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Vom Belvedere zur Akropolis

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Am 1. März 1941 war Adolf Hitler auf dem Wiener Westbahnhof angekommen. Er hatte sich von dort auf direktem Weg ins Belvedere begeben, wo der bulgarische Ministerpräsident in Gegenwart von Rippentrop. Ciano sowie den in Berlin akkreditierten Botschaftern Japans, Ungarns, Rumäniens und der Slowakei, den Beitritt zum Dreimächtepakt unterzeichnete. Gleichzeitig wälzten sich deutsche Truppenmassen über die rumänischbulgarische Grenze.

Am 25. März war Hitler abermals in Wien. Diesmal sollte die jugoslawische Regierungsdelegation zur Unterschrift erscheinen, auch Graf Ciano wollte wieder dabei sein.

12 Tage später bot der Balkan ein völlig verändertes Bild, der Balkankrieg hatte begonnen.

Während die deutsche Reichsregierung den Angriff auf Griechenland wenigstens in einer Note samt Memorandum an die Athener Regierung zu motivieren suchte, wurde Belgrad keiner direkten Anrede mehr gewürdigt, sondern nur mit einer „Erklärung über Jugoslawien“ samt einem Memorandum zur amtlichen Verlautbarung bedacht. Darin beteuerten die Deutschen, sie hätten am 25. März in Wien keinerlei Durchmarschrechte verlangt, vielmehr dem Belgrader Kabinett die Stadt Saloniki als Ausgang ins Ägäische Meer zugesichert. Allerdings hätten sie dafür die „loyale Mitarbeit beim Neuaufbau des Kontinents“ gefordert. In einem weiteren Memorandum priesen die Deutschen jene Zusammenarbeit mit Belgrad, die Anno 1934 während des Juliputsches in Österreich so gut funktioniert und später den Anschluß begünstigt hatte. Durch den Offlziersputsch in Belgrad, Ende März 1941, wäre dies alles zunichte gemacht worden.

Den Operationen am Balkan ging der Angriff des deutschen Afrikakorps in Libyen voraus. Am Morgen des 4. April mußten die Engländer Bengasi aufgeben, am Morgen des 6. April begann der Einmarsch der Wehrmacht in Jugoslawien und Griechenland. Die Kriegsberichter entdeckten zunächst, daß die griechische * Metaxas-Linie der Maginot-Linie mindestens ebenbürtig sei, wenngleich natürlich nichts auf dieser Welt den Ansturm der Deutschen aufhalten könne. Tatsächlich waren die eingesetzten Truppen von ihrer kämpferischen Überlegenheit so sehr überzeugt, daß die Leibstandarte Adolf Hitler sogar einen Bajonettangriff versuchte, der ihr allerdings fürchterliche Einbußen bescherte. Daher verließ man sich lieber auf den zermürbenden Einsatz der Sturzkampfbomber, auf die artilleristische Überlegenheit und auf die un-bezwingliche Panzerwaffe. Vergeblich riet Churchill den Jugoslawen, die Italiener in Albanien zu attackieren und vor den Deutschen langsam das Feld zu räumen. Die Jugoslawen wollten ihre Grenzen verteidigen und den Krieg im herkömmlichen Sinn führen. Sie wurden dabei noch schneller erledigt, als es die Pessimisten in London erwarteten. Am 17. April streckte der Rest der serbischen Wehrmacht die Waffen, nachdem der jugoslawische Staat schon einige Tage vorher zu bestehen aufgehört hatte.

Werfen wir einen Blick auf die Präzision des deutschen Veraiich-tungswerkes: aus Bulgarien traten drei Panzerarmeen über die Struma zum Angriff nach Westen an. Die schnelle Eroberung von Nisch und Skoplje durch die beiden nördlichen Stoßkeile zerteilte die jugoslawische Armee, schnitt sie von ihren Verbündeten ab und öffnete das Vardar-Tal nach Griechenland. Der südliche Stoßkeil drang durch die Strumica-Enge ins untere Vardar-Tal, und weiter gegen Saloniki vor. Alles andere war weniger wichtig. Belgrad wurde durch eine Zangenbewegung, die von der Steiermark, Rumänien und Bulgarien ausging, genommen. Die Italiener konzentrierten sich auf den Raum um Dubrovnik und suchten damit das Entkommen der jugoslawischen Verände nach Süden zu verhindern.

Die Deutschen wandten ihre Kraft Griechenland zu. Am 18. April durchstießen sie das Bergland nordost-wärts des Pindos, am 23. April zwangen sie die griechische Epirus- und Mazedonienarmee zur Kapitulation. Drei Tage später versuchten sie bereits, den britischen Rückzugsweg in den Peleponnes abzuriegeln. Dies gelang zwar nicht rechtzeitig, aber die Engländer erlitten bei der Einschiffung und auf hoher See schwere Verluste. Adolf Hitler, der sich mit seinem Sonderzug zu Beginn des Feldzuges tagelang in den Aspangtunnel zurückgezogen hatte, erschien auf der Akropolis. Am 4. Mai konnte er den Männern des Reichstages einen abschließenden Rechenschaftsbericht geben, wobei er jene Zeitungsnachricht, derzufolge etwa 50 jugoslawische Kampfflugzeuge in Richtung Sowjetunion abgeflogen seien, überging.

