Nichts ist geworden aus einem Zwei-Fronten-Kampf der Sowjets in Polen und Afghanistan, auf den ein Teil des afghanischen Widerstandes setzte. Auch Fundamentalisten jubeln.
Noch machen sie nur acht Prozent der indischen Bevölkerung aus: die Muslime. Doch schon im Jahr 2000 könnten es 25 Prozent sein. Gelder aus den reichen Erdölstaaten, eine hohe Geburtenrate und die Bekehrung von „Unberührbaren“ zum Islam machen es möglich. Die Hindus organisieren sich indessen zum Widerstand: auch mit Mitteln des Terrors.
Die Wahlen in der „größten Demokratie" der Erde, dem 640-Millionen-Reich Indien, haben das von politischen Auguren vorausgesagte Ergebnis gebracht: Ohne jeden Zweifel wird die 62jährige einstige Ministerpräsidentin Indira Gandhi, die vor knapp drei Jahren von der vereinigten Opposition geschlagen worden war, ins höchste Regierungsamt zurückkehren. 1977 erntete sie nach elfjähriger Regierungszeit die Früchte ihrer ins Totalitäre entarteten Herrschsucht. Jetzt erbt sie - unter anderen Schwierigkeiten - das Problem, gegenüber muslimischen Wählern nahezu unerfüllbare Erwartungen erfüllen zu müssen.
„Pakhtiar ist heute wie eine Kambodscha-Landschaft“, berichtete im Afghanen-Exil Peshawgr ein Flüchtling von einem Massaker, das kommunistische Regierungstruppen unter den Suna-Rebellen in der afghanischen Ostprovinz Pakhtiar angerichtet hatten. Diese Provinz war den Kommunisten Afghanistans im März dieses Jahres abgerungen worden und stand danach unter der Selbstverwaltung der Rebellen. Bis die kommunistischen Truppen, verstärkt durch zwangsverpflichtete Schiiten, zur Rückeroberung der Provinz antraten…
Die volkreichste Demokratie der Erde ist vergangene Woche erneut in eine Krise geschlittert: Nachdem 14 Kabinettsmitglieder Indiens Premier Morarji Desai den Rücken gekehrt und mindestens 50 Abgeordnete die regierende Janata-Partei verlassen hatten, mußte der 83jährige Regierungschef aufgeben. Verschärfte wirtschaftliche und soziale Spannungen haben diese Krisensituation ebenso herbeigeführt wie die allerorts verstärkt aufgeflackerten Religionskämpfe zwischen Hindus und Moslems. Hier sollen die Hintergründe der religiösen Konflikte ausgeleuchtet werden.
Österreichs Bundespräsident eröffnete die gemeinsame Konferenz der europäischen und arabischen Presseagenturen, die letzte Woche in Wien stattfinden sollte, vor halbleerem Saal. Wenig später war sie auch schon unrühmlich beendet.Die Vertreter der arabischen Agenturen hatten aus ihrem Hauptquartier im Hotel „König von Ungarn“ ein Ultimatum geschickt, die ägyptische Nachrichtenagentur MENA von der Konferenz auszuschließen. Die MENA-Vertreter befanden sich aber bereits im Saal. Die österreichischen Organisatoren konnten und wollten nicht eine Delegation entfernen, weil es ein Teil
Bei der Unionswahl vom 16. März ging es um Demokratie und um die Bürgerrechte. Das autoritäre Regime der Kongreßpartei und der Indira Gandhi wurde geschlagen. Die vereinte Oppositionsblock-Janata wurde zur Regierungspartei. Die Demokratie war wiedergeboren. Die Bürgerrechte waren - soweit es in diesem Land der 600.000 Dörfer und der fast 600.000 Dorfdespoten möglich ist - gesichert.
In der Woche nach der Wahl kam die Sommerhitze und es gab Gewitter und Sandstürme. Sie künden, wie man sagt, einen unberechenbaren Monsun an. Doch im Dorf Pithly bei Delhi können selbst die bösen Vorzeichen nicht alle neuerwachten Hoffnungen auslöschen. Wo früher Hoffnung und Angst nur in den kritischen Monaten herrschten, gibt es jetzt politische Erwartungen. Kritiklos und gehorsam hatte Pithly früher immer die Kongreßpartei gewählt. Aber an diesem 16. März 1977 haben sich fast 70 Prozent für die Opposition, für Janata oder den „Kongreß für Demokratie“, entschieden.
