Katholisch-orthodoxer Dialog gen Abstellgleis
Beim jüngsten offiziellen Treffen zwischen katholischer Kirche und Orthodoxie im jordanischen Amman erwies sich Kirchenpolitik stärker als Theologie.
Beim jüngsten offiziellen Treffen zwischen katholischer Kirche und Orthodoxie im jordanischen Amman erwies sich Kirchenpolitik stärker als Theologie.
Die 13. Vollversammlung der Internationalen Kommission für den offiziellen theologischen Dialog zwischen katholischer und orthodoxer Kirche in der jordanischen Hauptstadt Amman vom 15. bis 23. September verlief ganz im Zeichen gemeinsamer ostwestkirchlicher Solidarität mit den akut bedrängten Nahostchristen. Die Frage des Verhältnisses von päpstlichem Primat und kirchlicher Synodalität, die seit den letzten Dialogtreffen in Ravenna 2007, Paphos (Zypern) 2009 und Wien 2010 im Mittelpunkt steht, wurde auch diesmal nicht einvernehmlich behandelt. Dem stand zusätzlich ein neues Primatsdokument der russisch-orthodoxen Kirche im Weg. Sie hatte sich darin Ende 2013 klar gegen jede Art von kirchlichen Primatsfunktionen ausgesprochen, die über einen konventionellen Ehrenprimat hinausgehen.
Gespräche theologisch gescheitert
So enthält das langatmige Abschlusskommunique von Amman zwar klare Aussagen gegen Terror und Gewalt im Namen der Religion und zur aktuellen Bedrängnis der Christen in Syrien, dem Irak und im Libanon. Der restliche Text ist fast nur eine Aufzählung der verschiedenen Veranstaltungen bei dieser Dialogsession. Zum eigentlichen Hauptthema "Synodalität und Primat" wird hingegen nur kurz erwähnt, dass der diesbezügliche Textentwurf "wegen der vielen Fragen und Diskussionen" nicht gebilligt wurde. Er war 2011 in Rom und 2012 in Paris vom Dialogs-Koordinationskomitee vorbereitet worden. An ihm hatte auch die russische Orthodoxie mitgearbeitet. Es waren aber vor allem ihre Vertreter, die das Treffen in Amman theologisch scheitern ließen. Kirchliche Beobachter führen das (neben dem Moskauer Primatsdokument) auf die neuen katholischorthodoxen Spannungen als Folge des Ukraine-Konflikts zurück.
Immerhin wurde das Koordinationskomitee mit der "weiteren Ausarbeitung und Verbesserung" des abgelehnten Dokumentes beauftragt. Das bedeutet, dass der Dialog weitergeht, wenn auch nur auf Sparflamme. Neue Session wurde keine anberaumt. Nach dem bisherigen Zweijahresrhythmus wäre sie 2016 fällig. Das ist aber jenes Jahr, für das ein gesamtorthodoxes Konzil einberufen ist. Da wird eine zusätzliche Dialogveranstaltung kaum Chancen haben.
Abgesehen vom Moskauer Patriarchat war es noch die georgischorthodoxe Kirche, die in Amman jeden Primats-Konsens strikt abgelehnt hat. Ihr Vertreter, Metropolit Theodor Tkuadse von Achalziche, sitzt schon seit Belgrad 2006 in der Dialogkommission und war durchaus kooperationsfreudig. Sein jetziges Umschwenken wird weniger mit Linientreue zu den Russen als konservativen Tendenzen in der Orthodoxie von Georgien in Zusammenhang gebracht. Aus denselben internen Rücksichten nimmt die bulgarische Orthodoxie schon seit Jahren nicht mehr am Dialog teil.
