Funke Hoffnung für Rumänien

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Rom nützt die wiedergewonnene Religionsfreiheit in Rumänien zur Versöhnung mit den Orthodoxen.

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Rom nützt die wiedergewonnene Religionsfreiheit in Rumänien zur Versöhnung mit den Orthodoxen.

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Zehn Jahre sind es her, daß Rumänien seinen Diktator vertrieben - und auch getötet - hat. Doch so wie in allen anderen postkommunistischen Ländern lösten sich die Probleme nach der Wende nicht von selbst. Schon 1990 hatte die neue Regierung den Papst nach Rumänien eingeladen - jetzt wurde endlich Wirklichkeit daraus.

Viele Journalisten und Besucher bestätigten, Bukarest noch nie so sauber angetroffen zu haben. Ganze Straßenzüge waren erneuert worden, noch Stunden vor der Ankunft des Papstes wurde gewerkt und gefegt. Auch die zahlreichen Fahnenhalter an den Laternenmasten und Häusern, von denen so lange die kommunistischen Flaggen geweht hatten, kamen endlich zu neuen Ehren. Hunderttausende säumten den Weg, um den Gast zu begrüßen.

In Ländern, in denen die Katholiken in der Minderheit sind, rufen Papstreisen ein besonderes Echo hervor. Denn hier steht die meist spannungsgeladene Frage nach dem Zusammenleben der Religionen und der eigenen Identität im Vordergrund. So reiste Johannes Paul II. zum ersten Mal in ein Land mit orthodoxer Bevölkerungsmehrheit.

Papst der Minderheit Allein die Zahlen verdeutlichen die Stellung der katholischen Kirche in dem wirtschaftlich ausgelaugten Land: Nur zwei der rund 23 Millionen Rumänen bekennen sich zum katholischen Glauben. 87 Prozent der Bevölkerung gehören der rumänisch-orthodoxen Kirche an. Eine Sonderstellung haben die Katholiken auch wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Viele Gläubige zählen zu nationalen Minderheiten. Im Vielvölkerstaat leben - neben den Rumänen - Deutsche, Slowaken, Kroaten und Bulgaren katholischer Konfession. Die Situation der Katholiken Rumäniens ist damit vielschichtiger als in anderen postkommunistischen Staaten.

Die Gläubigen leben zwischen zwei Polen: Auf der einen Seite schwelt der Konflikt mit der rumänisch-orthodoxen Kirche um die Rückgabe von rund 1.700 ehemals griechisch-katholischen Kirchen. Auf der anderen Seite gehören die katholischen Christen zu zwei Kirchen - der römisch- und der griechisch-katholischen. Während die griechisch-katholische Seite zwar den Papst als ihr Oberhaupt akzeptiert, praktiziert sie ihren eigenen Ritus nach byzantinischem Vorbild.

György Jakubinyi, römisch-katholischer Erzbischof von Alba Julia, sieht in der antireligiösen Politik des sozialistischen Regimes eine wesentliche Ursache für gesellschaftliche und religiöse Spannungen. "Die Kommunisten haben nur jene Glaubensgemeinschaften anerkannt, die ihre Statuten zur Zensur eingereicht und als obersten Chef einen rumänischen Staatsbürger hatten", erinnert sich Jakubinyi an die Zeit vor 1989. Staatlich anerkannt und von Bedeutung war neben 13 kleinen religiösen Gemeinschaften nur die rumänisch-orthodoxe Kirche. Die römisch-katholische Kirche sei lediglich "toleriert" worden. Am bedrückendsten war die Situation für die unierte Kirche. Jedes ihrer fünf Bistümer wurde 1948 zerschlagen. Die Übernahme von Kirchen durch die Orthodoxen hatte den Übertritt zahlreicher Katholiken zur "offiziellen" - orthodoxen - Glaubensrichtung zur Folge. Zwar wurden die Unierten nach 1989 wieder anerkannt, doch die Rückgabe von Kirchengebäuden und Gemeindezentren ist bis heute ungelöst.

