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Wie Kardinal Stepinac ermordet werden sollte

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In einer Rede hei der Sitzung eines Arbeiterrates in Agram am 8. August 1957 erklärte W. Bakaric, erster Sekretär der KP , man werde jetzt darangehen, die Religion endgültig zu liquidieren.

Die Partisanenarmee, mit deren Hilfe Tito schließlich die Macht an sich reißen konnte, bestand aus Bauern, einer kleinen Gruppe Intellektueller, aus Hochschulstudenten und Mittelschülern beiderlei Geschlechts. Rund 88 Prozent dieser Partisanen waren Nichtkommunisten, die 12 Prozent Kommunisten1 der Partisanenarmee „arbeiteten” im Hauptquartier als Kommandanten und als Politkommissäre. Es war nicht schwer, die leicht zu begeisternden Südslawen als „Kämpfer für die nationale Freiheit” gegen den „Erbfeind der Slawen” zu mobilisieren. Tito und seine Genossen hüteten sich ängstlich, während des Krieges über Kommunismus oder über die Partei zu sprechen. Nach einer nicht sehr genauen aber immerhin brauchbaren Statistik aus dem Jahre 1946, gab es in der Partisanenarmee 55 Prozent Orthodoxe (Serben), 40 Prozent Katholiken (Kroaten und Slowenen) und 5 Prozent Mohammedaner (Bosniaken).

Während des Krieges kam es, im Verhältnis zu den Nachkriegsjahren, zu wenigen Ausschreitungen gegen den Klerus, und wenn, dann immer nur dort, wo in Moskau geschulte Politkommissäre den Befehl führten. So am Siroki- Breg in Bosnien, wo 24 Mönche ermordet wurden, und in der Nähe von Petrovo Selo in der Lika, wo der „Nationalheros” Kraljevic Nonnen vor der Front der 1. Proletenbrigade erst vergewaltigen und dann „Schächten” ließ. Als später Partisanen der 2. Moslowinabrigade (kroatische Katholiken) beim Hauptquartier wegen dieser Scheußlichkeiten vorstellig wurden, gab Tito am 29. Dezember 194? in einer Sitzung des AVNOJ2 folgende feierliche Erklärung ab:

man spricht dem Sieg das PrlvateigaBftSn Sbschi’ffenv.”;-tnan- ,tratscht’, ich würde die Religion abschaffen .. . oder gar die Kirchen schließen ... das sind Märchen und niederträchtige Lügen, die unsere Feinde in unsere Reihen tragen.”

Um seine „Religionsfreundlichkeit” zu beweisen, beschenkte er die 1. Moslawinabrigade mit einer Fahne, auf der sich die Inschrift „Mit Gott — fürs Vaterland” befand. (Eine der Likanerbrigaden hatte auf ihrer Fahne die Inschrift „Jesus — Jesus - Jesus”, den uralten kroatischen Schlachtruf während der Kämpfe mit den Türken.) Ueber Ansuchen des Kommandanten einer Zagorjanerabteilung gab er persönlich die schriftliche Erlaubnis, daß Partisanen zu Ostern am Hl. Grab Wache halten und bei Prozessionen als Ehrenwache das Allerheiligste begleiten konnten.

Knapp nach der Machtübernahme änderte Tito sein Verhalten: Klöster wurden gesperrt, Kirchen ausgeraubt und Geistliche als „Volksschädlinge” eingesperrt. Der „Vorkämpfer fürs Vaterland” verschwand, und an seine Stelle trat der verbissene, radikale Kommunist.

Es mag dahingestellt bleiben, ob seine Besprechungen mit dem kroatischen Klerus (Agram, April 1945) wirklich ernst gemeint waren. Auf alle Fälle waren seine Vorschläge — Nationalisierung der katholischen Kirche und völlige Loslösung von Rom — unannehmbar. Die Verhandlungen wurden abgebrochen, und W. Bakaric, erster Sekretär des Zentralkomitees Kroatiens, begann nunmehr auf Befehl Titos den Kampf gegen den Agramer Erzbischof Stepinac, in erster Linie, um den katholischen Kroaten „die Macht der Partei” zu zeigen.

Der Prozeß und sein Ausgang sind bekannt. Gro’tesk ist, daß Bakaric gegen den Erzbischof die Anklage erhob, er sei „Faschist und ein geschworener Gegner des Kommunismus . während 1949 Dr. Pavelic, der damalige Regent Kroatiens und Parteigänger der deutschen Besatzungsbehörden, Dr. Stepinac beschuldigt hatte, er sei „Parteigänger der Kommunisten und Feind des Regimes...”

