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Polit-Schachbrett Asien

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Auf einem Schachbrett der Weltpolitik - dem größten Kontinent Asien -sind die Figuren in jüngster Zeit ungewöhnlich intensiv in Bewegung geraten oder gesetzt worden. Freilich spielen hier nicht nur zwei gleich starke Mächte - wie in Afrika - um Einflußsphären, strategische Ziele und Verbündete, neben den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion ist auch die Volksrepublik China als dritte Supermacht am Ringen um Machtpositionen in Asien direkt beteiligt. Was sich hier innerhalb kurzer Zeit ereignet hat, wird und muß Langzeitwirkung auf die Asien-Politik dieser drei Großmächte haben. Zuviel steht auf dem SpieL

Schon zu Beginn dieses Jahres zeichnete sich eine unruhige Zeit für den Kontinent ab: Die „feindlichen kommunistischen Brüder“ Vietnam und Kambodscha begannen nach monatelang andauernden Grenzscharmützeln einen regelrechten Krieg gegeneinander. Daß noch immer heftig gekämpft wird, läßt sich aus den immer wieder auftauchenden Meldungen über Grenzgefechte unschwer schließen. Weltpolitische Bedeutung erhielt dieser Krieg erst, als die vom US-Sicherheitsberater Brzesinki vertretene These vom „Stellvertreterkrieg“ bis heute nicht von Moskau und Peking eindeutig widerlegt wurde. Demnach geht es bei diesem Krieg im Grunde genommen nicht um einen Konflikt zwischen nationalistisch eingestellten Kommunisten, sondern um den Versuch Moskaus, seinen ideologischen Erzfeind China mehr und mehr einzukreisen. Peking muß diese Bestrebungen der Sowjetunion schon aus rein sicherheitspolitischen Gründen mit allen Mitteln zu verhindern versuchen. Auch wenn Peking dabei einen Staat zum Verbündeten erklärt hat, der in der gesamten westlichen Welt ob seiner grausamen Menschenrechtsverletzungen geächtet ist.

Und hier zeichnete sich einmal mehr das Leitmotiv der sowjetischen Asien-Politik ab: Bis in die späten sechziger Jahre und eigentlich auch heute noch war (und ist) Moskaus Asien-Politik auch Moskaus China-Poütik. Fast krampfhaft bemühte sich der Kreml, seine Bodentruppen entlang der chinesischen Grenze zu verstärken und die Pazifik-Flotte auszubauen und ver-

suchte mit allen möglichen politischen und ökonomischen Mittein die Ausdehnung des chinesischen Einflusses auf dem Kontinent zu verhindern. Diese Strategie hatte aber weder in Nordkorea noch in Vietnam zum Ziel geführt, weil ein Schulterschluß dieser beiden Staaten mit Moskau unweigerlich zu einem gefährlichen Konflikt mit dem mächtigen Nachbarn China hätte führen können. Die ganze Strategie des Kremls zielt letztlich darauf, einen cordon sanitaire um China zu bilden, damit das Reich der Mitte innerlich zu schwächen und es zu einer Anpassung an die Sowjetunion zu zwingen. Dieses Vorhaben ist bis jetzt kläglich gescheitert.

Dabei ist China nicht der einzige Widersacher Moskaus in Asien: Japan und die Vereinigten Staaten in Ost-und Südostasien, der Iran auf der westlichen Seite des Kontinents stehen gleichermaßen in einem scharfen Widerspruch zu den sowjetischen Bestrebungen in Asien. Und Moskau hat bislang nur erreicht, daß diese Gegner enger zusammenrückten, wenn es politische Vorstöße auf dem Kontinent versuchte.

Bis vor kurzem gab es auch wenig Anzeichen dafür, daß die Sowjetunion ein ernsthaftes Interesse daran gehabt hätte, kommunistische Revolutionsbewegungen in Asien zu fördern. Ganz

einfach darum nicht, weil die Aussichten auf solche Revolutionen nie besonders erfolgversprechend waren. Außerdem mußten die Sowjets ihre Beziehungen zu den amtierenden Regierungen verbessern, wenn sie sich neben Peking und Washington im Kämpf um politische Einflußsphären mitbewerben wollten. Dabei wäre jedwede Unterstützung für asiatische Revolutionäre hinderlich für diese Politik gewesen. Doch die jüngsten Ereignisse in Afghanistan, wo sich eine kommunistische Regierung an die Macht schoß, könnten einen Wendepunkt der sowjetischen Asien-Politik markieren.

