Serbien - Die Wiege römischer Kaiser

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2013 wird in Niš der 1.700. Jahrestag des Ediktes von Mailand gefeiert. Der in Niš geborene Kaiser Konstantin verfügte mit diesem Edikt das Ende religiöser Verfolgung im Römischen Reich. Papstbesuch, Nationalismen und historische Wunden belasten das Konstantin-Jahr 2013, von dem die orthodoxe Kirche Aufwind erwartet. Bericht von einem Lokalaugenschein.

Nächstes Jahr wird es in Serbien und in Nachbarländern des einstigen Weströmischen Reiches große Feiern der orthodoxen Kirchen geben: Vor 1.700 Jahren haben die römischen Kaiser Konstantin I. und Licinius mit dem Mailänder Edikt Religionsfreiheit für West und Ost proklamiert. Aus bisherigen Vorbereitungen kirchlicher und staatlicher Stellen kann man darauf schließen, dass vor allem der Beginn des Siegeszugs des Christentums im slawischen Südosteuropa gefeiert werden soll: um Minderwertigkeitsgefühle zurückzudrängen, um die Kirchen als Verbündete der heutigen Politik zu erhalten und um aus kirchlicher Sicht westliche Dekadenz zu bekämpfen.

Völlig untergeht dabei, dass schon Kaiser Galerius 311 auf seinem Totenbett den Christen freie Religionsausübung erlaubte, aber dass erst 380 Kaiser Theodosius I. das Christentum zur römischen Staatsreligion erklärte. Das Mailänder Edikt von 313 gestand "sowohl den Christen wie auch überhaupt allen Menschen das Recht zu, der Religion anzuhängen, die ein jeder für sich wählt“: So weit hat es die katholische Kirche erst im Zweiten Vatikanischen Konzil gebracht!

Patriarch Irinej I. von der serbisch-orthodoxen Kirche, der jüngst ebenso wie zwei weitere orthodoxe Bischöfe und einige Pfarrer eine kleine Gruppe österreichischer Medienleute empfing, erweist sich als gewinnender Nachfolger des Ökumene-orientierten Vorgängers Pavle. Auch Patriarch Irinej betont gegenüber den von ihm in Belgrad mit Sliwowitz bewirteten Journalisten ("Wein öffnet das Herz, Schnaps die Zunge“) die Notwendigkeit einer weiteren Annäherung der orthodoxen und katholischen Kirchen. Es sei schwer zu verstehen, warum diese Weihnachten und Ostern zu getrennten Terminen feiern (seine Lösungsvorstellung: nicht der "Sieg“ einer Seite, sondern ein gemeinsamer neuer Kalender für beide) und ist dafür, dass alle Führer großer Religionen zum Kaiser-Konstantin-Jahr 2013 eingeladen werden. Also auch der Papst.

Welcher Ort für die erste Begegnung?

Auf gut informierter katholischer Seite wird angenommen, dass die Mehrheit der orthodoxen Bischöfe dafür, eine Einigung bisher jedoch u.a. an der Befürchtung gescheitert sei, dass dann der russische Patriarch Kyrill I. nicht käme, der dem Papst zum ersten Mal, wenn überhaupt, in Moskau und nicht in Niˇs begegnen möchte. Unbehagen gibt es auch wegen eines Papstes, den man pompöser als alle übrigen Kirchenführer empfangen und damit ein Treffen auf Augenhöhe verhindern würde. Der Staat Serbien hätte nichts dagegen und Miloˇs Simonovi´c, der Bürgermeister von Niˇs, der Geburtsstadt von Kaiser Konstantin, verspräche sich davon nicht zuletzt einen Tourismusschub.

Die einen betrauern, was die anderen feiern

Nahe Niˇs besuchen wir altrömische Ausgrabungen, die die Gegend als altes Kulturland bezeugen sollen, aus dem sieben oströmische Kaiser hervorgegangen sind, besichtigen aber auch ein ehemaliges Nazi-KZ. Im auch künstlerisch bemerkenswerten Zastava-Museum von Kragujevac wird u.a. der Ermordung von 2.400 Zivilisten gedacht, die die deutsche Wehrmacht 1941 gemäß dem berüchtigten Befehl "100 Einheimische für jeden toten deutschen Soldaten!“ in dieser Gegend erschossen hat.

