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Rotweißroter UNO Opportunismus?

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Während diese Zeilen gesetzt und gedruckt werden, diskutiert die Generalversammlung der Vereinten Nationen darüber, ob ihr beide China angehören sollen — dasjenige Taiwans und das kommunistische des Festlands — (wie es die Amerikaner vorschlagen) oder nur das letztere (wie es die Albaner und mit ihnen der Ostblock und seine Verbündeten wollen).

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Während diese Zeilen gesetzt und gedruckt werden, diskutiert die Generalversammlung der Vereinten Nationen darüber, ob ihr beide China angehören sollen — dasjenige Taiwans und das kommunistische des Festlands — (wie es die Amerikaner vorschlagen) oder nur das letztere (wie es die Albaner und mit ihnen der Ostblock und seine Verbündeten wollen).

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Welche Haltung wird Österreich einnehmen, wenn es zur Abstimmung darüber kommt?

Die Frage ist nicht nur im allgemeinen Sinn berechtigt. Während die Debatte in New York vor sich geht, ist der österreichische Außenminister von dort nach Hause geflogen, um sich mit seinen Kollegen und auch mit den Außenpolitikern der Opposition zu beraten. Ein Zeichen, daß er keinen sehr festen Auftrag bezüglich Chinas mitbekommen hatte und daß ihm vielleicht auch Zweifel ob seiner ursprünglich verkündeten Absicht, für den albanischen Antrag zu stimmen, gekommen sind. Es hat Zeiten gegeben, in welchen man am Baihausplatz seines Standpunktes gewisser war. Wir haben dieser Tage offenbar viel Ostwind über Wien…

In der Tat ist jedoch die Entscheidung über China von großer Bedeutung sowohl für die Weltpolitik wie auch — wenn auch auf ganz andere Weise — für Österreich und seine Außenpolitik.

Die Weltpolitik wird mit der Entscheidung, ob nur ein China (und zwar nur das kommunistische) oder zwei China (das erstere und das nichtkommunistische) für künftige ähnliche Entscheidungen „vorprogrammiert“: über Süd- und Nordkorea, über Süd- und Nordvietnam, und auch sogar bis zu gewissem Grad über die BRD und die DDR.

Für Österreich geht es dabei — so seltsam es klingen mag — um mehr: wenn man will, um die Seele seiner Außenpolitik. Es wird sich diesmal schwerlich — wie so oft in letzten Zeiten — in eine Stimmenthaltung flüchten können. Zu oft haben diese Stimmenthaltungen der Kleinen und aller, die sich’s nicht mit dem einen oder anderen Block verderben wollen, dazu geführt, daß gerade dadurch einer der beiden Blöcke — in letzter Zeit immer öfter der Ostblock — und nicht die Grundsätze internationalen Rechtes obsiegten. „Wenn“, sagte der israelische Außenminister Eban bei einer solchen Gelegenheit, „der Sowjet Vertreter proklamieren würde, daß die Erde nicht rund ist, sondern flach, dann wird dies mit den Stimmen des Sowjetblocks und seiner Verbündeten sowie infolge Stimmenthaltung eines bedeutenden Teils all jener, die es besser wissen sollten, durchgehen.“

Das gleiche könnte auch diesmal passieren.

Freilich hat Österreich derzeit ein besonderes Interesse, den Ostblock und seine Verbündeten nicht zu verärgern. (Es gibt immer ein besonderes Interesse, wenn man will.) Es hofft also auf die Unterstützung des Ostblocks für die Bewerbung Waldheims um den Posten des scheidenden UNO-Generalsekretärs. Diese Erwägung mag als patriotisch angesehen werden, ist sie’s aber wirklich?

Zur Anerkennung eines fremden Staates gibt es für einen Neutralen grundsätzlich nur eine Fragestellung: Ist das dort herrschende Regime eine ausreichend lang und fest etablierte und — nach politischem Ermessen — innerlich unumstößliche Tatsache — oder nicht? Keine andere Fragestellung ist dabei entscheidend. Nicht, mit welchen Mitteln das Regime seine Macht errungen hat und aufrechterhält, ob mit demokratischen oder militärischdiktatorischen, und auch nicht, ob es eine uns genehme oder unsympathische Weltanschauung vertritt. Dieser Standpunkt ist klar, und dieser Standpunkt bestimmte mehr oder weniger unsere Haltung und Beziehungen zum Spanien Francos, doch auch zuletzt bei unserer Anerkennung des kommunistischen Chinas. Es gilt aber auch genauso in bezug auf Taiwan, dem China der Kuomintang und Tschiangkaischeks. Nichts hat sich dort im pejorativen Sinn geändert, seitdem es 1945 Japan von der damaligen allchinesischen Regierung Tschiangkaischeks wieder abgenommen wurde, und auch nicht, seitdem die letztere nach der Niederlage im Bürgerkrieg ihren Sitz nach Taiwan verlegt hat. Das Regime ist seither eher stärker und gefestigter als schwächer geworden. Außenpolitisch besteht zwischen Österreich und Taiwan keine Gegnerschaft und somit auch diesbezüglich kein Grund, sich im Forum der Nationen gegen Taiwan zu stellen. Wenn daher Österreich trotzdem gegen das weitere Verbleiben Taiwans in der UNO stimmt oder durch Stimmenthaltung jene stärkt, die es wirklich draußen haben wollen, dann würde das nicht als eine ehrliche Stellungnahme gewertet werden, sondern als reinster Opportunismus. Und gerade den sollten sich ambitionierte Neutrale am wenigsten leisten.

Von der Festigkeit, mit der sich ein so kleiner, neutraler Staat wie Österreich bei seinen Entscheidungen von den Grundsätzen des internationalen Rechtes leiten läßt, schließt die internationale Umwelt, wie ernst er es mit seiner eigenen Neutralität meint. Daß man ihm das glauben kann, ist sein wichtigstes politisches Machtmittel inmitten der materiellen und militärischen Übermacht der Großen.

So meinen wir, daß auch der Bewerbung eines Österreichers um den höchsten oder jeden anderen internationalen Posten eher genützt als geschadet wird, wenn die außenpolitische Ehrlichkeit seines Heimatlandes außer Zweifel steht

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