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Gegen den unwürdigen Menschenhandel

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Die diplomatischen Botschaften der Kanzel für die unterdrückten Menschen konzentrierten sich besonders in den Jahren 1945 und 1946 zu einem fast unablässigen Ruf. Aus der Weihnachtspredigt des Kölner Erzbischofs 1945:

„Wir erheben heute an die Alliierten, an die westlichen wie an die östlichen, die inständige Bitte, nein, wir erheben die Forderung, im Namen der Menschlichkeit, schickt unsere Gefangenen heim. Es ist genug des Leids, des Grauens, des Hasses und der Bosheit in der Welt gewesen. Sieger sein verpflichtet.“ Und von derselben Stelle zum Osterfest 1946:

„Wir empfinden es als schreiendes Unrecht, daß man Millionen unserer Kriegsgefangenen in schwerer Haft hält. Ja, Tausende und Abertausende, die aus Amerika kommen, in Frankreich und Belgien wider Willen zu schwerer Zwangsarbeit verurteilt, nur weil 6ie Deutsche sind.“

Am 7. April desselben Jahres nannte der Kölner Erzbischof die Zurückhaltung der aus Amerika entlassenen Kriegsgefangenen zur Zwangsarbeit in Frankreich noch einmal einen „unwürdigen Menschenhandel“ und forderte freie Arbeitsverträge für den Aufbau im Ausland durch deutsche Arbeitskräfte. Den Siegermächten rief er zu:

„Das Blut vieler unschuldiger Frauen und Kinder der Ostvertriebenen schreit zum Himmel. Ihr Siegermächte seid mit verantwortlich. Ich rufe die großen Nationen des Abendlandes auf, dieser Deportation ein Ende zu machen.“ Im Herbst 1946 überreichte der Kölner Erzbischof dem englischen Ministerium für Deutschlandfragen eine Petition von 10 Millionen Frauen aus der britischen Zone zugunsten der Kriegsgefangenen. In öffentlicher Predigt in Westminster zu London setzte sich der deutsche Kirchenfürst für die deutschen Soldaten ein.

In seiner Predigt zum Jahresschluß dankte der Kardinalpriester aus Köln der westlichen Welt für die Heimsendung aller Kriegsgefangenen. In dieser Predigt wird die Nachwelt auch bereits eine gültige abschließende Formulierung für die Lage der deutschen Kriegsgefangenen im Osten finden. Damals fuhr der Kardinal fort:

„Nur in Rußland sind noch weitere Hunderttausende in trostloser Gefangenschaft. Wir senden ihnen einen deutschen und christlichen Gruß hinüber und versichern sie unseres Gedenkens im Gebet, denn wir wissen nicht, wer anders ihnen helfen könnte als der allmächtige und all-gütige Gott.“

Zu jener Zeit hatte auch der Vatikan seine Versuche eingestellt, zu Gefangenen in Rußland die Verbindung herzustellen.

Die Sorge um die Masse der Kriegsgefangenen in den westlichen Ländern wurde in den nächsten Jahren durch das Eintreten für die Soldaten und Zivilisten abgelöst, die im In- und Ausland der Kriegsverbrechen angeklagt waren.

„Wir verdammen die wirklichen Kriegsverbrecher“, 6agte der Kölner Erzbischof Ende 1948, „aber wir verlangen, daß die Prozesse beschleunigt werden, denn wir sind überzeugt, daß unter ihnen manche Unschuldige sind und andere, deren Schuld gering ist. Audi muß ihnen jeder Rechtsschutz zuteil werden. Mögen die Prozesse so geführt werden, daß sie einstmals vor der Geschichte und vor dem Auge Gottes bestehen können. Es wird nach Gesetzen geurteilt, die nur auf Angehörige der Achsenmächte Anwendung finden und diezur Zeit der Tat noch nicht als positive Gesetze erlassen waren. Sie werden vor den Kriegsgerichten geführt, obwohl kein Krieg mehr ist und keine Gefahr im Verzug. Es gibt keine Revisionsinstanzen. Möchten alle, die hier zu entscheiden haben, stets sich bewußt bleiben, wie schwer es für den Sieger ist, dem Besiegten volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.“

In Gesprächen mit führenden ausländischen Politikern hat die Spitze der katholischen Kirche in Deutschland sich noch bis heute immer wieder für diese Gefangenen und für die Inhaftierten in Landsberg und Werl eingesetzt.

Die Welt hörte auch die mahnende Stimme der katholischen Kirche in Deutschland gegenüber den Demontagen. Die Fuldaer Bischofskonferenz stellte in einem Hirtenbrief September 1948 fest:

,... wenn nun auch noch Fabriken und Betriebe, die — vom Krieg verschont — der Friedensarbeit dienen, abgebaut und niedergelegt werden, dann ist nicht zu verstehen, wie das wirtschaftliche und soziale Leben in absehbarer Zeit wieder in Ordnung kommen soll. Was wird geschehen, wenn die Zahl derer wächst, die am hellen Mittag müßig auf den Straßen 6tehen müssen? Wohin wird 6ich der Strom der Unzufriedenen ergießen?“

Schon im Jänner 1948 hieß es in einem Hirtenwort von Kardinal Frings:

.. wenn es ernst ist, Deutschland zu befrieden und anarchistische Bestrebungen zu unterbinden, so sollte man auch nicht einen Kubikmeter Baustoff herausholen.“ In diesem Zusammenhang forderte der Kölner Erzbischof auch den freien Wettbewerb für die deutsche Wirtschaft auf dem Weltmarkt und den freien Verkehr der Deutschen mit dem Ausland.

.Handel und Wandel müssen wieder in Gang kommen, um jungen Menschen eine Existenzmöglichkeit zu geben und die Entwicklung eines christlichen Familienlebens zu sichern.“

Es war kein Zufall, daß bei allen Bitten,

Forderungen und Mahnungen der katholischen Kirche an die Adresse der Siegermächte immer der Mensch im Mittelpunkt auftauchte. Es handelte sich dabei vielmehr um den Kern jedes Handelns. Nicht die Demontage an sich war für die Kirche von Bedeutung, sondern die Tatsache, daß in der Folge dem Menschen die Sicherheit entzogen wurde, die ihm den Blick freigab.

Eine staatspolitische Aufgabe ersten Ranges hatte die katholische Kirche mit dem Bestreben unternommen, das

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