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Verfolgte Kirche in Guinea

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Mit dem zunehmenden kommunistischen Einfluß in manchen Ländern der Dritten Welt geraten auch die jungen Kirchen dort in die Frontlinie des totalen Krieges gegen Gott. Obwohl dieser Krieg mit primitivster Grausamkeit geführt wird und von den Gläubigen eine außerordentliche Tapferkeit erfordert, übertrifft die kirchliche Widerstandskraft alle Erwartungen. So zählt die afrikanische Kirche viele Christen, die man mit jenen der Ur-kirche vergleichen kann. Ihr Opfersinn zeigt sich nicht nur in den Fußmärschen Von zwanzig bis dreißig Kilometern, die sie wöchentlich unternehmen, um sonntags dem hl. Meßopfer beizuwohnen, sondern auch in der überraschenden Bereitschaft, mit der unzählige Afrikaner zweimal in der Woche fasten, um den Hungernden in den Sahel-Ländern zu helfen. Ihr Heldenmut zeigt sich ebenso bei den Baptisten in Tschad, die lieber sterben, als sich den heidnischen, vom Präsidenten Tombalbaye wiedereingeführten Initiationsriten zu unterwerfen, wie auch bei den katholischen Bischöfen und Priestern, die in den letzten zwanzig Jahren um ihres Glaubens willen furchtlos ins Gefängnis oder in den Tod gegangen sind. Einer von ihnen ist der 54jährige Erzbischof von Guinea, Msgr. Raimond Tschidimbo.

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Mit dem zunehmenden kommunistischen Einfluß in manchen Ländern der Dritten Welt geraten auch die jungen Kirchen dort in die Frontlinie des totalen Krieges gegen Gott. Obwohl dieser Krieg mit primitivster Grausamkeit geführt wird und von den Gläubigen eine außerordentliche Tapferkeit erfordert, übertrifft die kirchliche Widerstandskraft alle Erwartungen. So zählt die afrikanische Kirche viele Christen, die man mit jenen der Ur-kirche vergleichen kann. Ihr Opfersinn zeigt sich nicht nur in den Fußmärschen Von zwanzig bis dreißig Kilometern, die sie wöchentlich unternehmen, um sonntags dem hl. Meßopfer beizuwohnen, sondern auch in der überraschenden Bereitschaft, mit der unzählige Afrikaner zweimal in der Woche fasten, um den Hungernden in den Sahel-Ländern zu helfen. Ihr Heldenmut zeigt sich ebenso bei den Baptisten in Tschad, die lieber sterben, als sich den heidnischen, vom Präsidenten Tombalbaye wiedereingeführten Initiationsriten zu unterwerfen, wie auch bei den katholischen Bischöfen und Priestern, die in den letzten zwanzig Jahren um ihres Glaubens willen furchtlos ins Gefängnis oder in den Tod gegangen sind. Einer von ihnen ist der 54jährige Erzbischof von Guinea, Msgr. Raimond Tschidimbo.

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Die Republik Guinea (Hauptstadt Conakry) an der Westküste Afrikas hat eine Oberfläche von 260.000 Quadratkilometern. Im Jahre 1969 zählte das Land 3,248.000 Einwohner, wovon 2,500.000 Moslems, 714.000 Animisten, 30.000 Katholiken und 4000 Protestanten sind. Die Unabhängigkeit hat dem Volke bis jetzt kein Glück gebracht. Der Hauptgrund des wirtschaftlichen und sozialen Rückganges muß jedoch in der Diktatur des Staatsoberhauptes Sekou-Toure gesucht werden.

Sekou-Toure ist Marxist. Im Jahre 1961 verjagte er den damaligen Erz-bischof von Conakry, Msgr. de Milleville, und konfiszierte die katholischen Schulen. Die zwei anderen europäischen Missionsbischöfe mußten bald danach das Land verlassen. 1967 vertrieb er sämtliche 154 ausländischen Missionare, darunter 35 Schwestern. Der 1963 er-

nannte neue Erzbischof von Conakry, Msgr. Tschidimbo, stand mit acht einheimischen Priestern vor der unmöglichen Aufgabe, die Arbeit der ausgewiesenen Missionare fortzusetzen.

Msgre. Benelli, damals apostolischer Delegat im französisch sprechenden Teil Westafrikas, richtete, zusammen mit den Bischöfen, an die afrikanischen Priester der Nachbarländer den Aufruf, einen Teil der fehlenden Missionare zu ersetzen. Seinem Aufruf wurde mit erstaunlicher Bereitwilligkeit Folge geleistet. Noch vor der Abreise der europäischen Missionare trafen die ersten dreizehn afrikanischen Stellvertreter ein. Aber bereits zwei Wochen später (am 17. Juni 1967) mußten sich die westafrikanischen Bischöfe öffentlich darüber beklagen, daß der marxistische Staatschef die Einreise .der., zweüea Gwppe

afrikanischer Priester verhindert hatte und die Tätigkeit der Erstgekommenen lähmte durch das Verbot, die Städte Conakry und Kindia zu verlassen.

Nach der Vertreibung der ausländischen Missionare begann Sekou-Toure seine Aktion gegen Msgr. Tschidimbo. Tat er es, um seinen alten Traum einer Nationalkirche verwirklichen zu können? Bereits nach der Ausweisung von Msgr. de Milleville hatte er versucht, den Vorsitzenden der Nationalversammlung — einen Laien — zum Erzbischof zu ernennen. Man behauptet, der Vatikan habe dies nur durch die Ernennung von Msgr. Tschidimbo verhindern können, der als Jugendfreund des Staatsoberhauptes und überzeugter Verfechter der afrikanischen Emanzipation unmöglich in den Verdacht neokolonialistischer Sympathien kommen konnte.

