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Titos Mini-Rebell

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Der kroatische Parlaments-Vizepräsident und Abgeordnete Dr. M. Zanko bediente sich süd- bzw. mittelamerikanischer Politikerkniffe, um gegen sein eigenes Zentralkomitee eine psychologische Höllenmaschine zu basteln. Die Präsidentin dieses Gremiums, Frau S. Dobceric-Kucor, faßte das etwa folgendermaßen zusammen: Mißbrauch des Vorsitzes im „Borba“-Redaktions-kollektiv — es ist dies das Organ der Tito-Partei —, um vor bzw. während der ZK-Tagung zu behaupten, in Kroatien mache sich der Nationalismus breit, im Westen arbeitende Jugoslawen und Spionageorganisationen finanzierten in der Heimat chauvinistische Publikationen bzw. die kroatische Jugo-KP-Führung neige zu Ustascha-Nazi-freundlichen Veröffentlichungen. Derartige Verleumdungen fielen um so schwerer ins Gewicht — so Frau Dabcevic-Kucar —, als sich Dr. Zanko, der kraft seiner hohen Ämter diese Anschuldigungen gegen besseres Wissen vorbrachte, dessen bewußt sein mußte, daß gegen die von ihm angekreideten Strömungen in „Hrvatski Knjizevni List“, im „Geschichtsinstitut der Arbeiterbewegung“ und in „Matica Hrvatska“ nachhaltige Maßnahmen erfolgt sind. Während der greise Spitzenpolitiker Titos, Dr. V. Bakaric — er gab 1951 der „Neuen Wiener Tageszeitung“ die erste österreichfreundliche jugoslawische Erklärung ab —, den kroatischen „Jungtürken“ souverän in die Schranken verwies, traf I. Spika mit der Frage ins Schwarze bzw. ins Rote: Für wen sprach Dr. Zanko?

Sturm und Drang

Im wahrsten Sinne des Wortes^,Ve-teraneft“ •* hatten es -verstanden, Hochscfcüierkreise voirusparmen und

deren Geist bzw. Witz gegen den Belgrader Apparat in Stellung zu bringen. Jugendlichen Sturm und Drang, d. h. Unzufriedenheit, wollten sich diese Kreise dienstbar machen, um eine Art „außerparlamentarischer Opposition“ oder „neuer Linken“ in den Sattel der Wochenzeitung „Student“ und der „Philosophischen Gesellschaft“ zu heben. Als geistige Mentoren dieser subtilen Rebellionszentren galten paradoxerweise serbische Jungphilosophen, die ausgerechnet von Amerika-Studien heimgekehrt, wie beispielsweise L. Tadic und H. Milosevic — und dort nicht etwa dem kapitalistischen

Managertum, sondern vielmehr den Thesen des Professor Marcuse verfallen waren. Zwei besonders laute Aktivisten der Philosophen-Gesellschaft, Z. Stojkovic und B. Mihajlo-vic, mußten sich daraufhin Rügen gefallen lassen. Auch die „Matica Srpska' sollte besser auf Regier-rungskurs gebracht werden, und schließlich schlug auch der „Student“-Redaktion die Stunde.

Was der Student will

Inmitten der unsancemäßigen Unordnung fanden wir hier ein Triumvirat vor, das im Gegensatz zu östlichen „Säuberungsklimas“ guter Dinge war, die offiziellen Anschuldigungen von Stalinismus, Anarcho-Liberalismus, Nationalismus und Kominformismus als Unsinn abtat, andererseits aber nicht genau erklären konnte oder wollte, was man in diesem bohemeartigen Räume eigentlich beabsichtigte, unter dem im Erdgeschoßkino vor drei Jahren echte Ustascha-Emigranten-Bomben hochgingen ... und töteten. Man geht mit der Annahme kaum fehl, daß es sich auch beim „Student“ — ebenso wie während der einwöchigen Belgrader Studentenrebellion — um das spezifisch jugoslawische Generationsproblem handelt. Die Hochschüler wollen bessere und gerechtere Studienbedingungen, sie wollen mit ihren Diplomen in der Hand jene Posten besetzen, auf denen unqualifizierte Leute noch auf Grund parteipolitischer Vetternwirtschaft sitzen, und sie wollen schließlich nicht, daß bloß ideologische Schaumschlägerei weiterhin ihren Mann bzw. ihre Frau nur allzu reichhaltig ernähre. Rein soziologisch betrachtet gibt es heute in Jugoslawien eine ziemlich breite Bevölkerungsschicht, die 'auf Grund eigener, echter Leistungen, im Westen verrichteter Arbeit und gewonnener Kenntnisse einen der abendländischen Völkerfamilie angemessenen Stand erreicht. Diese allerneueste, aufgeklärte und oft auch junge „Klasse“ steht meist zur Belgrader Regierung, weil sie weiß, daß sie im Gegensatz zum ärmlichen Alltag ihr relatives Wohlergehen nur der Tatsache verdankt, daß sich Tito das Kreml-Paradies wohlweislich vom Leibe hält. Der Neid der „besitzlosen Klasse“ Jugoslawiens richtet sich demnach auch gegen die erwähnten Etablierten, meistens vom Süden nach dem Norden des Landes hin.

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