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Hradschin und Vatikan

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Am Morgen des 6. Juli 1925, dem Todestag von Jan Hus, ließ Präsident Masaryk auf seinem Palais am Hradschin die weiße Fahne mit dem roten Kelch hissen — am gleichen Tage verließ im Auftrag des Vatikans der päpstliche Nuntius, Msgr. Marmaggi, die Hauptstadt der Tschechoslowakei, „zum Zeichen des Protestes gegen diese ihm und len Katholiken insgesamt angetane Beleidigung“, wie es in einem damals veröffentlichten Kommunique hieß.

Zu dem damals erwarteten Abbruch der diplomatischen Beziehungen kam es wohl nicht, die hussitische Welle der ersten Nachkriegsjahre nahm bald wieder ab und der 1928 abgeschlossene Modus vivendi verhinderte einen Kulturkampf und leitete ein Jahrzehnt ruhigen Zusammenlebens von Staat und Kirche ein.

An diese Situation knüpfte der Vatikan an, als er 1945 Msgr. Saverio Ritter als Nuntius nach Prag entsandte, der dieses Amt auch vor 1939 bekleidet hatte. Anders war die Haltung des Staates: schon bald nach dem Sturz der Regierung der Nationalen Front, die einer eindeutigen Stellungnahme zum Kirchenproblem aus dem Wege gegangen war, erklärte der kommunistische Informationsminister Kopecky, er werde nicht zulassen, daß die Souveränität des Vatikans größer sei als die des Staates. Der Aufruf der schismatischen „Katholischen Aktion“ vom 10. Juni 1949 anerkennt zwar noch den Heiligen Vater „in allen Angelegenheiten des Glaubens, der Sitte und der Kirchendisziplin und auf allen Gebieten, die mit dem ewigen Seelenheil zusammenhängen“, lehnt aber gleichzeitig „mit aller Entschiedenheit Versuche aus dem Ausland ab, in Hoheitsrechte des Volkes und Staates einzugreifen“; und weiter heißt es darin: „Wir können aus dem Ausland keinerlei Weisungen politischer Art über innerstaatliche Angelegenheiten entgegennehmen.“ Was damit gemeint war, wurde wenige Wochen später jedermann klar, als die Exkommunikation schismatischer Priester und die Verhängung von Kirchenstrafen als „politische Verfolgung“ bezeichnet und für rechtsunwirksam erklärt wurden.

Das Exkommunikationsdekret des Heiligen Offiziums beseitigte für die Prager Regierungs- und Parteidienststellen die letzten Hemmungen, auch den Zeitungen ließ man jetzt freien Lauf. Einige Überschriften von Artikeln in dem Zentralorgan der KPC, dem Rüde pravo, zumeist aus der Feder seines Redakteurs Katz, der sich jetzt Andre Simon nennt, illustrieren dies: Die totalitär-faschistische Politik des Vatikans — Der Vatikan, ein eingefleischter Feind des tschechoslowakischen Volkes — Die fünfte Kolonne des Vatikans — Warum hat der Vatikan Hitler nicht exkommuniziert?

Man begnügt sich aber nicht mit Zei-tungs- und Zeitschriftenartikeln. Das Zentralexekutivkomitee der Nationalen Front veröffentlichte eine Broschüre unter dem Titel „Der Verrat des Vatikans und der Bischöfe“, das die bei der Vorstandssitzung am 15. Juli 1949 gehaltenen Reden zusammenfaßt, ein umfangreicheres Werk erschien im Brünner Verlag „Rovnost“ (dem ehemaligen R. M. Rohrer-Verlag) unter dem Titel: „Der Vatikan zwischen den beiden Weltkriegen“; unter anderem schildert N. M. Sejnman, der Autor dieses Buches, die „Bemühungen des Vatikans um den Anschluß Österreichs an Deutschland“!

Zum größten Schlag aber holte vor einigen Wochen ein Werk des Melantrich-Verlags aus. Auch dieses Buch besteht, wie schon sein Titel „Verschwörung gegen die Republik“ verrät, aus einer Reihe ungeheuerlicher Anschuldigungen. Wilhelm II. und Hitler werden als „Lieblinge des Papstes“ bezeichnet, aus Freude über die deutschen Blitzkriege habe der Vatikan deutsche Offiziere mit dem St.-Gregor-Orden ausgezeichnet. Allen Ernstes wird berichtet, daß der Beauftragte des deutschen Sicherheitsdienstes für Kirchenfragen monatlich den Vatikan besucht habe; Msgr. Montini habe ihm die Namen der dem Vatikan unbequemen Priester genannt, vor allem jener, die von einem Sieg der Roten Armee überzeugt waren; so habe die Gestapo unmittelbar von den höchsten kirchlichen Stellen die Namen jener Priester bezogen, die ins Konzentrationslager kamen, über die Anhäufung solcher „Enthüllungen“ wundert man sich allerdings nicht mehr, wenn man weiß, daß einer der drei Mitautoren, der Redakteur der kommunistischen „Rovnost“, Alois Svoboda, wegen 88 Verstößen gegen das Pressegesetz angeklagt war und nur durch die Februarereignisse des Jahres 1948 einer Bestrafung entging. Das herausgeforderte Echo des Auslandes auf dieses Buch blieb aus: Kardinal Spellmann, der darin gleichfalls schärf-stens angegriffen wird, ließ gelassen erklären, daß er nicht beabsichtige, dazu Stellung zu nehmen, und das amerikanische State departement teilte mit, daß die Anschuldigungen der unbekannten Autoren verantwortungslos, lächerlich und unwahr seien.

