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Unbeachtet beim I. Vatikanum

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Nach dieser kurzen historischen Replik halten wir es für nützlich, uns kurz mit der Rolle der katholischen Orientalen innerhalb der Gesamtkirche zu befassen. Vor dem Konzil äußerten viele Beobachter die Meinung, ein Charakteristikum des Zweiten Vatikanums würde der aufsehenerregende Wiedereintritt der östlichen Kirchen sein. Dies ist tatsächlich auch eingetreten, wenn auch in ganz anderer Form, als viele es erwarteten. 16 Konzilsdokumente von unterschiedlicher Bedeutung und theologischer Qualität hat die Kirchenversammlung verabschiedet, viele dieser Dokumente, wie die Liturgiekonstiitution, haben manches Gedankengut der östlichen Tradition dem Westen neu erschlossen. Doch zurück zum Ersten Vatikanuni: Auf diesem Konzil hatten die orientalischen Konzilsväter kaum ein Wort gesprochen. Jene wenigen, die tatsächlich ihre Stimme zu erheben wagten, wie der melkitische Patriarch Gregorius Yussef oder der chaldäische Patriarch Audo, wurden schroff zurückgewiesen. Wenn schon die Mehrheit der Väter auf diesem Konzil durch einen Mangel an Spontaneität gekennzeichnet war, so muß besonders gesagt werden, daß jene östlichen Väter, die sich irgendwie beteiligten, höchst bedauernswerten Unterdrückungen ausgesetzt waren, die sie daran hinderten, offen die wenigen Dinge zu sagen, die sie vorzubringen hatten. Tatsächlich war es den meisten unter ihnen unmöglich, den Konzilsdebatten zu folgen. Die wenigen Ausnahmen unter ihnen, die Latein verstanden, hatten ihre theologische Ausbildung in Rom erhalten und folgten den theologischen Richtungen die von der römischen Kurie gefördert wurden. Einige von ihnen wagten gelegentlich, irgendein kanonisches Privileg wieder zu beanspruchen. Aber sie taten es wie Bettler und hatten Angst, aus einer riesigen lateinischen Mehrheit, die sich zum größten Teil gegen den Osten verschloß, hervorzustechen. Alles in allem könnte man sagen, daß sie vom Konzil nichts erlangten, weder für ihre eigenen Kirchen noch für die Sache der Einheit.

Es scheint uns überflüssig, die vielen orthodoxen Stimmen zur Frage der „unierten“ Kirchen und zum Konzilsdekret über die katholischen Ostkirchen nochmals zu zitieren. Doch muß festgestellt werden, daß es an profilierten Stimmen katholischer Theologen zu diesen Problemen fehlt. Man geht scheinbar diesem „heißen Eisen“ aus dem Weg.

Kardinal Augustin Bea, der verdienstvolle Präsident des römischen Sekretariats zur Förderung der Einheit der Christen, erklärte in einem Interview, das er einem griechischen Journalisten gewährte (To Vima, vom 12. Mai 1965), die katholische Kirche wolle nicht alle Völker latinisieren und sie glaube, daß die Mannigfaltigkeit in der Einheit die Katholizität der Kirche ausmache. Das Vatikanische Konzil habe die Tatsache betont, daß alle Nationen und alle Kulturen das gleiche Bürgerrecht in der Kirche Christi haben. Wenn das in der Vergangenheit nicht immer respektiert worden sei, so komme das von den Schwächen der Menschen-, die die Kirche bildeten, aber die Grundsätze seien klar. Das erkläre, warum es in der katholischen Kirche verschiedene Riten gebe, die ihre eigenen äußeren Lebensformen und ihre eigene Tradition haben. Das sei eine Frage der Freiheit. Es sei widersinnig, darin eine Mißachtung der orthodoxen Kirche oder ein Mittel des Prosely-tismus zu sehen. Wörtlich erklärte der Kardinal zu diesem heiklen Fragenkomplex: „Ihre tatsächliche Existenz (der. Icatholischen Ostkirchen) beruht auf der Gewissenserforschung einiger Persemen und Gemeinschaften ,und eine christliche Gewissenserforschung ist immer unendlich achtenswert. Wenn durch die Gnade Gottes die volle Gemeinschaft, die früher zwischen der katholischen Kirche und der Orthodoxie existierte, sich wiederherstellt, so würden die unierten Kirchen schon durch diese Tatsache verschwinden.“

