Scheeler Blick nach Westen

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Der Aufbruch nach Europa stellt die traditionell starke katholische Kirche Kroatiens vor ganz spezifische Probleme.

Vergleicht man aktuelle Selbstdarstellungen der katholischen Kirche Kroatiens mit kritischen Stimmen von außen, so möchte man meinen, es handle sich um zwei verschiedene Institutionen. So setzt Ivan Mikleni´c, der Chefredakteur der überaus lebendig gestalteten kroatischen Kirchenzeitung Glas koncila, in seinem Beitrag für die Kirchenzeitungen der Teilnahmeländer des Mitteleuropäischen Katholikentags historisch bei der Kirchenverfolgung der Kommunisten an und blendet in der Gegenwart politische Implikationen weitgehend aus. Sein Interesse gilt der innerkirchlichen Entwicklung und dem "Bauplatz der Zukunft".

Vjekoslav Perica hingegen, einst Mitarbeiter der Wochenzeitung Nedjeljna Dalmacija und jetzt Geschichtsprofessor an der Southern Illinois University, legt in seiner Auseinandersetzung mit den "Balkan Idols" den Zeigefinger auf den Unabhängigen Kroatischen Staat (NHD) des Ustascha-Führers Ante Paveli´c, der der kommunistischen Verfolgung vorangegangen war, und auf die Ära des Präsidenten Franjo Tudjman, die dem Kommunismus folgte. Perica geht so weit, der katholischen Kirche in Kroatien (und mehr noch der orthodoxen in Serbien) das Kirchesein abzusprechen, während er im Jugoslawismus Marschall Titos eine Zivilreligion amerikanischen Zuschnitts erblickt.

Schlüsselfigur Stepinac

Gemeinsam ist allen Darstellungen die Fokussierung auf Kardinal Alojzije Stepinac. Um ihn kann niemand einen Bogen machen, wird er doch von der Kirche mit Nachdruck in den Mittelpunkt gerückt. Seit 1997 ruht der Bekennerbischof im Dom zu Zagreb für alle sichtbar in einem gläsernen Sarkophag, im Jahr darauf wurde er von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen, und eine Heiligsprechung wird wohl eines Tages folgen. Wie bei allen Erhebungen von Personen des öffentlichen Lebens zur Ehre der Altäre ist auch bei Kardinal Stepinac zwischen der persönlichen Tugendhaftigkeit und dem politischen Wirken zu unterscheiden - aber bei wenigen fällt dies so schwer wie bei ihm.

Zumindest dies kann man wohl sine ira et studio festhalten: dass Stepinac im Kommunismus aus dogmatischen Gründen das größere Übel erblickt hat als im Faschismus. Selbst ein hagiografisches Werk wie Ernest Bauers Stepinac-Biografie vermag aus dem Munde des Erzbischofs von Zagreb zwar ausdrückliche Verdammungen des Kommunismus als "System" anzuführen, aber keine grundsätzliche Verurteilung des Programms der Ustascha. Stepinac geißelte mutig "Auswüchse" wie die Verfolgung von Juden und Orthodoxen, aber nicht den Faschismus als solchen.

Titoismus

Schwer tut sich die Kirche Kroatiens heute auch mit der Bewertung der Epoche des Kommunismus. Während die Homepage der benachbarten slowenischen Bischofskonferenz sowohl die Gräuel der Nachkriegszeit beim Namen nennt als auch der Liberalisierung ab den sechziger Jahren breiten Platz einräumt, ist die Homepage der kroatischen sichtlich bestrebt, den durch das damalige Tauwetter ermöglichten Aufschwung unter den Teppich zu kehren.

Vjekoslav Perica erblickt im späten Titoismus sogar das "goldene Zeitalter" der kroatischen katholischen Kirche: Indem Tito den Nationalismus in der Politik unterbunden habe, sei er in die Kirche abgewandert und von dieser schließlich monopolisiert worden, was nach dem Kollaps des kommunistischen Regimes die Kirche den Nationalisten um Franjo Tudjman in die Arme getrieben habe.

Kirche des Westens

Dass die Kirche sich von der Fixierung auf ihre Rolle in der Geschichte und von ihrer exklusiven Bindung an die nationale Idee lösen muss, wird auch von Ivan Mikleni´c und den kroatischen Autoren der profunden Studien über "Gott nach dem Kommunismus" im Umfeld der Pastoraltheologen Paul Michael Zulehner, Miklós Tomka und András Máté-Tóth deutlich gesehen. Sie konstatieren bei anhaltend hohem Ansehen der Kirche eine Erosion der Glaubensinhalte, die ganz dem internationalen Trend entspricht.

Hier ist ein Aspekt hervorzuheben, der in diesem Ausmaß von den Teilnahmeländern des Mitteleuropäischen Katholikentags nur Kroatien eigen ist: Vor allem zu Zeiten Jugoslawiens war die katholische Kirche Kroatiens bestrebt, sich als Kirche des Westens zu profilieren und sich dadurch von der Orthodoxie abzugrenzen. Bei immer neuen Anlässen hat sie ihre Treue zu Rom hervorgestrichen, und die Päpste haben das auch zu würdigen gewusst, zuletzt durch die rasche diplomatische Anerkennung der Souveränität im Jahre 1992 (im Ustascha-Staat hatte sich der Heilige Stuhl wohlweislich mit der Entsendung eines Sondergesandten niedrigen Ranges begnügt).

Jetzt freilich sieht sich die katholische Kirche Kroatiens mit einem Westen konfrontiert, der ihr auf Grund ihres Selbstverständnisses fremd und suspekt sein muss: Konsumismus, sexuelle Freizügigkeit und generell Individualismus bedrohen die im Glauben gefestigte, monolithische, hierarchisch gegliederte, aber stets volksnahe Kirche mittelfristig in gravierender Weise. Die Autoren besagter Studien, aber auch weitblickende Bischöfe wie der Zagreber Erzbischof Kardinal Josip Bozani´c setzen daher auf verstärkte Erwachsenenpastoral und Förderung von Laien.

Herausforderung Ökumene

Pero AraÇci´c, Krunoslav Nikodem und Franjo ÇSanjek raten ihrer Kirche unverblümt, "die Tatsache der Pluralität der Gesellschaft" anzunehmen, und zwar auch innerhalb der Kirche. Die Kirche solle umstrukturiert werden "in eine Anzahl von Basisgemeinden, die den Bezug zum Gläubigen persönlicher machen und ihnen das Wachsen im Glauben ermöglichen würden".

Eine besondere Herausforderung der katholischen Kirche Kroatiens und im kroatischen Volk (auch die Auslandskroaten sind ein wichtiger Faktor im kirchlichen wie im gesellschaftlichen Leben) wird schließlich in der Ökumene bestehen. Da das Jugoslawien königlicher wie kommunistischer Prägung in der Herstellung geschwisterlicher Beziehungen zwischen den Völkern und Konfessionen versagt hat, richten sich alle Hoffnungen auf einen Beitritt der Nachfolgestaaten zur Europäischen Union. Es ist zu hoffen, dass der Mitteleuropäische Katholikentag in Kroatien nicht zu einer Neubelebung der Bollwerksmentalität führt, sondern zu einer Öffnung.

Gelegenheit dazu bietet insbesondere das große Familiensymposion vom 23. bis 25. April in Zagreb, bei dem die so unterschiedlichen Erfahrungen aus den Teilnahmeländern des Mitteleuropäischen Katholikentags ausgetauscht werden können.

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