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Zauberwort Anerkennung

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„Ein Diplomat ist ein Mensch, der die Paukenschläge der Staatsmänner in Harfenklänge verwandeln soll." Wenn Eugene O'Neill damit recht hat, ist den Beschwichtigungshofräten der EG und der UNO, die derzeit vorgeblich (und bisher auch vergeblich) um Friedenstiften in Jugoslawien bemüht sind, hohe diplomatische Kunst zu attestieren.

Das blutige Abschlachten geht weiter. Rundherum aber wird gar artig geredet. Eines der meistgebrauchten Zauberwörter heißt „Anerkennung". Auch in Österreich ist es zu ideologischen Ehren gekommen. Wenn unsere Regierung nur ganz rasch Kroatien anerkennen wollte, wäre dem Krieg ein Ende zu bereiten, wird vielfach suggeriert. Die Wahrheit ist natürlich erheblich komplizierter, und eine Balkanwahrheit noch viel mehr.

Nach geltendem Völkerrecht setzt die diplomatische Anerkennung voraus, daß eine Regierung über ein bestimmtes Staatsvolk in einem klar umrissenen Staatsgebiet tatsächliche Herrschaft ausübt. Bei einiger Streckung der Phantasie kann man das heute von Slowenien sagen. Von Kroatien gilt das sicher nicht: Es fehlen sowohl die klaren Grenzen wie auch die tatsächliche Machtausübung durch eine kroatische Regierung. Freilich muß man sich umgekehrt fragen, ob Jugoslawien noch ein anerkennungswürdiges Land ist: Die alten Grenzen gelten nicht mehr, da Slowenien praktisch nicht mehr dazugehört, und auch über Teile Kroatiens übt die Zentralregierung keine Herrschaft mehr aus.

Unbestreitbar ist freilich auch, daß eine Anerkennung Sloweniens und Kroatiens allein durch Österreich den beiden Ländern nicht wirklich helfen würde. Ein Alleingang macht noch kein Land zu einem Völkerrechtssubjekt. Daher verfolgt die österreichische Regierung die vernünftige Linie: möglichst viele angesehene Länder zu einer möglichst baldigen Anerkennung zu bewegen, mit der dann Österreich mitziehen kann.

Dann wäre es für die UNO leichter, eine konzertierte Aktion gegen den Aggressor zu organisieren. Voraussetzung dafür ist freilich, daß sich die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates darauf einigen, wer der Aggressor ist. Zumindest China will dabei nicht mittun. Also neuerlich eine Sackgasse.

Deshalb haben jene recht, die sagen: Zielführend wäre vor allem eine Niederringung der derzeitigen serbischen Machthaber. Nicht „Serbien" oder „die Serben" sind der Bösewicht, sondern die gegenwärtigen Machthaber der alten kommunistischen Garde, die freilich durch gewissenloses Aufputschen der nationalen Leidenschaften auch nichtkommunistische Volksteile auf ihre Seite gebracht haben, serbisch-orthodoxe Kirchenführer eingeschlossen. Das ist der Kern der Tragödie und der einzig sinnvolle Ansatzpunkt für eine Änderungsstrategie. Aber die Zeit rinnt schnell wie Blut.

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