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Jugoslawien: Auf Messers Schneide

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In Jugoslawien wird die Bürgerkriegsstimmung geschürt. Nach dem Massaker an kroatischen Polizisten wurde der Wagen des kroatischen Vertreters im Staatspräsidium, Stipe Mesic, beschossen. Der hatte sich aber entschlossen, an diesem Tag mit dem Flugzeug zu fliegen.

Mesic soll in der kommenden Woche, am 15. Mai, den turnusmäßigen Vorsitz im Staatspräsidium in Belgrad übernehmen. Und Stipe Mesic" ist auch der Verfechter einer Konföderation für Jugoslawien: eines Bundes unabhängiger Republiken, die nur über Finanzen, Außenpolitik und Landesverteidigung mit der Zentralregierung verbunden wären.

Radikale Kräfte in Serbien scheinen die Präsidentschaft des Kroaten verhindern zu wollen. Der Bürgerkrieg droht, obwohl allen einigermaßen Vernünftigen klar ist, daß er die schwere Krise des Vielvölkerstaates nur verschärfen würde.

Auch die Teilung aber würde Bürgerkrieg bedeuten. Zumindest die Trennung Kroatiens vom jugoslawischen Staatenverband. Denn in Kroatien leben 700.000 Serben. Und was geschähe mit den Kroaten in Bosnien, die dort ein Drittel der Bevölkerung ausmachen -zusammen mit Serben und Moslems? Die Verflechtungen sind zu eng. Endlich ist auch die EG wach geworden und Kardinal Kuharid wird versuchen,

durch Gespräche mit Orthodoxen auch auf kirchlicher Seite dafür zu sorgen, daß das aufgeheizte Klima wieder etwas beruhigt wird.

Jugoslawien befindet sich in einem dramatischen Umwandlungsprozeß, und die Armee als Schiedsrichter ist auf Dauer keine Gewähr für eine normale Entwicklung. Ansätze für eine solche Normalität können nur durch mühsame politische Gespräche erreicht werden.

Die Chance für eine Loslösung sehen aber jetzt die Slowenen. Sie wollen diese Chance möglichst bald nützen und die Voraussetzungen sind günstig. Slowenien sei zwar sehr geschätzt im jugoslawischen Staat, meinte dieser Tage Milovan Djilas in einem „Newsweek"-Interview. Doch der nun fast 80jährige einstige Mitkämpfer Titos und spätere Dissident fügte hinzu, er glaube, daß „niemand weinen" würde, wenn die Slowenen sich von Jugoslawien verabschiedeten.

Djilas konnte sich in dem Interview dann eine Bemerkung nicht verkneifen, die nicht nur in Slowenien, sondern auch hier bei uns in Österreich wachsame Nachdenklichkeit verdient. Im Falle eines Separatismus der Slowenen, so meinte der einstige Regimekritiker, werde Slowenien „als kleine Provinz seines Nachbarn Österreich enden".

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