Zwar ist Afghanistan eines der rückständigsten Gebiete der Welt, strategisch gesehen ist dieses Land jedoch eine Schlüsselstelle des gesamten Kontinents. Es grenzt an die Sowjetunion undChina.hatlangegemeinsame Grenzen mit dem krisengeschüttelten Pakistan und dem am asiatischen Mächtekonzert ebenfalls kräftig mitmischenden Iran. Gerade der Schah war es auch, der sich über den Putsch in Kabul äußerst besorgt zeigte. Zurecht! Nicht nur daß ihm innenpolitisch die Sorgen in letzter Zeit auf Grund der Studentenunruhen über den Kopf zu wachsen scheinen, die Ereignisse in Afghanistan könnten dem Iran auch außenpolitisch noch schwer

zu schaffen machen. Denn jetzt hat das Land auch im Osten einen kommunistischen Nachbarn, von dem man noch so gut wie nichts weiß, nur daß er zwischen den beiden kommunistischen Großmächten ziemlich sicher zu Moskau tendiert.

Schienen bis vor kurzem gute Aussichten zu bestehen, daß in Südasien sich ein Machtgleichgewicht einpendelt, welches es für ausländische Staaten unmöglich macht, entscheidenden Einfluß zu gewinnen, hat der kommunistische Putsch in Afghanistan doch die Optimisten an einer solchen Entwicklung zweifeln lassen. Die „Zone des Friedens“, wie sie der Schah für den Indischen Ozean und den Persischen Golf konzipiert hat, bleibt demnach weiterhin nur ein Wunschtraum des Schah und Pekings, das eine solche Zone ebenfalls für gutgeheißen hat. Und solange es im eigenen Land des Schah schwere Unruhen gibt, scheint eine solche „Zone des Friedens“ auch für die anderen Staaten unglaubwürdig.

Stellt sich für Moskau jetzt also doch ein Erfolg in seiner Asien-Politik ein? Zunächst scheint es so. China hat das neue Regime in Kabul noch nicht anerkannt, weil es wahrscheinlich zurecht meint, daß hinter dem Putsch die Sowjets als Drahtzieher stehen. So ist Moskau bei der Einkreisung Chinas einen Schritt weiter gekommen, wenn Afghanistan und China auch nur einige Grenzkilometer gemeinsam haben. Und zwischen den beiden kommunistischen Todfeinden zeichnet sich keinerlei Verständigung ab. Im Gegenteil: Der jüngste Grenzzwischenfall am Ussurifluß, als sowjetische Soldaten mit Sturmbooten und Hubschraubern auf chinesisches Gebiet vordrangen, hat die Kluft zwischen Moskau und Peking nur noch vertieft.

Die jüngste Entwicklung eröffnet letztlich den Vereinigten Staaten eine Chance, ihren strategischen Einfluß nicht nur zu sichern, sondern auch ausdehnen zu können. Sicherheitsberater Brzezinski, der seit 20. Mai in Peking verweilt, scheint jedenfalls der geeignete amerikanische Außenpolitiker zu sein, der diese politische Entwicklung in Asien versteht und mit seinen chinesischen Gesprächspartnern die entsprechenden Gegenmaßnahmen einleiten kann. Denn für beide Großmächte und ihre Verbündeten ist die Situation bedrohlicher geworden.

Daß sich die USA nach ihrer Vietnam-Schlappe nicht wieder in einen Landkrieg auf dem asiatischen Kontinentverwickeln lassen, ist seit 1969, als Präsident Nixon die Guam-Doktrin verkündete, klar. Doch Washington muß alles daransetzen, daß seine strategischen Optionen im asiatischen Raum erhalten bleiben. Daneben ist die wirtschaftliche Zusammenarbeit ein erklärtes Ziel der Vereinigten Staaten, genauso wie die unter der Carter-Administration hinzugekommene Menschenrechtspolitik, die gerade in einigen südostasiatischen Staaten auch schon erste Erfolge zeigt.

Die offensiven sowjetischen Züge auf dem Polit-Schachbrett Asien blieben jedenfalls nicht unübersehen. Jetzt heißt es, für die USA und für China diesem Offensiv-Drang zu begegnen, um nicht einem Schachmatt in die Augen sehen zu müssen.

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