Ein zähes Ringen um Verständigung zwischen Katholiken und Orthodoxen sowie den Status quo der katholischen Kirche ging dem Besuch des Papstes voraus. Nach schwierigen Verhandlungen konnten sich Vertreter beider Kirchen erst Mitte März auf einen Kompromiß einigen. Demnach beschränkte sich die Visite auch auf die Hauptstadt Bukarest. Katholische Zentren in Siebenbürgen und Moldavien besuchte Johannes Paul II. nicht. Daß die Unierten auf weitere gerichtliche Schritte zur Wiedergewinnung von Kirchengebäuden verzichten, war weitere Bedingung der Orthodoxen. Diese verpflichteten sich ihrerseits, die Übernahme von rund 100 Kirchen durch die Unierten nach der Wende anzuerkennen.

Katholiken wie Orthodoxe "verbindet" die Geschichte in einem Punkt: Beide Kirchen litten unter dem kommunistischen Regime. Hunderte von Priestern saßen im Gefängnis, 16 wurden erschossen. Laut Jakubinyi sind von den ehemals rund zwei Millionen Griechisch-katholischen heute nur etwa 500.000 übrig geblieben. Mit ihren römisch-katholischen Glaubensbrüdern, deren Zahl nach der Öffnung des Landes durch Auswanderung - hauptsächlich nach Deutschland - um 500.000 auf rund 1,3 Millionen Menschen schrumpfte, sind sie in einer gemeinsamen Bischofskonferenz organisiert. Den Dialog innerhalb der katholischen Kirche erschwert jedoch die Zugehörigkeit zu verschiedenen Volksgruppen. Während die Unierten fast ausschließlich der rumänischen Bevölkerungsmehrheit angehören, handelt es sich bei denen, die den lateinischen Ritus praktizieren, mehrheitlich um Ungarn und Deutsche. Allein vier der sechs römisch-katholischen Bistümer liegen im nördlichen Landesteil Siebenbürgen, das Jahrhunderte zu Ungarn gehörte. Im rumänischen Kernland mit den Diözesen Bukarest und Iasi leben lediglich 350.000 Katholiken.

Kein Pastoralbesuch Vielen gilt der Besuch des Papstes als Meilenstein auf dem steinigen Weg der Versöhnung zwischen Katholiken und Orthodoxen. Der Vatikan selbst unterstreicht immer wieder den ökumenischen Charakter des Ereignisses. Und tatsächlich war die Visite des Papstes weniger Pastoralbesuch denn Unternehmen zur Förderung der Ökumene.

Indes steht die katholische Kirche zwischen den Stühlen. Sie muß sich mit einem rumänisch-nationalistischen Kurs der Regierung und Teilen der Orthodoxie auseinandersetzen. Für sie ist es eine Überlebensfrage, daß die Rechte nationaler und religiöser Minderheiten geschützt und auch wirklich beachtet werden.

Die Kompromisse zwischen beiden Kirchen, auf denen der Papstbesuch beruhte, sind "in erster Linie Zugeständnissen auf katholischer Seite" zu verdanken, meint Emmerich Tempfli, Rumänien-Experte beim katholischen Hilfswerk "Kirche in Not". Der Verzicht, den Papst in ihrer Heimat zu sehen, sei für viele Katholiken eine große Enttäuschung. Vielen Gemeinden fehle zudem das Dach über dem Kopf. Gottesdienste müßten im Freien abgehalten werden, weil sich ehemals katholische Kirchen in den Händen orthodoxer Gemeinden befänden, berichtet der Geistliche.

Der Autor ist Mitarbeiter des kath. Hilfswerks "Kirche in Not/Ostpriesterhilfe", für das Rumänien ein Schwerpunktland ist. Seit 1989 hat "Kirche in Not" mehr als 200 Millonen Schilling für die kirchliche Aufbauarbeit in Rumänien aufgewendet.

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