Als bekannt wurde, daß Bakaric vor Gericht behauptet hatte, Dr. Stepinac habe die Verfolgung der Serben und Juden unterstützt, meldeten sich mehr als 2500 unerschrockene Zeugen, die das Gegenteil beweisen konnten, denn anläßlich des Jahrestages der Krönuni Papst Pius XIL, 1943, hatte Dr. Stepinac von der Kanzel aus die Verfolgung von Serben und Juden verurteilt und dem katholischen Klerus verboten, in irgendeiner Ustascha-Organisation3 mitzuwirken.

Es scheint, daß W. Bakaric selbst nicht ganz sicher war, ob er mit seiner Anklage Erfolg haben könnte, darum ersuchte er den damaligen Chef der OZNA4, Stepinac ermorden zu lassen. Ausgesuchte Agenten der Geheimpolizei sollten dem Erzbischof, der sich dienstlich nach Z a p r e s i c begeben mußte, hinter Pod- s u s e d auflauern. Obwohl der Anschlag genauest vorbereitet war, scheiterte er auf merkwürdige Art: Der Wagen des Kardinals passierte die vorgesehene „Mordstelle” eine halbe Stunde früher als vorgesehen — zu einer Zeit, da sich die gedungenen Mordgesellen in der Nähe noch ausgiebig „stärkten”!

Nach der Verurteilung des Erzbischofs am 29. November 1946 gab W. Bakaric in einer Drei-Stunden-Rede an die kroatische Hochschuljugend den Standpunkt der Regierung bekannt: In das jugoslawische Strafgesetz solle folgender Artikel aufgenommen werden: „Jedermann, der Minderjährigen Religion oder religiöse Ideen beizubringen trachtet, ist mit zwei bis sechs Jahren Gefängnis zu bestrafen ...” Das Schulgesetz sollte ferner durch folgenden Zusatz „bereichert” werden: „. .. ein Lehrer muß nicht nur selbst ohne Glauben sein — er muß auch als aktiver Propagandist Gottlosigkeit lehren . .”6

Zweimal noch versuchte Tito, den katholischen Klerus für seine Ideen zu gewinnen — er erlitt eine glatte Abfuhr, und nun begann der offene Kampf gegen die katholische Kirche, der auch heute noch andauert.

Warum Tito immer wieder versucht, mit den Katholiken zu einer „Verständigung” zu kommen, wird einigermaßen klar, wenn man die Statistik zu Rate zieht. In Jugoslawien gibt es heute rund 6,5 Millionen Katholiken, 6,2 Millionen Orthodoxe”. 3 Millionen Mohammedaner und rund 1 Million Andersgläubige. Katholisch sind die Kroaten und Slowenen, orthodox die Serben und Mazedonier, mohammedanisch die Bosniaken. Berücksichtigt man bei diesen Ziffern noch, daß sich Kroaten und Serben feindlich gegenüberstehen und daß man hierbei — leider — immer wieder die Religion ins Treffen führt, wird man die Bemühungen Titos einigermaßen verstehen können.

Um sich nicht selbst, mit Rücksicht auf das westliche Ausland, zu stark zu engagieren, hat Tito seinen Kampf gegen die Kirche seinen Getreuen — Bakaric, Vukmanovii und Rankovic — überlassen, die ihn auch mit einer Energie und Ausdauer, die einer besseren Sache würdig wären, leiten. Diese neueste Politik des Serben Vukmanovic — staatliche Bevorzugung des orthodoxen Klerus bei gleichzeitiger schärfster Verfolgung des katholischen Klerus — muß zu einer Verschäfung des bestehenden koatisch-serbischen Gegensatzes führen.

Die orthodoxe Kirche Serbiens hat sich unleugbar Verdienste erworben, solange Serbien von den Türken besetzt war (1400 bis 1812). Daß sie in der Habsburg-Monarchie und im späteren Königreich Jugoslawien eine chauvinistisch-serbische Politik führte, ist eine Sache, die nur den orthodoxen Klerus angeht. Während des zweiten Weltkrieges geriet der orthodoxe Klerus in eine sehr schwierige Lage, da er gleichzeitig von den Kroaten, den Deutschen und ab und zu auch von der deutschfreundlichen Regierung in Belgrad verfolgt wurde. Vielen blieb daher nichts übrig, als in den Wald zu flüchten, wo sie wenigstens ihres Lebens sicher waren. Dieser Teil des Klerus war dann später, bei seiner Heimkehr, kommunistisch angekränkelt und bildete schon 1946 eine so starke Gruppe, daß es ihm gelang, den geflüchteten Patriarchen Gabriel zur Rückkehr zu bewegen und mit der neuen Regierung Verhandlungen aufzunehmen.

