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Der Mitteleuropäische Katholikentag könnte den Katholiken in Bosnien-Herzegowina helfen, aus den Engführungen der Vergangenheit herauszufinden.

Bosnien und Herzegowina (das Bindewort im Staatsnamen sollte nicht unterschlagen werden) ist das einzige der acht Teilnahmeländer am Mitteleuropäischen Katholikentag, in dem die Katholiken eine konfessionelle Minderheit bilden. Während Rumänien und die Ukraine mit ihrer weit höheren Katholikenzahl als Veranstalter draußen blieben, hat man Bosnien und Herzegowina einbezogen. Ein Fernhalten wäre vor allem gegenüber Kroatien nicht zu argumentieren gewesen, ist doch die katholische Kirche im einstigen Kernland Jugoslawiens mit der kroatischen Volksgruppe so gut wie ident.

Es verspricht sich aber auch kein anderes Teilnahmeland von dem Großereignis so viel wie Bosnien und Herzegowina. Das Interesse ist ein essenzielles: Man will wahrgenommen werden. Mit dem Ende des Bosnienkrieges 1995 ist die Anteilnahme des Auslands schlagartig erloschen und flackert nur mehr auf, wenn Unruhen die Stabilisierung des Landes bedrohen oder die Jagd auf Radovan KaradÇzi´c wieder einmal fehlschlägt.

Schwierige Ökumene

Die Reaktionen von katholischer und orthodoxer Seite auf den jüngsten Versuch, den einstigen Präsidenten der Republika Srpska festzunehmen, werfen auch ein Schlaglicht auf die unterschiedliche Betroffenheit der Kirchen in dem multikonfessionellen Staat: Während der in Belgrad residierende serbisch-orthodoxe Patriarch Pavle die gewaltsame Stürmung des Pfarrhauses anprangerte, in dem KaradÇzi´c vermutet wurde, und in Abrede stellte, die orthodoxe Kirche würde diesem Unterschlupf gewähren, äußerte Pero Sudar, der katholische Weihbischof von Sarajewo, hier werde ein Spiel gespielt: "Mit der tollen Technik, die es mittlerweile gibt, ist es doch völlig ausgeschlossen, nicht zu wissen, wo genau er sich gerade aufhält." Und er fügte hinzu, die Lage in Bosnien werde "von Monat zu Monat und von Jahr zu Jahr schlimmer".

Wenn also ein Mitteleuropäischer Katholikentag und kein ökumenischer Christentag gefeiert wird, so hat auch dies eine bosnisch-herzegowinische Konnotation, denn in keinem der Teilnahmeländer ist die Ökumene so schwierig zu leben wie hier. Hatten manche Auguren während des Papstbesuchs in Banja Luka im Juni des Vorjahres ein Treffen Johannes Pauls II. mit Patriarch Pavle erhofft, so erschien schließlich nicht einmal der Metropolit aus Sarajewo zum Willkommensgruß.

Schatten der Vergangenheit

Auf der nordbosnischen Stadt lasten die Schatten der Vergangenheit auch besonders schwer. Der Papstgottesdienst fand am früheren Standort jenes Franziskanerklosters statt, zu dessen Konvent Miroslav Filipovi´c-Majstorovi´c gehörte, der im Zweiten Weltkrieg zusammen mit 12 Ustascha-Angehörigen im nahen Drakuli´c eine Volksschule stürmte und einem Kind eigenhändig die Kehle durchschnitt. Zeitweilig kommandierte der danach vom priesterlichen Dienst suspendierte "Bruder Satan" auch das kroatische Konzentrationslager Jasenovac, in dem mindestens 50.000, nach serbischen Angaben bis zu 700.000 Menschen zu Tode gekommen sind. Bosnien gehörte im Zweiten Weltkrieg zum "Unabhängigen Kroatischen Staat" von Hitlers Gnaden.