In erster Linie richten sich heute die Angriffe gegen den in Prag weilenden Vertreter des Heiligen Stuhles. Das war bis zum Juli 1949 der Geschäftsträger der Nuntiatur Msgr. Gennaro Verolino, dessen Besuchsreise in die Slowakei in Prag besonders verübelt wurde. Als genauer Kenner der bolschewistischen Taktik — er wirkte vorher in Budapest und erlebte die Entwicklung in Ungarn aus nächster Nähe — war er für Prag doppelt unangenehm. Das „Rüde pravo“ nennt ihn den Vertreter der Fünften Kolonne des Vatikans und wirft ihm vor, Instruktionen zur Sabotage des Zweijahresplanes erteilt zu haben, in den Februarputsch verwickelt zu sein und schließlich die Verhandlungen zwischen Prager Regierung und den tschechischen Bischöfen, die bereits vor dem Abschluß standen, durch sein plötzliches Eintreffen vereitelt zu haben.

Auf einer Pressekonferenz, die Innenminister Nosek dieser Tage abhielt, um zu dem „Wunder“ von Cihost Stellung zu nehmen, sparte der Minister nicht mit Andeutungen über ein „Eingreifen vatikanischer Kreise“; der Besuch des Sekretärs der päpstlichen Nuntiatur in Prag, Msgr. Ottavio de Liva, in Cihost bot ihm Anlaß, bei seinen Hörern den

Eindruck zu erwecken, daß .der Vatikan seine Finger“ darin habe. Diese Ministerrede und die Pressekommentare hiezu, in denen von .Inspirationen des Vatikans“ die Rede war, zwangen den Geschäftsträger, eine in scharfen Worten gehaltene Protestnote gegen dieses Verhalten zu überreichen. Die Folge waren nur weitere Angriffe gegen Msgr. de Liva, dem man vorwarf, er habe den Bischöfen den Befehl zur Erlassung von Hirtenbriefen erteilt, in denen zum Widerstand gegen die Regierung aufgefordert wird, und Kirchengerichte eingesetzt, die sich mit jenen Ordensgeistlichen zu befassen haben, die, unbeschadet der Erfüllung ihrer kirchlichen Sendung, treue Staatsbürger bleiben wollten; den Höhepunkt seiner Tätigkeit stelle die Beeinflussung der Gläubigen durch „das Wunder von Cihost und andere Betrügereien“ dar, die durchwegs beweisen, daß seine Tätigkeit mit einer religiösen Mission nichts gemein habe. Bei solcher Sprache der Öffentlichkeit überraschte es in Vatikankreisen nicht weiter, als die Regierung am 16. März die Ausweisung Msgr. de Livas aussprach — ein in den Annalen der Diplomatie beispielloser Affront, der, wie verlautet, einen scharfen Protest des Vatikans zur Folge haben wird, wenn dadurch nicht überhaupt ein Abbruch der Beziehungen ausgelöst wird.

Mit zynischer Deutlichkeit hat Minister Cepicka vor wenigen Tagen in einem anläßlich der Einsetzung eines „Administrators“ der Diözese Neusohl an alle katholischen Bischöfe der Tschechoslowakei gerichteten Schreiben seine Ansicht über den Vatikan formuliert. Nachdem er den Bischöfen die Außeradvt-lassung und Verletzung der staatlichen Gesetze vorgeworfen hat, sagt er wörtlich: „Dafür unterwerfen Sie sich freiwillig jeder politischen Entscheidung und jedem Diktat des Vatikans, der aus seinem Haß und seiner Feindschaft gegen die volksdemokratische Republik und ihr Volk kein Hehl macht. Sie billigen sogar eine mittelalterliche Kirchenstrafe für Ihren Mitbruder, zu der — keineswegs aus religiösen, sondern lediglich aus politischen Gründen — nur ein solcher Fremdling und Feind greifen kann, wie es der Vatikan ist...“

Damit scheint der fintenreiche Minenkrieg, den der Hradschin seit Jahr und Tag gegen den Vatikan führt, in die Phase der offenen Feldschlacht zu treten. Entscheidungen von großer Tragweite reifen heran.

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