Zum Konzilsdekret über die katholischen Ostkirchen, das von vielen Experten als „bedauernswert“ bezeichnet wurde, stellt der bekannte niederländische Konzilstheologe Professor E. Schillebeeckx (in: Besinnung auf das Zweite Vatikanum, Vierte Session, Bilanz und Übersicht, Wien 1966, S. 17 f.) fest: „Obgleich weder die östlichen noch die westlichen Christen mit dem vorliegenden Konzilsdokument sehr glücklich sind, können wir doch einen Punkt hervorheben: Der Patriarchatsgedanke, der in der westlichen Kirche verlorengegangen ist, kann in Zukunft gerade durch sein Funktionieren innerhalb der Kirche, vielleicht mehr als die bischöfliche Kollegialität, zu einer klareren Bestimmung dessen beitragen, was der Bischof von Rom als Papst genau ist und) was ihm gerade als Patriarch des Westens gebührt. Die geschichtliche Identifizierung dieser beiden Funktionen hat das Verhältnis zwischen dem Papsttum und den Ostkirchen getrübt. Ferner ist das Dokument wichtig als Grundlage für analoge Schlußfolgerungen im Hinblick auf andere christliche Kirchen, etwa bezüglich eines Ablehnens der Wiedertaufe und der Teilnahme an gegenseitigen Kultfeiern.“

Was sagen die „Unierten“ selbst? Der melkitische Patriarchalrat Neo-phyt Edelby (in: F. Hummer, Orthodoxie und Zweites Vatikanum, Wien 1966, S. 167) meint: „Ein Entwurf wie der unsere ist etwas Vergängliches, ein eilig konstruierter Brückenkopf, eher ein unvollkommenes Experiment als eine endgültige Lösung. Wenn eines Tages der Dialog zwischen den Kirchen sein Ziel erreicht hat — ob mit uns oder ohne uns, macht wienig aus —, wird es nicht schwierig sein, unseren Entwurf in eine endgültige Lösung zu verwandeln, von der wir jetzt nur grobe Umrisse wahrnehmen können. Allein durch die Tatsache der Wiederherstellung der Einheit werden wir als Einzelgruppen verschwinden. Aber wir würden einen Zweck erfüllt haben, wenn durch uns sowohl der Westen als auch der Osten ihre ergänzenden Vorzüge aufzeigen können. Tatsächlich würde sich der Westen nur für seine eigenen Probleme interessieren, wenn er nicht unserer ziemlich peinlichen Anwesenheit gerade in seiner Mitte Rechnung tragen müßte. Genauso würde auch die Orthodoxie niemals verstehen, wie sie sich mit dem Katholizismus vereinigen könnte, ohne westlich zu werden, wenn wir nicht ein univollkommenes, aber nichtsdestoweniger tatsächliches Modell eines orientalischen Katholizismus darstellten. Jene, die heute die katholischen Ostkirchen als absolute Barriere für die Einheit betrachten, sollten über unsere Berufung als Katalysatoren in der Kirche nachdenken.“

Die östlichen Katholiken sind sicher, daß sie durch diese Haltung die Zukunft sichergestellt haben, indem sie im Herzen des Katholizismus einen Platz für die Abwesenden freihalten, nämlich für die Orthodoxie. Überdies wird durch viele Bestimmungen des Ostkirchendekretes eine gewisse Selbstregierung der östlichen Kirchen vorbereitet, die sich bei Anerkennung der Vorrechte des römischen Primats auf eine Rückkehr zum ehemaligen Stand der Dinge vorbereiten, da der Osten nicht durch den Westen absorbiert wurde, sondern seine brüderliche Ergänzung war. Die „Unierten“ sollen jedoch nicht glauben, daß die Zukunft des Ökumenismus im Osten von ihnen und ausschließlich von ihnen abhänge. Der Dialog zwischen der Orthodoxie und der katholischen Kirche wird noch lange Zeit über ihren Kopf hinweg geführt werden. Sie sollen das nicht übelnehmen. Es ist gewissermaßen normal, wenn die, Orthodoxen nicht gern mit dihnen einen Dialog füihnen. Sie sollten daher zumindest so handeln, daß die Einrichtungen ihrer verschiedenen Hierarchien, die in früheren Zeiten aus pastoralen Erfordernissen notwendig waren, heute kein Hindernis seien für eine neue Schau der Einheit der Christen.

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