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Nachvollzug der Realität

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Aus ehrlicher Sorge um einen Frieden im ehemaligen Jugoslawien hat Hubert Feichtlbauer (FURCHE 39/1991) versucht, klipp und klar das Zauberwort der Anerkennung von Slowenien und Kroatien zu problematisie-ren.

Man kann sicher die Meinung teilen, daß mit der Anerkennung nicht der Frieden ausbricht. Nun wissen wir es ja alle: die tägliche Drohung einzelner Staatsmänner war bisher nur die berüchtigte Rute im Fenster - ein Papiertiger, der keinen einzigen Panzer der Belgrader Militärdiktatur stoppte.

Die Anerkennung hat mehrere Aspekte. Auch einen moralischen: „Wir wollen damit zeigen, wer unser Partner auch bei Friedensverhandlungen sein soll", sagte eine Nationalratsabgeordnete während der Anerkennungsdebatte im österreichischen Parlament. Es soll auch festgestellt werden, daß alle Republiken ein demokratisch legitimiertes Parlament, eine gewählte Regierung besitzen -auch der serbische Präsident Slobodan Milosevic ist letztendlich durch eine Wahl ermittelt worden. Die sogenannten Bundesorgane-Regierung und Parlament - wurden von niemandem gewählt, sie sind daher niemandem Rechenschaft schuldig, eigentlich werden sie auch von niemandem vermißt.

Es ist daher auch nicht verwunderlich, wenn der „Bundes"-Minister-präsident Ante Markovic seit 26. Juni kein slowenisches Mitglied (einschließlich des stellvertretenden Regierungschefs) in der Regierung mehr hat und ihm jetzt auch noch die kroatischen Regierungsmitglieder in Scharen davonlaufen. Niemanden fehlen diese Minister, außer Herrn Markovic: seit mehr als 14 Tagen kündigt er erfolglos die Nachbesetzung der freien Ministersessel an.

Mit etwas mehr Phantasie könnte man somit auch sagen, daß nach geltendem Völkerrecht die jugoslawische Regierung ein Gebiet weder kontrolliert noch verwaltet, daß sich das Bundesparlament selbst aufgelöst hat und das nominelle Staatsoberhaupt Stipe Mesic nicht mehr das Territorium des .Jugoslawiens um Belgrad" betreten kann.

Slowenien als Vertragspartner

Das Regionalparlament von Kosovo, von serbischen Militärdiktatoren (nicht von den Serben) gewaltsam aufgelöst, tagt überhaupt nur noch auf dem Territorium der Republik Slowenien und rief diese Woche ein Plebiszit zur Selbstverwaltung aus.

Es kann auch ein polemischer Umkehrschluß erlaubt sein, den kürzlich der Völkerrechtsexperte Andreas Khol traf: Ist das Völkerrecht noch auf Jugoslawien anwendbar?

Unbestritten ist im Gegensatz die Tatsache, daß die Republik Slowenien eine eigene Regierung, ein gewähltes Parlament und eine funktionierende Verwaltung besitzt und das Territorium der Republik mit eigenen Sicherheitskräften, kontrolliert. An den Grenzen wehen auch nur Fahnen der Republik Slowenien, der merkwürdige EG-Wunsch nach dem Kom-munistenstern an den Grenzen war nur ein kurzes Zwischenspiel. Bei neutralen Beobachtern löste es ein Kopfschütteln aus. Den Grad der Betroffenheit der Bevölkerung, die soeben einen Krieg überstanden hatte, wollen wir lieber verschweigen...

Ein unwesentliches Detail zum Schluß: Kammer Atomkraftgegner hatten öffentlich das Schlußprotokoll über die energiewirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Republik Slowenien und Österreich, unterzeichnet von den Ministern Wolfgang Schüssel und MihaTomsic, kritisiert. Der slowenische Minister, so die Atomkraftgegner, habe nur eine Absichtserklärung für die Schließung des AKW Krskp abgegeben. Trotzdem investiere Österreich in Sloweniens Energiewirtschaft, formulierten die Kärntner ihren Vorwurf.

Leider setzt ein bilateraler Vertrag die Anerkennung voraus. Die Republik Slowenien wäre auch dazu gerne bereit, um mit seinen freundschaftlichen Nachbarn, auch im Interesse der beiden Staaten, normal zu verkehren, wie es sich eben für gute Nachbarn gehört. Anerkennung ist kein Zauberwort, sondern Nachvollzug der Realität.

Der Autor ist Leiter der Informationsabteilung der Slowenischen Vertretung in Wien.

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