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Nixons asiatischer „Triumph“

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In Tokio erkennt man jetzt den wahren Erfolg der Asienpolitik Nixons. Steckt die Vietnamisierung des Vietnamkrieges zwar noch tief im Unrat, den die Wahl Nguyen Van Thieus hinterlassen hat, so nähert sieh Nixons Asiendoktrin doch der Verwirklichung.

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In Tokio erkennt man jetzt den wahren Erfolg der Asienpolitik Nixons. Steckt die Vietnamisierung des Vietnamkrieges zwar noch tief im Unrat, den die Wahl Nguyen Van Thieus hinterlassen hat, so nähert sieh Nixons Asiendoktrin doch der Verwirklichung.

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In allen politischen Zentren des nichtkommunistischen Asien richtet man sich darauf ein, daß Asienpolitik nun von Asiaten gemacht werden müsse; von jenen Asiaten, die gegen den „inneren Feind“ genug durchgreifen, um in Washington eines Kreditkontos würdig befunden zu werden, von den anderen Asiaten, die als kommunistische Großmächte stark genug sind, in Washington als Verhandlungspartner für den Entwurf des neuen Asienbildes anerkannt zu werden.

Da die schwächeren Mächte in Ost- und in Südostasien alle Versuche der politischen, militärischen, wirtschaftlichen Zusammenarbeit in der Hoffnungslosigkeit, Armut mit Armut zu addieren, aufgeben mußten, peilt man überall die asiatischen Großmächte an. Die Verankerung der eigenen Existenz im guten Einvernehmen mit den asiatischen Großmächten wird für die schwächeren Staaten Asiens um so lebenswichtiger, als eine Veränderung der Machtverhältnisse in Washingten durch die nächste Wahl keine Veränderung der amerikanischen Asienpolitik mit sich bringen würde. In den politischen Zentren Asiens beobachtet man genau, wie die traditionell „America First“-Republikanische Partei und die traditionell weltaufgeschlossene Democratic Party einander heute im Neoisolationismus hinauflizitieren. Washingtons kontemporäre Version der alten Forderung asiatischer Nationalisten, „Asien den Asiaten“, gibt für längere Zeit Peking, Moskau, Tokio die Karten zum Ausspielen.

Der asiatische Ahnenpaß Chinas und Japans kann nicht bezweifelt werden. Die UdSSR bemüht sich seit Dezennien, in Asien als asiatische Macht anerkannt zu werden; heute mit mehr Chancen des Erfolges als 1956 bei der afroasiatischen Konferenz in Bandung. Nixons Ankündigung, er werde erst nach Peking, dann nach Moskau reisen, verstärkt die Tendenzen der nichtkommunistischen Staaten Asiens, ihre Existenz in den Kraftfeldern der kommunistischen Großmächte

Asiens zu sichern. Nixons verächtliche Behandlung Japans führte dazu, daß Tokio unter den Völkern Asiens vorerst das Gesicht verloren hat. In Tokio selbst spürt man schneidend, was man als Schande ähnlich den „ungleichen Verträgen“ des vergangenen Jahrhunderts wertet. Die proamerikanische und merkantilistische „Transistoren- Außenpolitik“ geht mit der Ära Sato und im amerikanisch-japanischen Textilkrieg unter. Ein neuer Wille der Ebenbürtigkeit mit den Großmächten wirkt als Katalysator für den traditionellen Nationalismus der Rechten und den modernen Nationalismus der Linken.

Um auf diesem komplizierten Bild des neuen Asien nicht falsch zu setzen, müssen die schwächeren Staaten Ost- und Süstostasiens gleich zwei, besser noch drei asiatische Großmächte anpeilen. Seoul hält es nicht nur mit dem schuldbebürdeten Freundfeind Japan, sondern neuerdings auch diskret mit Moskau. In Saigon belastet Thieu durch seine „Treue“, was an USA-Prestige noch geblieben ist — sucht aber verzweifelt nach politischen Brückenköpfen mit finanzieller Ergiebigkeit überall im Lager der „Freunde“ und der „Feinde“ — von der Bank of China in Hongkong bis nach Johannesburg.

Pakistan, von Krisen erschüttert, versucht Washingtons Interesse nicht erlöschen zu lassen, Peking an sich zu binden und vergißt aber auch nicht Moskau; in der Not könnte ein neues Taschkent die Rettung sein. So hat die neue Asienpolitik Washingtons die Rivalitätskämpfe der kommunistischen Großmächte auf dem Terrain Asien verstärkt. In den politischen Zentren der schwächeren Staaten Asiens rechnet man, daß als Folge eine gegenseitige Schwächung der kommunistischen Großmächte möglich ist, die allgemeine Unsicherheit aber sicher. Tokio aber, knapp vor dem Ziel, entscheidende Großmacht zu sein, degradiert, ist in seiner Isolierung wieder zum unberechenbaren Element der asiatischen Politik geworden. Sucht Nixon die Beziehungen der USA mit China und mit der UdSSR durch seine Direktpolitik zu vereinfachen, so hat er die Wirrnis in der asiatischen Politik, die Ratlosigkeit in den Hauptstädten der nichtkommunistischen Staaten hoch- getrieben.

Leichteres Spiel wird in Zukunft haben, wer als asiatische Großmacht einen Plan zur Beruhigung des asiatischen Klimas vorlegen kann. Japan, von den USA durch Nixons Besuchs- und Textilpolitik zweifach fast knockout geschlagen, wird noch lange Zeit keinen Plan vorlegen können, besonders wenn er der „Koprosperitätszone“ unsäglichen Kriegsangedenkens nicht gleichen soll. China — außenpolitisch wieder hellwach — produziert zur Zeit nichts anderes als klassische Diplomatie oder revolutionäre Deklamation. Nur die UdSSR winkt mit einem Asienplan: 1969 hatte Bre- schnjew bei der Konferenz kommunistischer Parteien in Moskau über ein „asiatisches Sicherheitssystem“ gesprochen. Dann wurde geschwiegen. Jetzt, da die Unsicherheit in Asien sich ausbreitet, scheint die politische Inkubationszeit vorbei zu sein. Podgorny ließ bei seinem Besuch in Hanoi keinen Zweifel, daß die UdSSR ihre Anerkennung als Großmacht Asiens durchsetzen werde. Breschnjew sprach bei seinem Besuch in New Delhi in Tönen, die aus der Partitur des asiatischen Sicherheitssystems kamen. Im indischen Ozean sorgt man durch kluge Militär- und Wirtschaftspolitik, daß Asiens Sicherheitssystem, noch bevor es spruchreif wird, die nötige Machtbasis erhält.

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