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Randbemerkungen zur woche

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EIN INITIATIVANTRAG VON FONF ABGEORDNETEN der ersten Regierungspartei verdient besonderes Interesse. Eine Aenderung des bestehenden Ehe- und Personenrechtes wird vorgeschlagen, klarer und allgemeinverständlich: die Beseitigung des Zwanges zur staatlichen Trauung ist das Ziel. Seit Jahren wird diese Aenderung von der katholischen Bevölkerung angestrebt, immer wieder hat sie — zuletzt im Rahmen des Katholikentages — diese Forderung erhoben. Bis zur Stunde vergebens. Und dabei ist eine Lösung, die den Getählen der katholischen Bevölkerung wie den Interessen des Staates in gleicher Weise Rechnung trägt, doch so einlach und, etwas guten Willen vorausgesetzt, unschwer zu rinden. Der Initiativantrag der lünt Abgeordneten macht dies vor allei Oetientlichkeit deutlich. Darnach soll eine Ehe dann zustande kommen, wenn die Eheschließung vor dem Standesbeamten oder vor dem Seelsorger eines der Verlobten stattgelunden hat. Eine vor dem Seelsorger vorgenommene Trauung wäre für den staatlichen Bereich nur dann wirksam, wenn das Standesamt bescheinigt hat, daß kein Ehehindernis vorliegt. Nur wenn einer der Verlobten lebensgelährlich erkrankt ist, kann der Seelsorger die Trauung auch ohne eine solche Bescheinigung vornehmen. In das Familienbuch ist die Eheschließung vom Standesbeamten einzutragen. Wurde die Ehe vor dem Seelsorger geschlossen, so hat dieser den Standesbeamten davon innerhalb von drei Tagen zu verständigen. Die Eintragung in das Familienbuch hat aul dem Standesamt ohne Beisein der Ehegatten und der Zeugen zu erfolgen. Die Trauungsurkunden sollen für den staatlichen Bereich nur dann Geltung haben, wenn sie vom Standesbeamten ausgestellt sind. Andere Bescheinigungen, etwa kirchliche Dokumente, müssen an sichtbarer Stelle den Vermerk „Gültig nur lür den kirchlichen Rechtsbereich' tragen. Eine klare Lage: Ein Initiativantrag ist eingebracht. Er wird seinen Weg durch den Justizausschuß in das Plenum der Volksvertretung finden. Man kann schon heute gespannt daraui sein, wer aller lür diese wirklich freizügige Gesetzesvorlage die Hand heben wird.

WIEDER PARTEIUNIFORMEN? Gott sei Dank nicht in Oesterreich, aber in der Deutschen Bundesrepublik beschältigt diese Frage wieder die Gemüter. Durch die westdeutsche Volksvertretung wurde nämlich das ausdrückliche Verbot des Tragens von Uniformen bei Versammlungen als Ausdruck einer gemeinsamen Gesinnung aülgehoben. Ein Beschluß, der lebhalten Widerspruch In allen jenen Kreisen, die es ehrlich mit der jungen deutschen Demokratie meinen, hervorgerufen hat. Die In Düsseldorf erscheinende katholische Wochenzeitung „MICHAEL“ opponierte unter anderen ebenso heftig, wie das evangelische Blatt „Christ und Welt“. Und die Zeitung der Heimatvertriebenen, „Volksbote“ (München), bemerkte in einer ihrer letzten Ausgaben Hellend:

„Daß Soldaten Uniformen tragen, ist ja schließlich verständlich, und daß sie sich dadurch von den Zivilisten unterscheiden, auch notwendig. Aber, daß die Zivilisten selbst wieder das Recht erhalten sollen, Unitormen anzulegen, wenn sie diesem oder jenem Verband, dieser oder jener Organisation angehören, die aul die Uniformierung ihrer Mitglieder besonders Wert legt, ist bedenklich. Vor allem deshalb bedenklich, ja gelährlich, weil die Unilorm an und lür sich in vieler Augen nicht bloß einen besonderen Zauber ausübt, sondern auch zu einem demonstrativ zur Schau getragenen Bekenntnis, also zum trotzigen Beweis einer Trutzgesinnung wird. Wo aber Trutz demonstriert wird, wird er auch bewiesen, praktisch aul dem Rücken oder auch im Gesicht des anderen, des anders Gesinnten, des vielleicht anders oder überhaupt nicht Unilormierten. Die jüngste deutsche Vergangenheit bedarl keines weiteren Beispiels ... Freilich und ganz bestimmt ist die Unilorm nicht Selbstzweck. Ganz gewiß nicht. Sie verlangt, sie schreit nach mehr. Es gibt Deutsche, die sich vor dem drohenden Osten nicht schützen wollen, und deshalb eine Wehrmacht ablehnen. Statt einer Armee werden wir aber bald einige Bürgerkriegsarmeen haben, die sich zum Hailoh der ganzen Welt die Schädel einschlagen werden. Und es werden wirklich die dann morschen Knochen der deutschen Demokratie zittern.“

Inzwischen hat die westdeutsche Ländervertretung, der Bundestag, sich diesen Protesten angeschlossen und Schritte lür die Durchsetzung eines Unilormverbotes unternommen. Zu welchem Ziel sie auch iühren, die Frage „Wieder Parteiuniiormen?“ kann, sollte sie je auch bei uns wieder aul die Tagesordnung kommen, schon heute in und lür Oesterreich nur herzhalt beantwortet werden: Nein, nein niemals ...