Gibt es auch ein Denkmal für die 8.000 (?) Männer, Frauen und Kinder, die bosnisch-serbische Soldaten 1995 in Srebrenica ermordet haben? Dazu sagt später Bischof Jovan (Mladenovi´c) von ˇSumaria: "Da wurde viel manipuliert. Wer Verbrechen begangen hat, soll büßen, aber nicht ein ganzes Volk für einige Missetäter. Die Zeit wird zeigen…“ Als dieser Tage auf dem Friedhof von Potoˇcari dieser Toten gedacht wurde, feierte nebenan die orthodoxe Gemeinde ein Grillfest mit Konzert und Fußballturnier.

Dass die Ablösung Kosovos von Serbien auch die meisten orthodoxen Kirchenführer schwer getroffen hat, wird immer wieder spürbar. Von einer "sehr tiefen Wunde“ spricht Bischof Jovan. In vielen Gesprächen klingt das Thema an. Hinter vorgehaltener Hand wird freilich auch die Frage, ob für Kosovo eine allen Betroffenen zumutbare Lösung gefunden werden könnte, von manchen Politikern schon bejaht. Dazu passt freilich wenig, dass für die serbische Gendarmerie eine neue Eidesformel formuliert wurde, deren Text ohne inneren Zusammenhang zu drei Viertel die Heldenerinnerung an Kosovo beschwört.

Andererseits wird der Beisetzungsort von Slobodan Miloˇsevi´c dezent versteckt, um ihn nicht zum Wallfahrtsort werden zu lassen, und wir erfahren davon eher durch Zufall, als wir im westserbischen Poˇzarevac nächtigen. Selbst Google geleitet Internet-Klicker unter diesem Stichwort nur zu Wetterberichten und Partnersuche aus der Region. Wer noch in später Abendstunde zu Fuß zum angegebenen Ort aufbricht, steht vor einem abgesperrten Areal.

Die Republik Serbien steuert heute einen nachvollziehbaren EU-Kurs, behindert nicht mehr demonstrativ die Fahndungen des Internationalen Strafgerichts und genießt das überall spürbare Bemühen der USA um freundliche Beziehungen. Beim Empfang zum Fourth of July füllt das gesamte offizielle Belgrad das US-Botschaftsgelände. Die sehr oft thematisierte Erinnerung an die 28.000 Sprengkörper, mit denen die NATO 1999 das Miloˇsevi´c-Regime aus dem Amt gebombt hat, bildet dazu ein dialektisches Pendant: Man braucht beides zur Stabilisierung der eigenen Identität. Und die Kirche.

Einheit der katholischen Kirche in Serbien

Zur orthodoxen Kirche bekennen sich 84 Prozent der Serben, 6 Prozent sind katholisch (stark rückläufig), 3 Prozent muslimisch (ohne Kosovo). Einen Teil der von den Kommunisten beschlagnahmten Güter haben Kirche und Klöster rückerstattet bekommen. Die wechselseitigen Beziehungen sind traditionell gut. Auch der Staat ist an einer Annäherung an das westliche Rom interessiert - nicht freilich an einer Preisgabe der Selbstständigkeit der orthodoxen Kirchen ("Autokephalie“), die alle Kirchenoberen wählen und auch Patriarchen nur einen Ehrenvorrang zugestehen. Mehrfach zu hören: Einen solchen ("primus inter pares“) würden sie auch dem Bischof von Rom zubilligen - viel mehr nicht.

Verbliebene theologische Differenzen scheinen lösbar, vor allem der Streit, ob der Heilige Geist nur vom Vater oder auch vom Sohn (das katholische "filioque“) ausgeht. Dafür kann sich der rührige Ortspfarrer der Arbeiterpfarre Novi Kostolac, Aleksander Mihailovi´c, sehr darüber erregen, dass manche Völker "wie die Kroaten“ statt "Christus“ nur "Christ“ sagen: Das sei "ein Nichts, ohne Substanz, ahmt das ja nicht nach!“ Gilt das auch für alle Englischsprachigen? Nur eine wegwerfende Handbewegung. Kroaten sind Feindbild der Serben geblieben. Sie sind katholisch, also überträgt sich auch theologischer Unmut auf sie, deutet auch Nuntius Erzbischof Orlando Antonini an, der die "sehr guten“ Beziehungen der Kirchen auf oberster Ebene rühmt. "Auf Ebene des Volkes ist das anders - eine historische und menschliche Tragödie.“

Der Vertreter des Papstes in Belgrad wirkt aufgeschlossen, offen und welterfahren. Als er verschmitzt meint, man solle sich bei allem gebotenen Bemühen um Einheit über die gelegentliche Abspaltung einer Kleingruppe von der Kirche nicht zu viel Sorge machen, denn "sie nehmen die Extremisten mit und befreien die Kirchenleitung davor, immer auf diese Rücksicht nehmen zu müssen“, fällt ihm kein Beispiel aus Serbien dazu ein.

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