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Das Agramer Urteil

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Wir geben im nachstehenden einer uns von einem genauen Kenner der kroatischen Verhältnisse zugegangenen Darstellung Raum, die mit sehr bemerkenswerten Einzelheiten die Ausführungen des Artikels „S t e p i n a c“, („Furche“, Folge 42) bestätigen und ergänzen.

„Die Furche“

Als im Mai 1945 die Partisanentruppen gegen die kroatische Hauptstadt marschierten und viele Tausende vor ihnen ins Exil flüchteten, blieb der Erzbischof von Agram auf seinem Posten. Wohl wußte er von dem furchtbaren Geschehen, dem seit 1942 hunderte Priester aus den verschiedenen jugoslawischen Diözesen zum Opfer gefallen waren, er kannte ihre Namen und wußte von dem Grauen' ihrer Todesarten. Aber Erzbischof Dr. Stepinac blieb. Er hatte ein gutes Gewissen. Als da neue Regime in Agram seine Herrschaft antrat, war es eine seiner ersten Taten, Erzbischof Stepinac zu verhaften. Allein man fand nichts, was man ihm hätte vorwerfen können. So ließ man anläßlich eines Besuches Marschall Titos in Agram den Erzbischof nach siebzehn Tagen wieder frei. Doch gab Tito selbst in einer Unterredung seine Bedingungen für Jas Weiterwirken der katholischen Kirche in Jugoslawien bekannt. Sie gipfelten in der Forderung, die katholische Kirche im Lande solle von Rom abrücken und sich z u einer mehr „nationalen“ Institution entwickeln.

Diese seine Worte waren nicht an den richtigen Mann gerichtet. Die eben durch-standene Haft hatte Erzbischof Stepirac in seiner Haltung nicht wankend machen können. Dieser Mann ist eine unbeugsame Natur, die Recht und Gerechtigkeit über alles stellt. Ein Junger von den Kroaten alten Schlages.

So trat er auch in der Folge unerschrocken für die Rechte der Kirche ein, wie er es bislang jeder staatlichen Macht gegenüber getan hatte. Es mochte diese seine Haltung vielleicht auch aus dem Bewußtsein eines Menschen entsprungen sein, der in sich die Berufung fühlt, vor dem seiner Führung anvertrauten Volke in einer Zeit der schwersten Heimsuchung und auch der Versuchungen ein Beispiel mannhafter Glaubenstreue zu geben. Schon als er 1937 nadi dem Tode des Erzbischof Dr. Bauer dessen kirchliches Erbe übernahm, machte er offenbar, wie er zu seinem Amte stehe, das in dieser schweren Zeit der letzte Hort der übernommenen Menschlichkeit und der Gewissensfreiheit zu sein hatte. So selbstbewußt er auch war und welch eindeutige Sprache er zuweilen weltlichen Mächten gegenüber führte — in seiner Ansprache an den Prinzregenten Paul anläßlich dessen Besuches in Agram hatte er das Thema behandelt: „Wie ein Herrscher zu sein hat...“ — er enthielt sich jeden Versuches einer Einmengung in die Dinge der Politik. Dies auch dann, als die neue politische Situation, wie zum Beispiel die Schaffung der rein katholischen Banschaft Kroatien, dazu vielleicht Gelegenheit und Anlaß gegeben hätte.

Die Machthaber des unter deutsch-italienischer Okkupation geschaffenen kroatisdien Staates wußten, daß Erzbischof Stepinac nicht ihr Mann war. Er war deutlich genug gewesen. An die deutsche Okkupationsmacht hatte er die tapferen Worte gerichtet:

„Es wäre falsch, von einer neuen Ordnung zu sprechen, und komme sie, woher sie wolle, wenn in dieser Ordnung nicht die Persönlichkeit des Menschen anerkannt wird, die unsterbliche menschliche Seele, die über allen Systemen steht, die ihre unveräußerlichen Rechte hat und die ihr keine menschlid}e Gewalt besdiränken kann oder darf.“

Seine zahlreichen Hirtenbriefe hielten den Machthabern schonungslos die Wahrheit vor. Schwer trafen die Proteste, die der Erzbischof an den kroatischen Staatsführer und die Okkupationsbehörden richtete, als er auf das schärfste gegen die Hin-metzelungen der serbischen Bevölkerung und gegen die Judenverfolgungen Stellung nahm. Ja, er veranstaltete — zum Ingrimm des deutschen Gesandten in Agram — eine öffentliche Sammlung für die Juden! „Jedes Volk und jede R a s s e“, so hieß es in seinem Hirtenbriefe, „hat das Recht auf ein Leben, würdig eines Menschen und auf eine menschenwürdige Behandlung. Niemand hat das Recht, auf eigene Faust zu töten oder auf andere Weise die Mitglieder anderer Rassen zu schädigen.“ Auch den Zwangsübertritten von der orthodoxen zur katholischen Kirche, die ihm dann von der Anklage angelastet wurden, ist gerade er, wie das ganze Land weiß, auf das .entschiedenste entgegengetreten. Diese Übertritte wurden von den kroatischen staatlichen Stellen betrieben, aus rein politischen Motiven, um auf solche Weise die zahlreichen serbisch-kroatischen Mischgebiete innerhalb des kroatischen Territoriums kroatisch zu machen. Bekanntlich gilt in Kroatien dieser Religionsunterschied auch als nationale Unterscheidung zwischen Kroaten und Serben. In der Macht der Kirche lag es nicht, diese Übertritte zu verhindern. Es blieb ihr nur der öffentliche Protest.

Wie er auch damals gegen Unmenschlichkeit und Gewaltherrschaft vorbehaltlos eingetreten war, so tat es der Erzbischof auch nach dem neuen Machtwechsel. Konnte er denn audi, durfte er schweigen, wo über 400 Priester hingerichtet, unzählige andere in Konzentrationslager geworfen worden waren, wo ein Priesterseminar im Lande nach dem anderen geschlossen wurde, die Presse sich in ständigen Angriffen gegen die Kirche und seine Person erging, wo dem Volke die Möglichkeit jeder freien christlichen Lebensäußerung genommen war? Ungeachtet der gegen ihn ausgestoßenen Drohungen ließ Erzbischof Stepinac nicht ab, für die Freiheit des Bekenntnisses und der Person einzutreten. Wenn das Volk sich nun immer enger um ihn scharte, wenn dem bedrängten Volke die Kirche zur letzten Zufluchtstätte und zum geistigen Rückhalt wurde, war es seine Schuld und war des Erzbischofs Eintreten für Mensdilichkeit und Recht ein Verbrechen gegen den Staat?

Bereits während des Prozesses bekundete die Bevölkerung offen ihre Verbundenheit mit ihrem geistigen Führer. Vor dem Agramer Dom staute sich die Menge dermaßen, daß die Polizei einschritt.

Volk und Kirche sind nun ihres Führers beraubt. Aber die Augen dieses Volkes werden ihm auch in die Gefangenschaft folgen. Vor ihnen steht in heroischer Größe sein Beispiel.

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