung getragen wird, zu erfüllen.

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