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„Unhaltbare Ansprüche fallenlassen“

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Österreich hat diplomatische Beziehungen zur Volksrepublik China aufgenommen und hat die Regierung in Peking anerkannt. Dadurch werden sich unserer Wirtschaft hoffentlich gewisse Chancen bieten. Wir könnten also zufrieden sein. Aber ist die Formel der Anerkennung, zu Unrecht als Novität gefeiert (denn Kuweit hatte sie schon vorher verwendet), tatsächlich der Klugheit letzter Schluß?

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Österreich hat diplomatische Beziehungen zur Volksrepublik China aufgenommen und hat die Regierung in Peking anerkannt. Dadurch werden sich unserer Wirtschaft hoffentlich gewisse Chancen bieten. Wir könnten also zufrieden sein. Aber ist die Formel der Anerkennung, zu Unrecht als Novität gefeiert (denn Kuweit hatte sie schon vorher verwendet), tatsächlich der Klugheit letzter Schluß?

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Wenn ein neutraler Staat, der Kultur, ein gehobenes Niveau und Geist repräsentiert, auf einer neuen Bühne auftritt, sollte er bestrebt sein, eine eigenständige Position zu beziehen und neue Gedanken ins Gespräch zu bringen, die in die Zukunft weisen. Erweckt das Ergebnis der Besprechungen aber nicht den Eindruck, daß man sich den Wünschen des Verhandlungspartners allzu schnell gefügt und seinen Standpunkt kritiklos akzeptiert hat, ohne sich darum zu kümmern, welche Grundsätze man sich nunmehr zu eigen gemacht hat?

China ist — so wie Deutschland, Korea und Vietnam — ein geteiltes Land. Die in der Ideologie begründeten Unterschiede haben tiefgreifende Spaltungen verursacht und die Welt mit einer Fülle von Problemen belastet.

Wo die Grenze der ideologisch bestimmten Machtblöcke zwischen Staaten verschiedener Nationalität verläuft, ist die Reibung gering und die vollständige Abschnürung relativ leicht aufrecht zu erhalten. Wo jene Grenze aber das Staatsgebiet einer Nation durchschneidet, ist sie weit schwerer zu behaupten, weil die angestrebte Wiedervereinigung dem

Prinzip der ideologischen Abgrenzung widerspricht.

So sind diese Staaten zu neuralgischen Punkten geworden.

Trotz aller Unterschiede ist die Lage dieser vier gespaltenen Staaten ähnlich; sie bilden in gewissem Sinne eine Gruppe.

Eine nüchterne Prüfung der Lage — die Bestandsaufnahme der Gegebenheiten — führt zu dem Schluß, daß eine friedliche Wiedervereinigung dieser Gebiete derzeit unmöglich ist. So sind ideologische Grenzen heute noch schwerer zu überwinden als nationale.

Was Deutschland anbetrifft, mag zu Adenauers Zeiten die Hoffnung begründet gewesen sein, die „Zone“ würde eines Tages in den Sog der vom Wirtschaftswunder emporgetragenen Bundesrepublik geraten. In unseren Tagen ist das völlig illusorisch.

In Korea ist die Demarkationslinie nach hartem kriegerischen Ringen gefestigt worden.

Rotchina impft seiner Jugend vom zartesten Alter an den Haß gegen Amerika und kriegerischen Mut ein, Taiwan zu erobern.

Das Beispiel Vietnams aber zeigt am deutlichsten, daß jeder Versuch der Wiederherstellung der Einheit eines durch die Ideologie gespaltenen Landes zum erbitterten Krieg führt.

Aus diesen Lehren ist der Schluß zu ziehen, daß den Wiedervereinigungsbestrebungen im Interesse der Sicherheit der Menschheit entgegengetreten werden sollte.

Man wird die prekäre Lage am besten dadurch entschärfen, daß man für die allgemeine Anerkennung aller Teilgebiete als selbständige Staaten eintritt: für die Bundesrepublik, die DDR, Nordkorea, Südkorea, Nordvietnam, Südvietnam, Rochina und Taiwan. Es dürfte zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein tauglicheres Mittel geben, die vier großen Gefahrenherde abzukühlen. Diese acht Staaten sollten allgemein anerkannt und in die Vereinten Nationen aufgenommen werden.

Dieser Plan wäre nur im Zuge einer globalen Regelung als Ganzes zu realisieren.

Er brächte den Kommunisten die Anerkennung der DDR und Rotchinas, dem Westen aber entscheidende Erleichterungen in Vietnam, und auf weitere Sicht die Absicherung Nationalchinas auf Taiwan. Der Anerkennung Südvietnams müßte die Einstellung der Waffenlieferungen aller kommunistischen Staaten an Nordvietnam folgen.

Um einen ersten Schritt in diese Richtung zu tun, hätte Österreich anläßlich der Anerkennung der Pekinger Regierung zum Ausdruck bringen müssen, daß man bei uns Maos Machtbereich endgültig als das festländische chinesische Territorium ansieht. Jetzt bleibt, um den Boden für die skizzierte Wendung der

Dinge vorzubereiten, nur übrig, in nachträglichen Kommentaren deutlich zu machen, daß wir im gegenständlichen Falle eben nur an Kontinentalchina gedacht haben und Taiwan entschieden ausklammem.

Jetzt bliebe uns sinngemäß die Aufgabe, die Mächte dafür zu gewinnen, unhaltbare Ansprüche fallenzulassen, auf Projekte, die zum Krieg führen müssen, zu verzichten, aus gegebenen Sachlagen die Konse quenzen zu ziehen und einer globalen Bereinigung der gefährlichen Brandherde zuzustimmen.

Es wäre Österreichs Chance, als ehrlicher Makler aufzutreten. Das ist eine Rolle, die ein neutraler Staat spielen könnte und die angesichts der Bedrohung aller des ganzen Einsatzes wert ist. Zumindest aber wäre die Politik konsequent.

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