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Fortschritte der Konzilsarbeit

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„Come va il Concilio?“ fragte kürzlich der „Osservatore Romano“: Wie steht es um das Konzil? In dem so betitelten Artikel fand sich dann auch eine konkrete Auskunft. Sie besagte, daß die kommende dritte Session auch die letzte sein dürfte. Führt man sich den Sachverhalt vor Augen, welchen wir hier zu skizzieren suchen, so gelangt man zu der Überzeugung, daß sie nicht die letzte sein kann.

Als am 4. Dezember des vergangenen Jahres die zweite Sitzungsperiode zu Ende ging, lagen zwei Ergebnisse der Konzilsarbeit vor: die Konstitution über die Liturgie und das Dekret über die „Massenmedien“. Behandelt hatte man die Vorlage über die Kirche, den Text über die Bischöfe, drei Kapitel des Schemas „De Oecumenismo“ und — schon in der ersten Session — den Entwurf über die Offenbarung. Die Väter hatten ferner die Kommissionsberichte zu den beiden letzten Kapiteln des Ökumeneschemas und zu der Vorlage über die Laien gehört, und sie hatten mit knapper Mehrheit beschlossen, den Text über die Muttergottes in den Konstitutionsentwurf „De Ecclesia“ einzubeziehen. Alle diese Projekte lagen nun, am Ende der zweiten Session, wieder oder noch bei den Kommissionen; die einen warteten, überhäuft mit unzähligen Abänderungsvorschlägen, auf ihre Schlußredaktion; den anderen stand und steht die Debatte im Plenum zur Hauptsache noch bevor. Und schließlich geht das „Schema 17“ über das Verhältnis zwischen der Kirche und der heutigen Welt (die Nummer gehört zu einer früheren, optimistisch-weitläufigen Planung) der Vollendung entgegen; den Bischöfen wird dieser vielleicht wichtigste Text des Konzils wohl im Lauf des Sommers zum erstenmal vorgelegt.

Was also den Zeitplan betrifft, so kann man sich vorstellen, daß im komrhehden Herbst das ökumenische Schema, zu Ende beraten und auf den Schluß der Session hin zur “definitiven Abstimmung aufgearbeitet wird: daß die beiden schon ausführlich diskutierten Vorlagen der Theologischen Kommission — „Von der Kirche“ (mit dem allerdings neuen Kapitel über die Muttergottes) und „Von der Offenbarung“ — ohne längere Debatte zur Annahme kommen; daß auch der Text über die Bischöfe nun nicht mehr viel zu reden gibt; daß die Artikel über die Laien — wie vielleicht auch diejenigen über das Studienwesen — dem Konzil nicht als Konstitution, sondern als bloße „Propositiones“ empfohlen werden und damit leichter zu verabschieden sind; daß endlich die Väter noch vor dem Ablauf der beiden Sessionsmonate (Mitte September bis Mitte November) das „Schema 17“ in Angriff nehmen. Auch in diesem günstigsten aller Fälle ist es aber mindestens unwahrscheinlich, daß der letzte Entwurf noch in der selben Sitzungsperiode bereinigt wird und zur Abstimmung gelangt. So ist vorauszusehen, daß die Kommissionen das „Schema 17“ und was etwa sonst im Herbst noch nicht alle Klippen passiert, in einer neuen Zwischenphase überarbeiten und in einer vierten Session dem

Man macht sich keiner Spekulation schuldig, wenn man heute annimmt, in dem abschließenden Kapitel „De Beata Maria Virgine“ werde eher eine mäßigende Abrun-dung als eine neue Betonung und Ausgestaltung der Mariologie zu erkennen sein. Das Heilsmysterium der göttlichen Abkunft und irdischen Geburt Christi, das in der Kirche sich kundtut und fortsetzt; die erlösende Entsprechung zwischen Eva und Maria, in der die „neue Ord-

Plenum zum endgültigen Beschluß unterbreiten müssen.