Massiver russischer Widerstand
Demgegenüber vertrat die nach Moskau zweitgrößte orthodoxe Kirche von Rumänien ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Primat und Synodalität. Auch das konservative Patriarchat Jerusalem als Gastgeber zeigte sich in Sachen Papstprimat recht offen. Das war Verdienst seines "Cheftheologen" Georgios Galitis aus Athen. Dieser hat noch bei Karl Rahner studiert. 2008 hielt er in München einen vielbeachteten Vortrag "Der Dialog zwischen der orthodoxen und der römisch-katholischen Kirche: Geschichte, Gegenwart, Zukunft". Alle anderen orthodoxen Kirchen waren mit dem vorbereiteten Dokument zu Primat und Synodalität ohnedies einverstanden, konnten sich aber gegen das massive Auftreten des russischen Metropoliten Hilarion Alfejew von Wolokalamsk nicht durchsetzen.
Der katholisch-orthodoxe Dialog scheint also in Amman vorerst aufs Abstellgleis geraten zu sein. Das ist aber nur das Symptom einer viel breiteren Kluft, die sich zwischen Katholiken und Orthodoxen sowie besonders unter diesen auftut. Kardinal Kurt Koch, der vatikanische "Ökumene-Minister" hat den Nagel auf den Kopf getroffen, als er erklärte: "Wir haben vielleicht mehr Differenzen unter den Orthodoxen als zwischen Orthodoxen und Katholiken." Grund dafür sind auch innerhalb des christlichen Ostens kirchliche Vorrangsrivalitäten, aber ebenso ein unterschiedliches Kirchenverständnis. Beides hatte schon zum ersten Bruch von 1054, zur gegenseitigen Entfremdung und schließlich zur endgültigen Trennung geführt. Innerhalb der orthodoxen Kirchenfamilie sind es immer wieder Rivalitäten zwischen dem Ökumenischen Patriarchat Konstantinopel und der russischen Kirche, die oft bis an den Rand der Spaltung führen.
Hauptsächlicher Austragungsort der Rivalitäten zwischen Rom und Moskau sowie von diesem mit Konstantinopel war und ist die Ukraine. Der päpstliche Primat tut den orthodoxen Russen dort am meisten weh, wo sie ihn unmittelbar zu spüren bekommen: in Gestalt der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche. Die gesamte Metropolitankirche von Kiew hatte 1596 in der Union von Brest die kirchliche Gemeinschaft mit dem Papst aufgenommen. Das bedeutete nach damaligem ekklesiologischen Verständnis keinen erklärten Bruch mit ihrer Konstantinopler Mutterkirche. Nach orthodoxem Kirchenrecht kann sich eine Ortskirche in Notlagen unter das Omophorion (Stola) eines anderen als des eigenen Patriarchen begeben. Das hat die gesamte Kiewer Kirche, die damals noch mehr weißrussisch als ukrainisch war, unter die Stola des abendländischen Patriarchen in Rom getan. Ihre Beziehung zum Ökumenischen Patriarchat war nämlich gestört bzw. oft ganz abgebrochen, seit dieses unter die Herrschaft der Osmanen geraten war.
Unierte wurden zum "Problem"
Die russische Orthodoxie stand zunächst völlig abseits von dieser Sonderentwicklung der Orthodoxie im damaligen Großfürstentum Litauen. Erst die Staatsräson des Zarenreiches und dann der Sowjetunion gliederten diese "Uniaten" mehr oder weniger gewaltsam in die eigene Staats- bzw. Satellitenkirche ein. Es war die Auferstehung der griechisch-katholischen Kirche in Gorbatschows Perestrojka - und nicht die theoretische Primatsdiskussion, die seit 1989 den katholisch-orthodoxen Dialog bis heute erschüttert. In Amman hat sich das wieder gezeigt, als die russischen Vertreter von der Primatskritik sofort zum Thema des "Unions-Prosyletismus" übersprangen.
Moskau versucht aber auch den andersartigen, doch realen Primat des Ökumenischen Patriarchen innerhalb der Orthodoxie in Frage zu stellen. Schon 2006 in Belgrad bestritt es die leitende Rolle von Konstantinopel beim Dialog mit Rom. Patriarch Bartholomaios I. fürchten die Russen ebenfalls in der Ukraine besonders, wo er kirchenrechtlich noch immer der eigentliche Hausherr ist.
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