DAS MILDERE LÜFTCHEN, das durch Europa weht und in den west-östllchen Streit einen etwas linderen Hauch bringt, hat die Adria noch nicht erreicht. Die Triester Frage ist von dieser sanlten Erwärmung jedenfalls noch nicht berührt worden. Hier zeigen sich noch grundlegende und unverhüllte Gegensätzlichkeiten. Die außenpolitische Wendung Jugoslawiens nach dem Westen ist solange labil, als die Westalliierten bei ihrer Erklärung vom 20. März 1948 verharren, daß das ganze Territorium des Triester Freistaates an Italien gegeben werden solle. Eine Abkehr von diesem Standpunkt Ist aber schwer denkbar, da die Westmächte Italien beim Aufbau eines europäischen Verteidigungssystems nicht entbehren können. Demgegenüber hat Sowjetrußland die bessere Position. Es hat sich noch vor dem Bruch mit Tito für die Beibehaltung des Triester Freistaates eingesetzt und kann dabei bleiben. Tito hat sich kürzlich in einer Rede zu der gleichen Forderung bekannt, denn wenn auch Jugoslawien dann die von ihm besetzte B-Zone aulgeben müßte, so würde Italien durch diese Lösung viel mehr verlieren — die Anwart-schatt aul den größten Adriahafen, den stärksten Konkurrenten des jugoslawischen Fiume. Italien widerstrebt schließlich dem jugoslawisch-griechisch-türkischen Pakt aus Besorgnis um seinen traditionellen Einlluß aul dem Balkan, wo es der Erbe der Donaumonarchie ist. Tito wieder erklärt: „Italien hat im Balkan nichts zu suchen, möge es aul der anderen Seite des Meeres bleiben, soweit als möglich.“ Heltige Presselehden sind die Folge und alle diese Erscheinungen finden ihren Brennpunkt im hauptsächlichen Streitpunkt: Triest.

CLAUSEWITZ UND DIE FOLGEN müßte man das Buch nennen, das vielleicht einmal über das letzte Kapitel der amerikanischen Militärgeschichte geschrieben wird. Denn die Amerikaner sind auf dem besten Weg, ihre eigene Wehrmacht nach Clausewitzschem Muster umzuformen. Gewiß sind alle Heeresteile der USA Verteidigungsstreitkrälie, lür die Erhaltung des Friedens berechnet und nicht lür den Beginn eines Krieges; aber die jüngsten Veränderungen in ihrem Oberkommando bedeuten nichts anders als die Schallung eines Großen Generaistabs, der noch vor einem Dezennium von den Alliierten als Organisation an sich in Acht und Bann getan wurde. Das abgesetzte Generalitätsteam bestand aus den bewährten Haudegen Bradley, Vandenberg, Colllns und Fechteier, die, wie dies eben in einer Demokratie üblich ist, der Truman-Administration hallen, die Außenpolitik der USA militärisch abzusichern. Dieser Gleichklang mit der demokratischen Staatsverwaltung machte sie für den republikanischen Präsidenten Eisenhower untragbar; er mußte wohl oder übel seine alten Waffengefährten in Pension schicken. An ihrer Statt beriet er ein Team militärpolitischer Strategen ins Oberkommando der (amerikanischen) Wehrmacht, die mit größeren Vollmachten ausgestattet werden sollen als ihre Amtsvorgänger. Die Admiräle Radlord und Carney und die Generäle Twining und Ridgway sind dalür bekannt, Befehlshaber im Sinne etwa der alten preußischen Militärtradition zu sein, bereit, dem Vaterland, nicht aber einer bestimmten Regierung oder einer Partei zu dienen Sie werden tun, was sie für gut befinden, und lassen, was ihnen mißfällt. Und es steht nur zu hoffen, daß das, was sie für gut belinden, der Welt zum Besten gereichen wird.

MIT DER AUFGABE DES ANGLO-AGYPTI-SCHEN KONDOMINIUMS im Sudan, das in Wahrheit einer unbeschränkten britischen Machtausübung gleichkam, hat Großbritannien lür die dadurch erhoffte Förderung des Nahost-Paktes einen beträchtlichen Kaufpreis bezahlt. Schrittweise hat es das Niltal geräumt: in Kairo und Alexandrien seine Flagge niedergeholt, die nun noch, neben der ägyptischen, drei Jahre lang in Khartum flattern wird. Ungeheure Kapitalien hat es am Oberlauf des Nils investiert und das durch die Mahdistenkriege verwüstete und entvölkerte Land zur Blüte gebracht. Und nun wird das Niltal unabhängig — oder später ägyptisch? Damit ist die britische Landbrücke nach dem Nahen Osten eingestürzt, der kühne Traum Cecil Rhodes' Jrom Cape to Kairo“, kaum Wirklichkeit geworden, wieder zerflossen. Aegypten hat sich in der arabischen Welt in den Vordergrund gespielt. Die Aussichten für den Abschluß des Nahost-Paktes scheinen an sich gegenwärtig nicht ungünstig. Die Diktatoren Aegyptens und Syriens, General Naguib und Oberst Schischekli, sind diesem Bündnis, wenn man dies glauben darf, keineswegs abgeneigt. Bei den Wahlen im Irak hat Nuri Said Pascha, ein überzeugter Anhänger des Paktes, gesiegt. Nach Eintritt Aegyptens in das westliche Verteidigungssystem würde die Opposition der anderen arabischen Länder wohl allmählich erlahmen. Aber noch steht die endgültige Lösung der Suezkanalfrage aus, die wieder eine arge Verschärfung erfahren hat, und die Spannung Israel—Sowjetunion kann das Vorzeichen neuer Komplikationen sein. Hat Großbritannien da nicht einen zu hohen Kaufpreis vorausbezahlt?

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