Im Krieg der neunziger Jahre wiederum wurde das Franziskanerkloster von Serben zerstört. In der Diözese Banja Luka ist die Katholikenzahl von 240.000 im Jahr 1991 auf 42.000 im Jahr 2001 gesunken. Die Rückkehr von Vertriebenen geht schleppend vor sich. Bischof Franjo Komarica, zugleich Vorsitzender der Bischofskonferenz, ist nie von seinem Posten gewichen und wird nicht müde, die Aufmerksamkeit und tatkräftige Hilfe der internationalen Gemeinschaft einzumahnen.

Bischofsworte, unverblümt

Ganz anders ist die Situation in der westlichen Herzegowina, wo die Kroaten, nicht zuletzt auf Grund der ethnischen Säuberungen im Zweiten Weltkrieg, heute die überwältigende Bevölkerungsmehrheit stellen. Hier ist man enttäuscht, weil das Gebiet nicht - wie von Franjo Tudjman geplant - Kroatien angeschlossen wurde. Zumindest möchte man aus der Kroatisch-Muslimischen Föderation ausbrechen, in welche die katholischen Kroaten mit den muslimischen Bosniaken zusammengespannt wurden. Und gegen Tendenzen des von der internationalen Gemeinschaft eingesetztenHohen Repräsentanten in Sarajewo, das Schulwesen von Bosniaken, Serben und Kroaten wieder zu vereinheitlichen, setzt sich der Bischof von Mostar, Ratko Peri´c, heftig zur Wehr. Er scheut sich nicht, Paddy Ashdown "Unwahrheiten" etwa über die realen Bevölkerungsverhältnisse vorzuhalten.

Für seine wenig zimperliche Wortwahl war auch Peri´cs Vorgänger Pavao Zani´c bekannt, in dessen Amtszeit die ersten Marienerscheinungen im herzegowinischen Medjugorje fielen. Zani´c qualifizierte die Erscheinungen als "papageienhafte Vorstellungen einer komischen Show", und er meinte auch, die Verteidiger der Erscheinungen verdienten "den niedrigsten Platz in der Hölle". Hintergrund der Auseinandersetzung ist der bis heute nicht beigelegte, seit dem 19. Jahrhundert schwelende Streit um die Pfarrseelsorge zwischen dem Franziskanerorden, der in der ottomanischen Zeit ein pastorales Monopol hatte, und der von Leo XIII. wiedererrichteten katholischen Hierarchie - ein noch weitaus längerer Schatten der Vergangenheit als jener des blutigen 20. Jahrhunderts.

Solidarität vonnöten

Medugorje heißt auf Deutsch in etwa "zwischen den Bergen", und man ist versucht, dieses Bild auf das ganze Land zu übertragen. Friedrich Heer sprach in solchen Fällen von einer "Engführung": Wenn Konfession und Nationalität derart deckungsgleich zusammenfallen und wenn einem gleich zwei andere, ähnlich strukturierte Gruppierungen - serbische Orthodoxie und bosniakischer Islam - gegenüberstehen, muss es geradezu zwangsläufig zu Überreaktionen kommen. Schießen auf der einen Seite der Neretva die Minarette aus dem Boden, so setzt man auf der anderen ein riesiges Kreuz entgegen, was wiederum die Muslime verärgert, und so weiter und so fort.

Im 15. Jahrhundert sind laut Homepage der katholischen Bischofskonferenz 87 Prozent der Bosnier katholisch gewesen. Nach der Islamisierung, der großserbischen Agitation in der Zwischenkriegszeit, dem Aderlass des Partisanenkriegs, der Schwächung im Kommunismus und zuletzt dem Krieg der neunziger Jahre sind es heute 11,3 Prozent.

Angesichts einer solchen Hypothek verdienen alle Katholiken, die in Bosnien und Herzegowina einen neuen Anfang wagen, die Solidarität ihrer ausländischen Glaubensgeschwister, mögen sie sich nun im Gebet um die Gospa von Medjugorje scharen, "Europaschulen" - von (westlichen) kirchlichen Hilfswerken unterstützte Schulprojekte, die Kinder ohne Ansehen von Religion/Nation besuchen - und den interkonfessionellen und interreligiösen Dialog führen oder einfach Hand anlegen, um zerstörte Häuser wieder aufzubauen.

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