Tito, der bisher auch die orthodoxe Kirche verfolgt hatte, griff zu, und nach langwierigen Verhandlungen kam man endlich zu einem Resultat: Die kommunistische Regierung anerkannte die orthodoxe Kirche als nationale Kirche. Tito erklärte sich bereit, einen Teil des der orthodoxen Kirche 1945 geraubten Kirchenvermögens zurückzugeben, verlangte aber als Gegenleistung die Zusammenfassung des orthodoxen Klerus in Syndikaten und völlige Aufgabe jeden Widerstandes gegen wie immer geartete Regierungsmaßnahmen.

Es war keineswegs ein Sieg Titos. Immerhin erreichte er, was Bakaric seit Jahr und Tag in den katholischen Teilen des Landes versucht hatte — eine Spaltung und damit eine Schwächung des orthodoxen Klerus. Das letzte Ziel konnte nicljt; erreicht werden: Zirka 40 Prozent des orthodoxen Klerus stellen sich noch heute scharf gegen den Kommunismus, wobei sie immer wieder auf den ominösen Artikel 12 der Statuten der KPJ hinweisen:

,.... jedem Parteimitglied ist es bei Strafe der Ausschließung verboten, Gotteshäuser zu besuchen . . . oder Handlungen, wie Taufe, Eheschließung und Beerdigung von einem Vertreter irgendeiner Glaubensgemeinschaft durchführen zu lassen.”

Vorläufig hält sich die Regierung an die getroffenen Vereinbarungen; als der neue Metropolit inauguriert wurde, nahmen an der Zeremonie in der orthodoxen St.-Markus-Kirche in Belgrad die Erzreligionsfeinde Vukmanovic und Rankovic als Vertreter der Regierung teil und küßten — nolens volens — das ihnen von einem Diakon hingehaltene Kreuz ...

Jetzt, da Tito wieder einmal nach Osten abschwenkt, dürfte es zu einer Stärkung der orthodoxen Kirche in Jugoslawien kommen, aber nicht aus religiösen, sondern aus rein politischen Gründen, und zwar durch die bereits angebahnte Vereinigung der russischen und der serbischen Kirche. Daß in Rußland auch die Kirche politisch jnißbraucht wird, erfuhr man erst kürzlich wieder aus einer Rede Ghrü- schtschows:

„.. . Der Sowjetstaat kann von den Bindungen, die zwischen der Sowjetkirche und anderen Kirchen im Ausland bestehen, nur profitieren. Wir werden daher die Tätigkeit der Sowjetkirche am Balkan und im Nahen Osten immer wieder fördern...”

Nach den anfangs zitierten Worten Bakaric’ scheint eine neue Welle antikatholischer Politik im Anrollen zu sein, man spricht von schärferen Regierungsmaßnahmen und von Einführung eines obligaten Gottlosenunterrichts in den Schulen. Wie dem immer sei, die Lage des katholischen Klerus in Jugoslawien ist heute sehr schwer. Geistliche können sich nur in Zivil in der Oeffentlichkeit zeigen. Geistliche Krankenpflegerinnen dürfen nur in bürgerlicher Kleidung arbeiten (außer in Belgrad). Staatsangestellte, die ihren religiösen Pflichten nachgehen, werden verwarnt in manchen Gegenden sogar öffentlich angeprangert; Rowdyüberfälle auf Geistliche sind ebenso wie Störungen des Gottesdienstes an der Tagesordnung. Daß sich der ganze Haß der neuen Klasse nur gegen die Katholiken wendet, geht aus einer kleinen „Korrektur” Belgrads hervor. Als Bakaric sein „Abschaffung jeder Religion!” hinausschrie, beeilte man sich in Belgrad, zu versichern, Genosse Bakaric habe nur die Anhänger jener Religion gemeint, die „staatsfeindlich” sei...

Die Antwort auf die Herausforderung der Kommunisten gibt das Volk. Niemals manifestierten Christen ihren Glauben fester als heute — niemals waren die Gotteshäuser mehr besucht als heute. Das Volk will keinen offenen Kampf, aber es verteidigt zäh und verbissen seine uralten religiösen Rechte.

1 Der größte Teil der Parteimitglieder weilte von 1941 bis 1945 „weit vom Schuß” in Aegypten und wurde von den Engländern gehegt und gepflegt. Zum Dank dafür schulten sie die Aegypter ideologisch.

5 AVNOJ = AntifaSisticko Vjece Narodnog Oslobodjenja Jugoslavij = Antifaschistenrat der Befreiung Jugoslawiens.

3 Ustascha — die Leibgarde Dr. Pavelic’, ähnlich der deutschen SS.

4 Geheimpolizei.

s Beide Artikel sind nicht von Bakaric. Der erste ist dem Sowjetstrafgesetz entnommen (Artikel 122), der zweite den „Richtlinien für Sowjetlehrer” (Moskau, 1931).

6 Die serbische Statistik, nach der es 8 Millionen Orthodoxe gibt, stimmt nicht. Sie stammt aus der Zeit, als die Serben um die Hegemonie im Staate kämpften.

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