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Schweigende Kirdie

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Als 1947 in Rußland ein »Rat der orthodoxen Mirsion" errichtet und der Erzbischof von Tula zu seinem Leiter bestellt wurde, mag es für manchen unklar gewesen sein, auf welche Missionsgebiete die orthodoxe Kirche ihre Tätigkeit auszudehnen beabsichtigt. Die Ausrottung der griechisch-katholischen Kirche in den von Polen und der Tschechoslowakei an Rußland abgetretenen Gebietsteilen sowie in Rumänien hat inzwischen nur zu klar gezeigt, in welcher Richtung der Angriff vorgetragen wird.

Nunmehr sind Polen und die Tschechoslowakei selbst zum eroberischen Aufmarschgebiet der orthodoxen Kirche geworden. In beiden Staaten wurde zunächst eine ganze Reitie neuer Diözesen errichtet: in Polen mit dem Sitz in Lodz, Breslau und Danzig, in der Tschechoslowakei in Olmütz, Preschov und Micha- lowitz; Dieser großzügigen organisatorischen Ausgestaltung folgte die offizielle Loslösung von der russischen Kirche, die Verselbständigung als „autokephale" polnische beziehungsweise tschechoslowakische orthodoxe Kirche mit einem eigenen Metropoliten an der Spitze. Metropolit der tschechoslowakischen orthodoxen Kirche wurde Jelevferij (Eleutherius), der frühere Bischof von Taganrog, seit 1946 Exarch von Prag und seit 1952 tschechoslowakischer Staatsbürger. Zum Oberhaupt der polnischen orthodoxen Kirche wurde der Erzbischof von Lemberg, Makarius, bestellt, der seine Bewährungsprobe bei der Vernichtung der griechisch- katholischen Kirche in Galizien abgelegt hat. In der Tschechoslowakei, wo die orthodoxe Kirche 450 Priester und

80 Mönche zählen soll, sorgt eine eigene orthodoxe theologische Fakultät für den Priesternachwuchs.

Ist dieser Aufwand schon angesichts der religionsfeindlichen Grundhaltung der kommunistischen Machthaber in diesen beiden Ländern erstaunlich, so fällt er um so mehr angesichts der kleinen Zahl von Anhängern der orthodoxen Kirche auf; in Polen gab es 1945 nur 80.000 orthodoxe Christen, in der Tschechoslowakei kaum die Hälfte, nachdem der östliche Teil des Staatsgebietes, die so- genanpte Karpatenukraine mit dem orthodoxen Bistum in Munkatsch, an Rußland abgetreten worden war. Wenn heute weit höhere Zahlen genannt werden (für die Tschechoslowakei 300.000), so hat das seinen Grund darin, daß nach der Liquidierung der griechisch-katholischen Kirche in Galizien und in der Slowakei ihre Anhänger einfach der orthodoxen Kirche zugerechnet werden, obwohl sie heute vielfach, soweit ihnen dies möglich ist, am römisch-katholischen Gottesdienst teilnehmen, ,

In Preschov, in der Slowakei, hat man den griechisch-katholischen Bischof Goj- dic, als er sich weigerte, zur orthodoxen Kirche überzutreten, verhaftet und später zu lebenslänglichem Kerker verurteilt, und hier den Sitz eines othodoxen Bischofs errichtet; zum Bischof wurde der ehemalige Offizier der Sowjetarmee, Mitglied des NKDW, und spätere Archi- mandrit Alexej Djechtjerew geweiht. Hieher wurde auch von Prag die orthodoxe theologische Fakultät verlegt und im aufgelassenen griechisch-katholischen Priesterseminar untergebracht, dessenHauskapelle in einen Turnsaal verwandelt und dessen Fassade mit dem Sowjetstern und StaÜn-Bildern geschmückt wurde. Die 60 Studenten werden großenteils von russischen Professoren unterrichtet, drei abgefallene griechisch-katholische Priester haben sich dem neuen Regime als „Theologieprofessoren" zur Verfügung gestellt. Daß der Staat diesen Änderungen wohlwollend zusieht, geht unter anderem daraus hervor, daß der Referent des staatlichen Kirchenamtes in Preßburg, Jan Banöczy, zum Sekretär der Fakultät ernannt wurde.

„Die Gläubigen der orthodoxen Kirche in der Tschechoslowakei erhalten ihre geistige Nahrung von gottesfürchtigen Priestern in zahlreichen herrlichen Kirchen ... Sie verfügen über alle Voraussetzungen für eine weitere gedeihliche Entwicklung, insbesondere nennen wir die theologische Fakultät in Preschov und eine gut finanzierte Verlagsanstalt zur Verbreitung orthodoxer Bücher.“ So schrieb der Patriarch von Moskau am gleichen Tag, als er die orthodoxe Kirche der Tschechoslowakei aus dem kanonischen Verband der russischen orthodoxen Kirche entließ, an den ökumenischen Patriarchen in Konstantinopel.

So glaubte man am besten den 300. Jahrestag der „Uzhoroder Union" mit einem

Widerspruch zu begehen, das Gedenken an den 15. Jänner 1652, da sich die Priester des griechischen Ritus aus dem ganzen Karpatengebiet an Papst Innocenz X. mit einem Schreiben gewandt hatten, in dem sie ihre Zugehörigkeit zur katholischen Kirche erklärten. Wer nach der berüchtigten Preschauer „Kirchenkonferenz" vom 28. April 1950 und der ein Jahr später nach Kaschau einberufenen „Einigungskonferenz" noch an dieser Erklärung festhielt — und das tun trotz des unerhörten Druckes, der auf sie ausgeübt wurde, mehr als zwei Drittel der rund 300 griechisch-katholischen Priester in der Slowakei —, ist heute verhaftet oder verschleppt; doch einem kleinen Teil gelang es, in einem Zivilberuf zu verschwinden.

Aus den Reihen der christlichen Sekten, in den böhmischen Ländern', vor allem aus den Anhängern der hussiti- schen Richtung, erhält die orthodoxe Kirche weiteren Zuzug. Schon zeichnen sich die Konturen einer von Moskau geleiteten, „autokephalen" tschechoslowakischen, einer „autokephalen" polnischen Kirche des lateinischen Ritus ab, letztere die erste ihrer Art.

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