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Mindszenthy und die Welt

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Die kommunistische Propaganda der Kominform, die jetzt versucht, den alarmierenden Wirkungen der Verhaftung des Kardinals Mindszenthy mit . einem Aufgebot plumper Beschuldigungen zu begegnen — die neueste ist die Erfindung von einem „Geheimabkommen zwischen Vatikan und den USA zum gemeinsamen Kampf gegen die fortschrittlichen Kräfte der Welt“ —, unter- schätzt die Bewegung, die durch den Gewaltakt in .Ungarn hervorgerufen worden ist. Das Schicksal des Kardinals Mindszenthy ist nicht nur eine Angelegenheit des ungarischen Volkes und nicht nur der katholischen Welt, hier sehen sich alle gerecht und menschlich Denkenden ohne Unterschied der Nation und des Glaubens aüfgerufen. Als der Deputierte von Carcassonne, AbW Albert Gau, in der französischen Kammer sich erhob, um im Namen der Freiheit des Geistes und der Menschenrechte gegen den Gewaltakt des ungarischen kommunistischen Machthabers zu protestieren, begleitete seine Rede der demonstrative Beifall der großen Mehrheit des Hauses.

„Im Namen der französischen Deputierten“ — rief er —, „im Namen der Christen Frankreichs und des. ganzen freien Frankreichs sende ich meine wärmste Huldigung diesem tapferen Mann zu seiner unerschütterlichen Festigkeit. Ich rufe unsere katholischen Brüder in Ungarn auf, ihre feste Zuversicht zu bewahren. Es gibt keinen Tyrannen, der nicht begraben und vergessen wird. Aber die Ideen der Gerechtigkeit, der Brüderlichkeit und Menschlichkeit werden unzerstörbar fortleben durch die Jahrhundert?!"

An diese Rede knüpft sich eine drastische Episode: Kaum hatte Abgeordneter Gau gesprochen„ als er den Besuch des Herrn ungarischen Gesandten empfing, der ihn mit großmännischer Geste zu einem Besuch in Ungarii einhidį ėr werde sich überzeugen können, wie korrekt das ungarische Verfahren sei und wie von einem Kampf gegen die Kirche so gar nicht gesprochen werden könne. Abgeordneter Gap erklärte sich sofort zur Ahnahme der Einladung bereit. Aber er wird doch nicht nach Ungarn fahren: auf Seite der einladenden ungarischen Re gierung ist ein Hindernis eingetreten, das jedermann recht verstehen wird: ein Herr Löuis Martin Chauffier, ein Mitarbeiter der Pariser kommunistischen Zeitung „Liberation", der von der ungarischen Regierung als Reisebegleiter ausersehen war und auf dessen Begleitung Abgeordneter Gau keinen, die ungarische Regierung aber unermeßlichen Wert legt, ist plötzlich unpäßlich geworden, so daß der Herr Ge sandte Karolyi sich beeilen mußte, mitzuteilen, die Reise könne leider jetzt nicht, vielleicht aber in zwei, drei Wochen statt- finden. Jetzt ist der Beifall der Franzose zu der Rede des Abgeordneten Gau noch größer als zuvor ..'.

Mit seltener Einmütigkeit nimmt die englische Presse an der Seite des verhafteten Kardinals - Stellung. Selbst das kommunistische Blatt Londons „Daily Worker" versucht wenigstens mit einer gewissen Respekt- bezeigung vor dem „Mostoutspoken champion of the old reactionary ruling class", dem „freimütigsten Vormann der alten reaktionären Herrschaftsklasse", den Auffassungen der breiten, Massen des englischen Volkes zu entsprechen. Nicht ohne einen schmerzlichen Seitenblick auf den Waffenstillstand, den die neue kalvinische Kirchenführung in Ungarn versucht, habe, rühmen die „Times“, daß Kardinal Mindszenthy von Anfang an sich geweigert habe, sein Haupt vor den jetzigen Machthabern zu beugen. Noch tiefer erfaßt das Geschehen eine große Reihe nichtkatholischer Blätter Englands, die ähnlich wie die einflußreiche „Yorkshire Post" von einem „Zweikampf" sprechen, der für alle eine „Inspiration sei, die im marxistischen Materialismus eine tödliche Bedrohung der christlichen Zivilisation sehen“. „Glasgow Bulletin" glaubt sogar, in der Verhaftung des Primas „die erste offene Attacke Rußlands auf das stärkste aufrecht stehende Bollwerk des Widerstands gegen die Sowjetherrschaft in Osteuropa“ erblicken zu müssen.

In den Vereinigten Staaten formt sich unter dem Eindruck der ungarischen Ereignisse eine eindrucksvolle Front aus allen Bekenntnissen. Es liegt etwas Großes, über die Bedeutung der unmittelbaren Begebenheit weit Hinausragendes darin, daß nicht nur der katholische Episkopat und die katholische Laienwelt in großen Kundgebungen an die eigene Regierung über die Verhaftung des Primas von Ungarn sich aussprachen, sondern auch vornehme Vertreter des amerikanischen Protestantismus, wie der Präsident der „Vereinigten Lutheranischen Kirche in Amerika“ und Vorstandsmitglied der bei 50 Millionen Angehörige umfassenden „Lutheran World Federation“, Rev. Franklin Clark Fry; in öffentlicher Kundgebung das ungarische Geschehnis als einen „Alarmfürdieganzechristliche Welt" bezeichneten. Die „Amerikanische jüdische Liga gegen Kommunismus" wandte sich in feierlicher Entschließung an Kardinal Spelknan, in der gesagt wurde: „Ihr großer Kampf gegen den ungarischen Kommunismus muß gesehen werden als ein überkonfessioneller Kampf, ein gemeinsamer gegen rote Sklaverei." —

Neben den temperamentvollen Manifestationen aus verschiedensten Lagern bewahrten die Senatoren Sheridan Downey von Kalifornien und Robert Wagner von New York, die-von dem Senatsausschuß für Auswärtiges Erhebungen und Schritte für die Befreiung des verhafteten Kardinals verlangten, eine diplomatische Ruhe. Kundgebungen aus vielen amerikanischen Bundesstaaten unterstützen dieses an das Weiße Haus gerichtete Begehren. So verlangen 60 Laienorganisationen der Diözese Los Angeles in einer an Präsident Truman gerichteten Depesche, diplomatische Schritte gegen „die systematische Religionsverfolgung in Ungarn“.

Aus Chile und Brasilien kommen Nachrichten über parallele Aktionen.

In einem Gedenkwort, das eines der größten Blätter Kanadas, „G a z e 11 e", von Montreal, dem gefangenen Kardinal widmet, wird gesagt: „Als 1947 der Marknische

Kongreß in Ottawa abgehalten wurde, war Kardinal -Mindszenthy anwesend. Es war erkennbar, daß der ungarisch Kardinal wußte, daß er für das Martyrium bestimmt sei. Er war damals noch, scharf beobachtet, toleriert. Aber er war in einer Stellung, in welcher keine ge schulte oder geduldige Staats- männische Haltung von seiner Seite eine Ordnung der Beziehungen bringen konnte. Seine Kirche war sichtlich dazu ersehen, langsam, aber sicher vernichtet zu werden.“

Mit diesem Schicksal seit Jahr und Tag vor Augen, hat Kardinal Mindsenthy, ohne zu wanken, auf seinem Posten ausgeharrt. Ein treuer Hirt seiner Herde, wahrhaft ein leuchtender Champion für alle, die, auf schwerem Posten stehend, nach einem Vorbild ausschauen.

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