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„Gegenteil von Versöhnung“

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Es gibt Jubiläen, die keine Jubelfeiern sind, sondern die Erinnerung an schmerzhafte Ereignisse wecken. Ein solches Gedenken ist die Unterdrückung der rumänischen Unierten Kirche im Oktober 1948, die jetzt 25 Jahre zurückliegt.

Was war damals geschehen? Bereits im September 1948 hatte die rumänische Regierung die meisten katholischen Bischöfe für abgesetzt erklärt, nachdem sie das Konkordat gekündigt hatte. Von den unierten Oberhirten durfte allein Bischoi Julius Hossu von Klausenburg im Amt bleiben, aber er wurde am 30. September in „Schutzhaft“ genommen und mit seinen Mitarbeitern unter Hausarrest gestellt. Die unierten Priester waren zuvor unter Druck gesetzt worden, ein Dokument zu unterschreiben, in dem ein Kongreß zur Wiedervereinigung der Unierten mit der orthodoxen Kirche angekündigt wurde. Am 1. Oktober traten 38 unierte Priester zu diesem Kongreß in Klausenburg zusammen. Die Zahl war darum gewählt worden, weil 250 Jahre zuvor 38 Erzpriester (Dekane) der Union mit Rom zugestimmt hatten. Die Versammlung verabschiedete nach zwei Tagen eine Resolution, in der sie beschlossen, „in den Schoß unserer Mutter, der orthodoxen Kirche, zurückzukehren“ und damit die Wiedervereinigung in einer einzigen rumänischen Kirche zu vollziehen. Unter Polizeibewachung wurden die angeblichen „Delegierten“ nach Bukarest gebracht, wo sie der rumänische Patriarch Justinian Marina empfing und in einem feierlichen Gottesdienst in die orthodoxe Kirche aufnahm. 36 Geistliche — einer war zuvor erkrankt, ein anderer konnte sich heimlich entfernen — machten sich selbst zum Sprecher einer Kirche von 1,5 Millionen Gläubigen !

Wie war diese Kirche entstanden? Die.Rumänen waren immer ein Volk zwischen Ost und West. Ihre erste Begegnung mit dem Christenturr entstand durch die römischen Kolonisten im Donauraum. Seit dem 9. Jahrhundert gerieten die Gebiete jenseits und diesseits der Karpaten in den Einfluß von Byzanz. So kamen auch die rumänischen Fürstentümer in das große Schisma zwischen Rom und Byzanz, aber die Berührung mit der abendländischen Kultur hörte nie ganz auf. Am Ende des 17. Jahrhunderts entstand in Siebenbürgen die Union mit Rom. Die „Unierte“ Kirche behielt ihren byzantinischen Ritus. Rom anerkannte, daß in der Weltkirche verschiedene Sprachen und Traditionen ihren Platz haben sollten. Tragisch war, daß die Unionsbewegung nicht über die Karpaten dringen konnte, da die Fürstentümer der Moldau und der Walachei unter türkischer Oberherrschaft standen und von griechischen Beamten verwaltet wurden, die auch die Kirche unter hellenistischem Einfluß hielten.

Nach dem Kongreß von Klausenburg protestierten die fünf unierten Bischöfe gegen die Vergewaltigung ihrer Kirche. Nun wurden die Priester und Gemeinden unter Druck gesetzt, damit sie den Übertritt zur Orthodoxie vollzögen. Wo 50 Prozent der Gläubigen unterschrieben, gingen Kirche und Pfarrhaus in orthodoxen Besitz über. Von den Priestern wurde unter unglaublichen Drohungen und Quälereien der Abfall erpreßt. Wer Widerstand leistete, wanderte oft auf Jahre hinaus ins Gefängnis. Die Bischöfe und der unierte Weihbischof von Bukarest wurden verhaftet und in Klöstern interniert. Am 21. Oktober 1948 fand in der früheren Krönungskirche von Alba Julia eine große „Vereinigungsfeier“ statt. Es war genau der Tag, an dem vor 250 Jahren die Union vollzogen worden war. Die Kirche erhielt den Titel „Kathedrale der Einigung der rumänischen Kirche“. Aber diese unter Terror und Gewalt erpreßte Einigung hat in Wirklichkeit einen Spalt zwischen die beiden bisher friedlich miteinander lebenden Kirchen getrieben, der bis heute nicht überwunden werden konnte.

Die Unierte Kirche ging als Märtyrerkirche in den Untergrund. Mehr als 600 Priester kamen in die Gefängnisse. Manche, denen unter der Folter die Unterschrift abgepreßt wurde, widerriefen, als sie in ihre Gemeinde zurückgekehrt waren, und gingen erneut in den Kerker. Das Opfer war für die verheirateten unierten Priester doppelt schmerzlich, da sie Frau und Kinder dem Elend überlassen mußten.

Wie ist die Lage heute, nach 25 Jahren? Die meisten Bischöfe und viele Priester sind in den Gefängnissen gestorben. Andere gehen weltlichen Berufen nach und schlagen sich kümmerlich durch. Vor allem die älteren und arbeitsunfähigen Geistlichen sind in einer beklagenswerten Lage. Die zur Orthodoxie Ubergetretenen sind mit ihren Gemeinden in der Mehrheit im Herzen katholisch geblieben. Nur ganz wenige sind der Partei dienstbar geworden und vertreten deren Ziele. Die Gläubigen machen oft weite Wege, um in einer römisch-katholischen Kirche die Sakramente zu empfangen.

Wie soll es weitergehen? Die orthodoxe Kirche hofft wohl, daß die traurigen Umstände dieser Zwangs-vereinigung allmählich in Vergessenheit geraten. Aber das geschehene Unrecht und die vergewaltigten Gewissen haben tiefe seelische Wunden hinterlassen, die nicht geheilt sind und nicht heilen können. Die Ökumene zwischen katholischer und orthodoxer Kirche ist schwer belastet, denn was in Rumänien geschehen ist, ist das genaue Gegenteil von ökumenischer Versöhnung. Die Unierten verlangen heute nicht die Wiedererstattung ihrer beschlagnahmten Kirchengüter, sondern einzig und allein Gewissens- und Religionsfreiheit. Es hat den Anschein, daß der rumänische Staat geneigt wäre, diesem Verlangen nachzukommen, wenn nicht die Orthodoxie der Wiedergutmachung widersprechen würde. Die beste Lösung wäre natürlich eine wirkliche Union zwischen den beiden Kirchen, die der rumänischen Kirche unter Anerkennung des päpstlichen Primats Autonomie gewähren könnte, aber der Weg bis zu diesem Ziel dürfte weit und steinig sein, wenn auch Gottes Fügungen unberechenbar sind.

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