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Kroaten flüchten aus Serbengebieten

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Am 28. Juni wollen die Slowenen ihre Souveränität ausrufen. Kroatien folgt mit dieser Erklärung am 2. Juli. Soeben hat sich die kroatische Führung mit dem Referendum die Zustimmung der Bevölkerung geholt. Der Serbenterror in Ostkroatien geht weiter.

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Am 28. Juni wollen die Slowenen ihre Souveränität ausrufen. Kroatien folgt mit dieser Erklärung am 2. Juli. Soeben hat sich die kroatische Führung mit dem Referendum die Zustimmung der Bevölkerung geholt. Der Serbenterror in Ostkroatien geht weiter.

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Anti-kroatische terroristische Anschläge in den serbisch besiedelten Gebieten Kroatiens begleiteten das Referendum vom vergangenen Sonntag zur Unabhängigkeit Kroatiens. In der Nacht von Montag auf Dienstag waren in dem 100 Kilometer östlich von Zagreb entfernten Petrinja mehrere Explosionen zu hören. Die Terror-Aktionen der - wie es in Kroatien heißt - „eingeschleusten Serben" reißen nicht ab.

Kroatische Zeitungen feiern in dik-ken Lettern den „überwältigenden Sieg" der Unabhängigkeit Kroatiens. Von den 3,6 Millionen wahlberechtigten Bürgern Kroatiens nahmen 84 Prozent am Urnengang teil, 94 Prozent davon stimmten für einen „souveränen, selbständigen Staat Kroatien, der mit anderen jugoslawischen Republiken einen losen Staatenbund eingehen möchte". Nur vier Prozent votierten für den Status quo, für den „Erhalt Jugoslawiens als geeinten Bundesstaat".

Kroatische politische Beobachter interpretieren das Anliegen des Referendums und seinen Ausgang nicht als Versuch, Jugoslawien zu spalten; es sei um eine „etwas größere Selbständigkeit Kroatiens" gegangen, die die Serben nicht zulassen wollten. Ein Mitarbeiter des Zagreber Erzbi-schofs, Kardinal Franjo Kuharic, zur FURCHE: „Für das Verständnis unserer Situation ist es ganz wichtig, daß Kroatien mehr Selbständigkeit will, nicht auf die Teilung Jugoslawiens hinarbeitet." Begründet wird dieser Wunsch mit wirtschaftlichen Überlegungen* Die Serben hielten dementsprechende Gesetze nicht ein, deswegen könne sich auch die kroatische Wirtschaft nicht erholen.

Tausende Kroaten flüchten bereits aus den serbisch besiedelten Landesteilen. Größtenteils handelt es sich um alte Leute, deren Nachkommen als Gastarbeiter in Österreich oder in Deutschland beschäftigt sind. Verschreckt durch die nächtlichen Schießereien der selbsternannten serbischen Polizisten kommen sie nach Si-benik, Split, Sinj oderTmis. Sie wollen aus den teilweise schon abgeriegelten Dörfern möglichst rasch weg.

Die kroatische Kirche unterstützt die Politik der derzeitigen demokra-

tischen Führung Kroatiens, nicht jedoch die Partei von Präsident Franjo Tudjman. Kritisiert wird von Kirchenseite der Aufmarsch der Panzer in Kroatien, die Verlegung von Reservisten aus Serbien in die westliche Teilrepublik. Als bedrohlich empfindet man die Isolierung der Soldaten, weil man annimmt, daß die Armeeführung diese damit von umfassenden und objektiven Informationen der kroatischen Medien fernhalten möchte. „Es gibt bei uns momentan einen unbarmherzigen Medienkrieg", betont der Kuharic-Mitarbeiter, der zugibt, daß auch in Kroatiens Medien eine Art „Propaganda durch Auswahl" stattfindet.

Schwache Kirchenstimme

„Die Kirche Kroatiens müßte sich stärker zu Wort melden", meint der Mitarbeiter von Kardinal Kuharic. „Leider sind wir zu schwach organisiert." Überzeugt gibt er sich davon, daß die katholische Kirche Kroatiens auch protestieren würde, wenn in den derzeitigen Auseinandersetzungen auch Serben zu Schaden kommen würden.

Momentan wartet die Teilrepublik auf den „Erfolg" des sich als „legitimen Präsidenten Jugoslawiens" betrachtenden, aber noch immer nicht gewählten Kroaten Stipe Mesic, das Staatspräsidium einzuberufen. Während Slowenien, Kroatien, Mazedonien und vielleicht Bosnien-Herze-

gowina erscheinen werden, ist Serbien ungewiß, Montenegro hat bereits abgesagt. Mesic wiederum anerkennt nicht den von Serbien für das Staatspräsidium ernannten Vertreter Kosovos.

Das Thema „Bürgerkrieg" erhielt jetzt durch ein Interview des früheren slowenischen KP-Chefs Cirill Ribicic mit dem Zagreber Magazin „Danas" neue Nahrung. Der seinerzeitige Kommunistenführer glaubt, daß „die Serben zum Krieg" rüsten.

Die Kroaten ihrerseits glauben diese Wiederholungen und führen als Indizien die Einberufung von Reservisten durch Serbien und den verstärkten Panzeraufmarsch in ihrer Republik an. Kroaten sehen sich von der seit Jahrhunderten ansässigen serbischen Bevölkerung in Zagreb oder Split durch Solidaritätsmanifestationen in ihren Selbständigkeitsbestrebungen unterstützt und betonen, daß nur die serbischen Neuansiedler in Kroatien „so leicht emotionalisierbar seien".

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