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Nach dem Martyrium

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Es ist an einem Frühlingssonn - tag in der Alexandru Donici- Straße in Bukarest. Die sonntäglich gekleideten Gläubigen stehen bis auf den Hof des stattlichen Hauses hinaus, das für den Anlaß in eine „Untergrundkirche" verwandelt worden ist.

Noch vor einigen Monaten wurde diese „Messe im Verborgenen" von den Securitate-Leuten streng über- wacht. Diese eifrigen Diener des Staates hielten fest, wer hier ein und aus ging und ließen die Verant- wortlichen von Unternehmen und Verwaltungsbehörden wissen, wer von ihren Angestellten an diesem Gottesdienst teilnahm. Offiziell war er zu der Zeit nämlich verboten - und dies seit der Auflösung der griechisch-katholischen (unierten) Kirche im Jahr 1948. Heute nehmen auch eine Anzahl höherer Kader an dieser katholischen Liturgie byzan- tinischen Ritus in dieser improvi- sierten Kirche in Bukarest teil.

Auf der Türschwelle erzählt uns Aurora Sasu, eine pensionierte Journalistin von Radio Bukarest, wie ihre Kirche die Zeit der Verfol- gung erlebte: die Priester, die sich weigerten, die Urkunde der Inte- gration in die orthodoxe Kirche zu unterzeichnen, wurden verhaftet wegen „Verbindung mit einer feind- lichen ausländischen Macht" (dem Vatikan), ihre Kinder wurden dis- kriminiert... so war zum Beispiel Pater Theodor Racovitzen aus Tir- naveni bei Tirgu Mures in den fünf- ziger Jahren während acht Jahren im Gefängnis.

Begeistert beschreibt Aurora Sasu die Heldenhaftigkeit der unierten Kirche im Untergrund in den fünf- ziger Jahren; sie betont, daß die in Freiheit verbliebenen oder wieder freien Priester ihre pastoralen Auf- gaben weiterverfolgt haben, trotz der Securitate: da sie die Kinder nicht zum Religionsunterricht ver- sammeln konnten, besuchten sie die Eltern unter dem Vorwand, Fran- zösisch zu unterrichten. Sie stan- den den Kranken bei, spendeten das Taufsakrament und sie leiteten sogar - dank tausend Listen - Be- gräbnisgottesdienste, während ihre Kirchen und Friedhöfe nun in den Händen der orthodoxen Kirche waren, die ihnen hier oft den Zu- tritt verwehrte. Nach dem vom or- thodoxen Priester organisierten Trauergottesdienst ging der grie- chisch-katholische Priester seiner- seits mit den Verwandten des Ver- storbenen zum Grab; die Verwand- ten wollten eben doch ein „katholi- sches Begräbnis".

Im geheimen ernannte unierte Bischöfe haben einen Teil ihres Lebens im Gefängsnis verbracht, ebenso ein guter Teil der Priester, die die Urkunde des Beitritts zur orthodoxen Kirche trotz der Atmo- sphäre von Drohung und Terror nicht unterschrieben. Während dieser ganzen Zeit hat die orthodo- xe Kirche, „Mutterkirche" der Unierten, behauptet, daß diesem Beitritt frei zugestimmt worden sei. 1972 konnte Patriarch Justinian in Brüssel noch sagen, daß die grie- chisch-katholische Kirche sich „selber aufgelöst" habe unddaß man in diesem Fall weder von Verfol- gung noch von Repression sprechen könne.

„Auf ihren Auslandsreisen", so erzählt Pater Augustin Ciungan aus Bukarest, „haben der Patriarch Teoctist und der Metropolit von Sibiu, Msgr. Antonie Plamadeala, immer gesagt, daß die Kirche in Rumänien frei sei, total frei, wäh- rend wir im Gefängnis saßen... unsere Bischöfe lagen in Ketten, und sie haben die Freiheit der Kir- che besungen; sie haben Ceausescu applaudiert, haben ihm Ovationen erbracht, und deshalb haben sie nun demissionieren müssen!"