Die Taktik von Sekou-Toure beweist, wie sehr er unter kommunistischem Einfluß steht. Nach dem bewährten Rezept seiner osteuropäischen Lehrmeister säte er Zwietracht in der Kirche und unterstützte die Opposition gegen den Erzbischof. Es kam zu einer Aktion einiger kontestierender Priester und Laien, die sich zum „Spezialkomitee“ der Katholiken Guineas zusammenschlössen. Dieses Komitee bezweckte offiziell, die Schwierigkeiten zwischen dem Präsidenten und dem Erzbischof zu beseitigen, ließ sich aber keine Gelegenheit entgehen, die Autorität Msgr. Tschidimbos zu untergraben.

Am 20. Oktober 1970 veröffentlichte das „Komitee“ ein Manifest, in dem es erklärte, es wolle die völlige Gesundung der Kirche Guineas bewirken durch die Einführung demokratischer Grundsätze und die Anregung des revolutionären Schwun-

nicht in allgemeiner Verachtung und im Stillschweigen unterzugehen. Im gleichen Manifest äußerte das „Komitee“ seine Uberzeugung, „daß der Oberhirte der Erzdiözese Conakry nicht mehr im Dienste des Volkes von Guinea steht, ihm jedoch Rechenschaft über sein erzbischöfliches Amt schuldig ist.“

Eine Grenzüberschreitung portugiesischer Soldaten gab Sekou-Toure Anlaß für den gewünschten Schlag. Er verlangte vom Erzbischof, daß dieser am Weihnachtstag 1970 in der Kathedrale (oder — nach anderen Informationen — im Rundfunk) einen vom Staatschef verfaßten Aufruf verlese, in dem von den Gläubigen gefordert wurde, sich für die Revolution und für die Befreiung vom Imperialismus einzusetzen.

Begreiflicherweise weigerte sich der Erzbischof, diese Weihnachtspredigt zu halten. Auf Grund dessen wurde er in der Nacht vom 23. zum 24. Dezember 1970, zusammen mit Hunderten wirklichen oder vermeintlichen Gegnern des Präsidenten, verhaftet.

Der eilig durchgeführte Prozeß endete mit 92 Todesurteilen und 72 Verurteilungen zu lebenslänglicher Zwangsarbeit. Die zum Tode Verurteilten wurden in barbarischer Weise öffentlich aufgehängt. Erzbischof Tschidimbo gehörte zu den lebenslänglich Verurteilten. Sekou-Toure hatte sein Ziel erreicht. Der letzte Oberhirte war unschädlich gemacht und die Zeit war günstig, um die Herde zu zerstreuen. Aber das Blutbad von Conakry verursachte einen Sturm der Empörung in ganz Afrika.

Msgr. Dosseh, Erzbischof von Lome, schrieb am 30. Jänner 1971 in einem Hirtenbrief „Man ist schmerzlich überrascht, wenn man einem Staatschef zuhört, der sein Volk mit leidenschaftlicher Heftigkeit dauernd antreibt — hier zitieren wir —: Menschen zu töten, niederzumetzeln und wie Wanzen platt zu drücken.“ Die Konferenz der westafrikanischen Erzbischöfe unter Leitung von Kardinal Zoungrana erklärte am 27. Jänner 1971: „Wir Hannes nicht schweigen angesichts

dieses Anschlages auf die Gerechtigkeit und die Menschenwürde. Der afrikanische Mensch fühlt sich zutiefst betrübt und erniedrigt. Die hohe Zahl der Opfer, die Fähigkeit der Verurteilten, die Umstände ihres improvisierten Prozesses und ihrer übereilten Hinrichtung in einer Atmosphäre kollektiver und bösartig angefeuerter Leidenschaft, die selbst keine Ehrfurcht vor ihren Leichen hatte — dies alles erregt Abscheu und Empörung. In einem derartigen Klima kann es keine wahre Gerechtigkeit geben. (...) Unter den lebenslänglich Verurteilten ist auch unser Bruder, der Erzbischof von Conakry. Er hat loyal, bis zur äußersten Grenze des Möglichen, mit den Verantwortlichen seines Landes zusammengearbeitet. Wenn er mit ihnen gebrochen hat, können wir sicher sein, daß der Glaube und die christliche Würde auf dem Spiel standen. Wir halten uns für verpflichtet, öffentlich unsere Liebe, unsere Hochachtung und Solidarität für unseren Bruder zu bestätigen, der wie ein wahrer Zeuge Christi aufgetreten ist.“ Papst Paul erklärte in der allgemeinen Audienz vom 27. Jänner 1971: „Der scheußliche und erbarmungslose Ausgang des revolutionären Prozesses von Conakry ist für uns ein Grund tiefer Trauer und großer Enttäuschung, wenn auch das Leben (nicht die Ehre und die Freiheit) von Erzbischof Tschidimbo geschont blieb. Die moralische Seite dieses abscheulichen Geschehens, bei dem die Ausübung der richterlichen Gewalt in eine durch Leidenschaften angetriebene Flutwoge blinder Racheübung und in einen Kollektivausbruch des Hasses und der Unmenschlichkeit entartet zu sein scheint, wird das Weltgewissen beurteilen.“

Die letzte Auskunft über den gefangenen Erzbischof fanden wir in der Zeitung „Pr6sence chretienne“ (Togo) vom 21. Februar 1971: „Laut sicheren Nachrichten ist Msgr. Tschidimbo in einer Zelle eingesperrt, in der er sich nicht zum Schlafen niederlegen kann. Seine Wärter holen ihn nur aus der Zelle, um ihn durchzuprügeln und nackt vor:ihnen tanzen zulassen.“

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