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Kirche zwischen Ost und West

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Nicht erst die seit einigen Jahren neu entstandenen guten Beziehungen zwischen Rom und den orthodoxen Kirchen des Ostens haben die kritische Frage nach der Stellung der Unierten aufkommen lassen. Kirchengeschichtler und ökumeniker beschäftigt dieses Problem schon seit Jahrzehnten. Von den Lateinern als absurdes Anhängsel und exotische Ausnahme, von den Orthodoxen als Verräter an der legitimen Sache der Orientalen betrachtet, hatten sich die „Uniaten“ an eine resignierende Existenz gewöhnt, die sich eher nach den Möglichkeiten des Überlebens als nach ihrer tiefsten Bestimmung in der und für die Weltkirche richtete. Erst die vergangenen acht Jahre haben eine völlig neue Einschätzung dieser Kirchen zwischen Ost und West gebracht. Vor allem war es das Verdienst des im vorigen Jahr verstorbenen melkitischen Patriarchen Maximos IV. Saigh, zur Neubesinnung angeregt zu haben. Seine und seines Episkopats Losung „Ganz katholisch und zugleich ganz orientalisch“ wurde zum Programm dieser Erneuerung. Wenn sein Nachfolger sich in Verehrung ihm gegenüber nach seiner Wahl zum Patriarchen den gleichen Namen gab, muß das als Zeichen dafür gewertet werden, daß er die „Politik“ des melkitischen Episkopates konsequent weiterführen wird. Wie Patriarch Maximos V sein Amt ausüben und seine Rechte wahrnehmen wird, dürfte von weit- tragender ökumenischer Bedeutung sein.

In jüngster Zeit hat der Vertreter einer anderen unierten Kirche in einer Aufsehen erregenden Erklärung zur Situation der Unierten und ihrer Möglichkeiten für die Zukunft Stellung genommen. Seine Ausführungen zu diesem heiklen Problem sind ein Symptom dafür, wie weit die Gewissenserforschung wenigstens bei den aufgeschlossenen bedeutendsten Vertretern der katholisch-orientalischen Hierarchie gediehen ist. Wie epd am 5. Februar meldete, bezeichnete der griechisch- katholische Patriarchalvikar für Ägypten, Erzbischof Elias Zoghby, die Errichtung unierter Kirchen als „schweren Irrtum tirud mißratenes Experiment“. Sie sei von den Orthodoxen als feindseliger Akt aufgefaßt worden und habe den Graben zwischen Rom und der Orthodoxie noch vertieft. Muß dieses Eingeständnis für sich genommen als „Sensation“ betrachtet werden, so stellt es in den ökumenischen Zusammenhängen der nachkonziliaren Zeit einen Ansatzpunkt dar, nun endlich die Rolle der unierten Kirchen des Ostens frei von Emotionen behandeln zu können.

Diese Kirchen gerieten (das muß um der Wahrheit willen gesagt werden) nicht aus böswilligen Erwägungen, sondern aus historisch bedingten Gründen in ihre unglückliche Zwitterstelluog. Die Entscheidung, die an ihrem Beginn stand, war eine Entscheidung für die Einheit der Kirche, die ausschlaggebend vom Gewissen beeinflußt war. Dieser Ausgangspunkt ist bis heute relevant gebleben; jede Betrachtung der Zusammenhänge muß hiervon ausgehen. Im Grundsatz kann, darf und soll dieser historische Schritt nicht revidiert werden; aber seine Auswirkungen müssen neu durchdacht und das praktische Verhalten muß revidiert werden. Nach der Auslöschung des Bannes von 1054 und nach der Bußfahrt Papst Pauls VI. nach Konstantinopel hat. sich die Situation radikal gewandelt, daß sie so gut wie nichts mehr mit der vor dem Konzil zu tun hat. Trotzdem immer noch auf jener vorkonziliaren Haltung zu beharren, wäre anachronistisch und käme der Todeserklärung für die unierten Ostkirchen gleich, denen gerade jetzt neue und große Aufgaben gestellt sind.

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