Theologische Aussagen

Das Schema „De Ecclesia“ hat, wie berichtet wird, im Lauf des Winters stattliche Ausmaße angenommen. Die wesentlichste Ände-

Kirche und Massenmedien

rung, die es erfahren hat, besteht darin, daß die Artikel, die das „Volk Gottes“ zum Gegenstand haben und bisher auf das erste und das dritte Hauptstück (die allgemeine Definition der Kirche und die Umschreibung des Laienstandes) verteilt waren, in einem selbständigen Kapitel, dem zweiten der Neufassung, zusammengelegt worden sind. Sie erhalten dadurch neben den Ausführungen über die Kirche als den mystischen Leib Christi ein eigenes, großes Gewicht; die Lehre vom allgemeinen Priestertum erscheint vor alle Würdigung der Hierarchie gestellt; der ökumenische Gesichtspunkt tritt hervor, da hier von der Universalität des Gottesvolkes, im Anschluß daran von den nichtkatholischen Christen und vom Missionsauftrag der Kirche die Rede ist. Im ersten Kapitel findet sich nun ein Abschnitt über das Reich Gottes, der geeignet sein mag, die gegenwärtige, sichtbare Kirche in die Perspektive der heilsgeschichtlichen Zukunft und damit in eine gewisse Relativierung zu rücken. — Ungeschmälert behauptet sich die Lehre von der Kollegialität der Bischöfe. Die Wiedereinführung des Diakonats ist zunächst noch als Kompetenzfrage gefaßt: Die Väter werden darüber entscheiden müssen, ob der Papst oder die regionalen Bischofskonferenzen das frühchristliche Amt erneuern und die Disziplin seiner Träger bestimmen sollen.

nung“ gestiftet wird; der hohe Rang, den die Kirche der Muttergottes als ihrem eigenen Urbild zuweist: all dies wird in den Aussagen des Konzils sicherlich voll zur Geltung kommen. Aber wenn auch nur mit Deutlichkeit gesagt wird, daß Maria im katholischen Glaubensleben neben Christus den zweiten Platz einnimmt, so liegt darin für manche Gebiete schon eine Korrektur. An der wiederholten, höchst nachdrücklichen Erklärung Pauls VI., daß es zwischen Gott und den Menschen keine andere Vermittlung gebe als die durch Christus allein, kommt die Kirche heute nicht mehr vorbei.

In der ersten Session hatte die Diskussion um die Vorlage „De fontibus revelationis“ („Über die Quellen der Offenbarung“) zum erstenmal eine fortschrittliche Mehrheit und eine konservative Minder-

heit von freilich nicht zu unterschätzender Stärke in einer theologischen Frage auseinandertreten lassen. Danach sah es eine Zeitlang so aus, als würde der Text nicht wieder auf die Traktandenliste kommen. Der Versuch, die Lehrtradition der Kirche dem Zeugnis der Schrift

Photo: Archiv

ausdrücklich an die Seite zu stellen, widersprach dem Wunsch sehr vieler Bischöfe, auf neuere Tendenzen im Katholizismus selbst und auf die Grundhaltung der evangelischen Konfessionen einige Rücksicht zu nehmen; und eine vorsichtigere, offenere Formulierung mußte das Konzil auf den Stand des Tridenti-nums zurückführen, das in diesem Zusammenhang einen scharf anti-reformatorischen Kurs noch vermieden hatte. Im Laufe des Winters hat man nun aber die Arbeit an dem Entwurf wieder aufgenommen, offenbar auf den Wunsch des Papstes. Es scheint, daß Paul VI. gerade in der Rückkehr zu einer maßvollen Umschreibung, die zur Not einen katholischen „Sola-scrip-tura“-Begriff zuläßt, einen Fortschritt sieht — und eine Unterstützung für das Bibelstudium, das sich in Rom der Angriffe älterer Lehrmeinungen erwehren muß.

ökumenische Gedanken

Ein gewaltiges Arbeitspensum hat das Sekretariat für die Einheit der Christen in den letzten Monaten bewältigt. Außer den mündlichen Änderungsvorschlägen, die im Lauf der Debatte zu den ersten drei Kapiteln der Vorlage „De Oecume-

nismo“ eingingen, hatte es nicht weniger als 180 schriftliche Anträge zu berücksichtigen. Man erfährt, daß der Text eine ganz neue Gestalt angenommen hat, und zwar im Sinne weiterer ökumenischer Öffnung. Während die erste Fassung als gemeinsames Hauptelement allen Christentums die Taufe bezeichnete, unternimmt es die zweite, das Verbindende dort zu zeigen, wo auch das Trennende naheliegt, nämlich im Abendmahl. Die nichtkatholischen Christen sieht man nicht im Besitz der „vollen Realität“ des Opfers Christi, doch räumt man ein, daß sie durch ihre Intention denn-noch in dieser Realität sind — Formulierungen, die erst auf Grund des Wortlautes in ihrem genauen Ge-

wicht zu erkennen sein werden, | denen aber vorderhand zu entneh- 1 men ist, daß sich der Text jetzt näher an kritische Punkte der Glaubenstrennung heranwagt.

