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Vorfeldarbeit für Einigung

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„Wir sind mit überaus großer Herzlichkeit vom Patriarchen German empfangen worden”, berichtete Kardinal Franz König, noch stark beeindruckt von seinem Besuch beim Patriarchen der orthodoxen Kirche von Serbien in Beldgrad. Es war ein historisches Ereignis, wenn man bedenkt, daß die orthodoxen Kirchen sich vor 900 Jahren von der katholischen Kirche getrennt haben.

Eine Delegation der Stiftung „pro Oriente” unter Führung von Kardinal König tat nun den ersten offiziellen Schritt. Sie leistete damit eine wertvolle Vorfeldarbeit für das Einheitssekretariat der Kirche, bevor vom Va- tikan aus offizielle Kontakte aufgenommen werden können.

Auf dem Weg nach Belgrad machte der Kardinal bei Erzbischof Ku- charič in Agram Station, um ihn über seinen Besuch zu informieren. Die Kontakte zwischen beiden Religionsgemeinschaften sind, selbst bei gegenseitigem Wohlwollen, leichter vom Ausland her zu knüpfen, meinte der Kardinal. Erzbischof Kucharic wies besonders darauf hin, wie wertvoll es sei, öffentlich, dem Staat gegenüber, zu zeigen, daß zwischen den beiden Kirchen ein gutes Einvernehmen besteht.

Schon am Flughafen in Belgrad wurde die Delegation dann von den Bischöfen des Heiligen Synods empfangen. Als ständiger Begleiter stand ihr der Metropolit Vladislav von Bosnien zur Verfügung.

Kardinal König zelebrierte einmal in der Kapelle des Patriarchen in dessen Anwesenheit die Messe. Von einer Konzelebration, wie eine Rundfunknachricht meldete, war jedoch nicht die Rede. Anläßlich einer Vesperandacht zum Fest der Kreuzerhebung hielt der Wiener Erzbischof in der Metropolitankirche von Novi- sad unter starker Anteilnahme der Bevölkerung eine Predigt. Mit großer Genugtuung sah Kardinal König, daß auch das Kirchenvolk viel Verständnis für die Einigkeitsbestrebungen zeigt.

Die orthodoxe Kirche in Serbien hat mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die drei großen Nationalitäten des Vielvölkerstaates Jugoslawien gehören auch drei verschiedenen Konfessionen an: Kroaten und Slowenen sind katholisch, die Serben orthodox, Bosnier, Herzegowiner und die Amauten im Kosovo sind Muslim. Während diese Leute einen starken Rückhalt in den arabischen Staaten besitzen und die Katholiken im Papst eine Stütze haben, steht die orthodoxe Kirche auf sich allein gestellt. Theoretisch besteht wie in allen kommunistischen Staaten Trennung von Kirche und Staat. Doch in der Praxis übt der Staat besonders über die nationale orthodoxe Kirche seine Macht aus.

Der Besuch des Wiener Kardinals hat der orthodoxen Kirche im staatlichen Bereich eine starke Aufwertung verschafft. König stattete auch dem Kirchenminister und dem Bürgermeister von Belgrad, der zugleich Vizepräsident der Bundesregierung ist, Höflichkeitsbesuche ab.

Wie der Bischof von Zica berichtete, hat sich die seelsorgliche Situation in den letzten Jahren stark verändert. Die Jugendarbeit steht nun ganz im Vordergrund, im Gegensatz zu früher, da die orthodoxe Kirche bloß auf die Abhaltung der Liturgie eingestellt,war. Auch eine panorthodoxe Zeitschrift kann derzeit wohl unter gewissen Schwierigkeiten, doch ohne Vorzensur, vierzehntäglich erscheinen. Sorgen um den Priesternachwuchs gibt es in Serbien nicht.

Der Wiener Erzbischof lud den Patriarchen ein, nach Wien zu kommen, um mit ihm die pastoralen Probleme der Gastarbeiter zu besprechen.

Die Tätigkeit der Kirche in Österreich für die Gastarbeiter geht weit über die konfessionellen Grenzen hinaus. Ein eigener Seelsorger, Franziskanerpater Kujunožič steht zur Verfügung. In der Kirche Am Hof, der Zentralkirche der Jugoslawen, und in zehn weiteren Pfarrkirchen Wiens, % können sie den Gottesdienst in ihrer Muttersprache feiern. 1979 wurden bereits 155 jugoslawische Kinder getauft. Es wird auch besonders darauf Bedacht genommen, daß die Kinder nicht nur den Schul-, sondern auch den Religionsunterricht in ihrer Heimatsprache erhalten.

Die Seelsorger machen Hausbesuche und kommen auch zu den Kranken in den Spitälern. Ein Sozialdienst kümmert sich um die alleinstehenden Frauen, hilft Eheprobleme lösen, Formulare ausfüllen und begleitet die Gastarbeiter zu Behörden.

Der Kardinal betonte, daß die Kirche in Österreich „die sprachliche und kulturelle Eigenständigkeit achtet” und es als ihre Aufgabe ansehe, Mehrheit und Minderheiten - dazu gehören auch die Gastarbeiter - „zu einem Zusammenleben in christlichem Geist zu führen”. Für zwei orthodoxe Theologiestudenten sollen Stipendien für ein Studium an der Universität Wien bereitgestellt werden.

Beim Abschied sprach Patriarch German ganz spontan, mit großer Gemütsbewegung von der historischen Tragödie der Trennung. Er meinte, wenn auch die formelle Einheit noch nicht da sei, so sehe er die Zeit nicht mehr fern, und das sei auch sein Wunsch, daß alle um den gleichen Tisch des Altars versammelt sind, um das Abendmahl zu feiern. Kardinal König wird dem Papst von seinem Besuch und der herzlichen und aufgeschlossenen Atmosphäre berichten

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