In Reghin, im Nordosten von Tir- gu Mures im Zentrum des Landes, lebt in einem bescheidenen Privat- haus der griechisch-katholische Metropolit Alexandru Todea, den Papst Johannes Paul II. am 14. März 1990 zum Erzbischof von Fagaras und Alba Julia erhoben hat. Vor 1918 war Reghin eine ganz und gar deutsche Stadt, bevölkert von lu- therischen „Sachsen", aber 1945 nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches mußten die Deut- schengehen. Am 19. September 1948 war Alexandru Todea der erste grie- chisch-katholische Priester, der von der Regierung in Reghin kontak- tiert wurde, um den Ubergang zur Orthodoxie anzuführen. Er wurde ausgewählt, weil man dachte, er sei durch seine kürzlichen Gefängnis- aufenthalte eingeschüchtert. Seit 1945 war er schon sechsmal verhaf- tet worden und hatte mehrere Monate wegen „antikommunisti- scher Haltung" im Gefängnis ver- bracht. Man hatte ihm mit Sibi- rien gedroht. Msgr. Suciu, der Bi- schof von Blaj, war verhaftet wor- den. Msgr. Todea hätte im gehei- men in der Kathedrale von Buka- rest vom Apostolischen Nuntius, Msgr. O'Hara, zum Bischof ordi- niert werden sollen, unter Umstän- den, die eines Kriminalromans würdig gewesen wären. Die Securi- tate war jedoch schon in der Nun- tiatur um die Ausweisung des Nuntius anzuordnen; Msgr. Todea mußte sich verstecken und konnte nicht von Msgr. O'Hara ordiniert werden.

Er reiste heimlich wieder nach Bukarest, wo er schließlich von Msgr. Joseph Schubert ordiniert wurde. Einige Zeit später wurde Msgr. Todea von der Securitate verhaftet. Erst 1964 kam er wieder aus dem Gefängnis. „Die kommu- nistischen Behörden haben zuerst den Griechisch-katholischen die Schuld zugeschoben, weil sie eth- nisch rumänisch sind und großen Einfluß auf die Bevölkerung hat- ten", erklärt er. „Es ging darum, ihre Kontakte mit dem Westen zu unterbinden - man war mitten im .Kalten Krieg'."

„Was die Orthodoxen angeht", so Msgr. Todea, „so waren sie nicht besser als die Kommunisten. Sie haben von dieser stalinisti- schen Macht profitiert, um sich der Unierten zu entledigen." Sie betrachteten die Unierten als „In- filtration des Westens", als „Freun- de der Ungarn". Der Metropolit Todea meint, das einzige Argument der Orthodoxen sei „die Manipula- tion des nationalistischen Empfin- dens".

Heute, so kann man feststellen, ist nicht die Zeit der Ökumene, denn die Verletzungen sind noch frisch. Die katholische Hierarchie lateini- schen und byzantinischen Ritus ist soeben, am 14. März 1990, ganz wiederhergestellt worden, aber für die orthodoxe Kirche ist die Lage ganz anders. Gegenwärtig wird diese Kirche nach seiner nur scheinbar endgültigen Demission „aus Altersgründen" wieder vom Patriarchen Teoctist - einer Per- sönlichkeit, die sich mit dem Ceau- sescu-Regime kompromittiert hat - geleitet. Kurz nach der Revolution vom 22. Dezember haben sich am 3. und 4. Jänner die rumänischen or- thodoxen Bischöfe im Patriarchat von Bukarest zur Synode versam- melt und Selbstkritik geübt; sie haben bedauert, daß „manche von uns nicht den Mut der Märtyrer gehabt und nicht öffentlich den verborgenen Schmerz und das Lei- den des rumänischen Volkes aner- kannt haben". „Wir bedauern, daß es nötig war, den Tribut obligatori- scher und künstlicher Lobgesänge an den Diktator zu zahlen", fügt sie hinzu. Wenn auch der Patriarch den Unierten die Wiedererstattung ih- rer Kirchen versprochen hatte, so kompliziert sich die Lage, denn diese Frage könnte wohl im Hinblick auf die Wahlen vom 20. Mai von Bedeu- tung werden. 80 Prozent der rumä- nischen Bevölkerung sind orthodox, und man muß auf sie Rücksicht nehmen.

Der Autor ist Chefredakteur der Katholischen Internationalen Presseagentur (KIPA) in Fribourg.

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