Das vierte Kapitel der Vorlage, das von der Religionsfreiheit handelt, ist in der zweiten Session nicht mehr zur Debatte gelangt — sehr zum Mißvergnügen des amerikanischen Episkopats, der auf eine Manifestation des Konzils zu diesem auch politisch bedeutsamen Thema dringt und weiter dringen wird. Man kann damit rechnen, daß es den ihm zugedachten Platz in dem ökumenischen Schema behält. Daß es die von manchen gewünschte Konturierung zeigen wird, steht weniger fest. Zu einer eigentlichen Auseinandersetzung mit dem Staat wird es schwerlich vorstoßen; als Partner, auf den es die Forderung nach freier Religionsübung abstimmt, dürfte das einzelne Glied der Gesellschaft erscheinen, dessen Anspruch auf Gewissensfreiheit und Toleranz nicht anzufechten ist, dessen Wohl aber nicht nur von seiner religiösen Entfaltung, sondern auch von seinem Stand in der jeweiligen politischen Ordnung abhängt... Von dem fünften, den Juden gewidmeten Kapitel verlautet, daß es jetzt in einen Anhang verwiesen wird; damit will man dem Eindruck begegnen, daß hier ein Prototyp der nichtchristlichen Glaubensgemeinschaften vorgestellt werde und die Berücksichtigung anderer Religionen, etwa des Islams, sich aufdränge.

Stand in der Welt

Die bedeutendsten Fortschritte, die in der Arbeit an den theologischen und ökumenischen Texten anscheinend erzielt worden sind, können den Beobachter um so zuversichtlicher stimmen, als sie zum größten Teil nicht etwa nur die Bemühungen der zuständigen Kommissionen oder überhaupt irgendwelcher besonderer Gruppen bezeugen, sondern den Tendenzen und Forderungen entsprechen, die im Plenum der Bischofsversammlung zu Worte gekommen sind. Darüber hinaus ist nun ein -erster Ausblick möglich ge-worden auf die Gedankengänge, die das „Schema 17“ bestimmen werden — eine Vorlage, die freilich den Weg durch die Beratungen noch nicht angetreten, ihre endgültige Form noch für einige Zeit nicht gefunden hat.

Dennoch ergeben sich An knüpfungspunkte für diesen Entwurf über „Die Kirche in der gegenwär tigen Welt“ aus dem bisherigen Verlauf des Konzils. Sie liegen im ökumenischen — in der Solidarität der Kirche mit den Menschen insgesamt — und damit im Moralischen in der Mitverantwortung der Kirche für alles, was diese Menschen angeht. Das Schema wird sich also einerseits über den „Orbis catholi cus“ hinaus an die Weltöffentlichkeit richten — nicht mit Urteilen über den zeitlichen Wandel als solchen, sondern mit der Botschaft der Kirche, welche ihn an die ewigen Dinge knüpft. Anderseits soll es der Kirche den rechten Zugang zur Welt, in ihrer heutigen Erscheinung verdeutlichen.

Die Koordinaten, auf welche die Kirche das menschliche Leben bezieht, müssen hier sichtbar werden. Die Würde des irdischen Daseins, seiner natürlichen und geschichtlichen Bindungen, der Arbeit und der Er findungskunst, die es aus Not und Beschränktheit herausführen, sind ihr nicht zweifelhaft: solange dieses Dasein im Diesseits nicht aufgeht, solange der Mensch seiner Doppel aufgäbe, in der Welt zu wirken und das Reich Gottes zu suchen, eingedenk bleibt und so den Lebenskräften, der eigenen Macht nicht verfällt, sondern wahrhaft gebietet Fordernd, nicht im Sinne eigenen Wollens, nur auf den Anspruch des Evangeliums verpflichtet, tritt die Kirche an die Weltgemeinschaft deren Vielfalt sie jetzt eben im Konzil erfahren hat, heran: eine wandelbare Menschengemeinschaft auch sie. Ihr Dienst ist nicht nur auf das künftige, sondern auch auf das ge genwärtige Leben gerichtet; so muß sie die Gesetze durchschauen, welche die Zeit diesem Leben auferlegt, die Bedingungen, an die wiederum auch ihr eigener Dienst geknüpft ist; die Freiheit muß ihr am Herzen liegen in der sich der sittliche und geistige Wert des menschlichen Handelns entfaltet

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