Am 15. April 1941 hatte der „Führer“ den steirischen Reichsstatthalter und Gauleiter Dr. Uiberreither und den stellvertretenden Gauleiter Kärntens, Kutschera, zu Chefs der Zivilverwaltung in den besetzten Gebieten der ehemaligen Untersteiermark, Kärntens und des nördlichen Krain ernannt. Uiberreither und Kutschera unterstanden in dieser Eigenschaft unmittelbar ihrem obersten Herrn. Eine formelle Einverleibung dieser Landstriche in die Gaue Steiermark und Kärnten, etwa so, wie dies 1938 an der Nordgrenze der Gaue Nieder- und Oberdonau vollzogen worden war, erfolgte nicht. Anderseits war die Eindeutschungspolitik im Süden sofort bedeutend härter fühlbar als bei den Tschechen. Es muß demgegenüber festgehalten werden, daß diese Arrondierung des altösterreichischen Gebietes keine größere Stimmungsreaktion in Wien oder in den ehemaligen Bundesländern hervorrief. Das Gefühl der Befriedigung wollte sich fast nirgends einstellen, Gleichgültigkeit und andere Sorgen behielten die Oberhand. Ein paar Feierlichkeiten und Festreden konnten den örtlichen Charakter nicht sprengen, sollten anderswo auch nicht besonders bekanntwerden.

Man fürchtete offensichtlich zu starke Reminiszenzen an die Zeit vor 1914. Nur nach der Einnahme Belgrads, das die Luftflotte des Generaloberst Lohr im Auftrag Hitlers fürchterlich zugerichtet hatte, ließ man im Rundfunk das österreichische Soldatenlied des jüdischen Dichters Zuckermann von den „Drei Krähen und dem Schnitter Tod“ singen. Dann aber war mit allen Erinnerungen Schluß.

Heute, da auch die Geschehnisse von 1941 nur noch Erinnerung sind, bedarf das Drama in und um Jugo slawien einer Aufgliederung, weil es in seiner Vielfalt kaum bekanntgeworden ist. Die Reichsführung war tatsächlich, ungeachtet persönlicher Abneigungen Hitlers gegenüber Serbien, seit längerem um ein gutes Verhältnis zu Belgrad bemüht. Auch manche Politiker um den Prinzregenten Paul zeigten sich dem Reich gefällig, hofften sie doch auf das mäßigende Einwirken Berlins gegenüber den Aggressionsabsichten Italiens. Die kommunistische Partei Jugoslawiens, die seit etwa 1938 in nationale Abteilungen zerfiel und daher im Sinne Lenins föderalistische Züge aufwies, hatte nach Jahren der Unterdrückung stärkeren Zulauf seitens der Studentenschaft und der Rückkehrer aus dem spanischen Bürgerkrieg. Anderseits waren mehrere prominente Kommunisten Jugoslawiens, die sich oft im Ausland betätigten, der Säuberungswelle Stalins zum Opfer gefallen. Der aus Moskau zurückgekehrte Josip Broz Tito beschäftigte sich deshalb mit dem Wiederaufbau der Parteiorganisation.

Die Kroaten wehrten sich auf innerpolitischer Bühne erbittert gegen serbisch-zentraiistische Übergriffe. Der Führer jener 1929 gegründeten Kampforganisation, der Usta-scha, die 1934 bereits König Alexander und den französischen Außenminister Barthou in Marseille ermordet hatte, der Advokat Dr. Ante Pavelic, hielt sich in Italien verborgen. Ausbildungslager der Ustascha befanden sich in Ungarn und Italien. Die Slowenen standen Belgrad ebenfalls reserviert gegenüber. Berlin behandelte die slowenische Minderheit innerhalb der neuen Reichsgrenzen mit Vorsicht und anerkannte zunächst deren Volkstum, ähnlich wie jenes der Tschechen in Wien.

Das totale Einschwenken Belgrads auf die deutsche Seite und der unmittelbar darauf folgende Sturz des Prinzregenten und seines Kabinetts im Frühjahr 1941 besiegelten das Schicksal des Königreiches Jugoslawien. Berlin entschloß sich rasch zur völligen Auflösung des Staates und akzeptierte keinerlei Einlenkungs-versuche der frisch ans Ruder gekommenen Offiziere und Politiker. Die Deutschen waren über Provokationen eher erfreut, benötigten aber noch etwas Zeit für militärische Umdisponierungen. Währenddessen suchte der Wiener Rechtsanwalt Dr. Führer, der zum Kreis um Kaltenbrunner gehörte, den „Kollegen“ Pavelic in Rom auf, um ihn von der italienischen auf die deutsche Seite zu ziehen. Angesichts der Ansprüche Italiens auf die dalmatinischen Küstengebiete und auf die Thronbesetzung in einem neu errichteten Königreich Kroatien war dies nicht allzu schwer. Pavelic wurde von der SS nach Agram gebracht.

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