Ganz Südasien ist vom Wahlfieber ergriffen. Der totgesagte Demokratie-Bazillus ist also regenerationsfähig. Pakistan hat bereits gewählt. In Indiras Indien, in Sri Lanka (Ceylon) werden fast 300 Millionen Menschen zu den Wahlurnen gehen. Mehr als 800 Millionen werden von den Wahlresultaten betroffen sein. Echte Entscheidungen werden wieder mit dem Stimmzettel gefällt, einem Stimmzettel mit verschiedenen Parteien und Parteisymbolen zum Aussuchen. In Pakistan, das seit der Staatsgründung die Demokratie nur als turbulentes Zwischenspiel mit tragischem Ausgang gekannt hat, mögen Entscheidungen vorbestimmt sein. In Sri Lanka und vor allem in Indien, wo Demokratieentzug und autoritäres Regime immer nur verkrampfte Extempore waren, bleibt alles offen.
Ist es eine Indira-Version von Maos „Hundert Blumen“, oder ist es Ausdruck der inneren Gespaltenheit ihres Regimes? Nach 16 Monaten des Ausnahmezustandes und des strengen Pressereglements gibt es plötzlich in Indien wieder Diskussionen. Es geht um die von der Regierung vorgelegte Verfassungsreform.Sind die in der Verfassung festgelegten Grundrechte des Bürgers ma-jorisierbar? Können sie von einer Parlamentsmehrheit aufgehoben werden? Im Haus des Parlamentsklubs tagt zu ebener Erde die Konferenz für die Verfassungsreform. Im ersten Stock tagt ein Seminar der Gegner der Verfassungsreform
Nach dem scharfen Wind, der von der Vorkonferenz der Außenminister herüberwehte, war plötzlich alles auf politische Festwochen im Ferienparadies Ceylon abgestimmt. Der Gipfel begann. Die politischen Führer der Blocklosen, der Dritten Welt, waren eingetroffen. Die Auffahrt jedes Regierungschefs, am Buddha aus weißem Marmor vorbei, auf die Rampe der von China gespendeten Bandaranaike-Festhalle war eine Staats- und eine Glanzaffäre.
Achtundneunzig Männer, dunkelhäutig, kleingewachsen, hocken rund um das Bohrloch. Der Boden ist wie die Haut eines Wasserbüffels, der längst vergessen hat, wie Wasser ist. Aus dem Bohrloch wird erst Wasser kommen, wenn die Stromleitung für die Pumpe quer über das Ödland gelegt ist. Hinter ihnen, unter einer Tamariske mit gelben Blättern eng aneinandergedrängt, kauern die Frauen mit ihren Kindern. Seit einer Woche gehört das Land den achtundneunzig Familien. Unberührbare sind Landbesitzer geworden!
Sie haben George Fernandez verhaftet, in Kalkutta, wo der Kampfboden am heißesten, das Leben am bittersten ist, auf der Talsohle Indiens. George kam aus einer Enklave katholischer Armut im Süden Indiens. Er wurde in den Chawls der Hafenarbeiter, den grimmigsten Mietskasernen von Bombay, Sozialist. Er ist Präsident der Sozialistischen Partei Indiens, die nur noch als Briefkopf erlaubt ist, Präsident der Eisenbahnarbeitergewerkschaft, deren Rückgrat sie brechen wollen, und Führer eines einsamen Widerstandes im Meer des Hinnehmens und des Konformismus. Als er verhaftet wurde, war er
Das indische Regime hat das Steuer der Nachbarschaftspolitik um 180 Grad herumgeschwenkt. Von der Erbfeindschaft zum politischen Ausgleich mit China und Pakistan. Die Normalisierung der Beziehungen mit China ist schon vollzogen. Ein indischer Botschafter ist für Peking designiert. Ein chinesischer Botschafter wird nach Delhi kommen. Pakistan werden Verhandlungen mit dem Ziel der Normalisierung angeboten — plötzlich ist alles Wonne und guter Wille. Für das Regime des Ausnahmezustandes und auf dem Wege zur „Größe der Nation“ waren aber die Erbfeindschaften sehr nutzbringend; sie rechtfertigten mit der Wachsamkeit gegen den äußeren, auch die Wachsamkeit gegen den inneren Feind und verliehen dem „gemeinsamen Marsch“ den patriotischen Rhythmus.
Die Zwangssterilisierung ist von der Landesregierung des indischen Bundeslandes Maharashtra zum Gesetz erhoben worden. Wie barmherzig, im Vergleich zur Landesregierung des sandigen Bundeslandes Rajastan! Die trägt es an den Kindern aus.
Schattentanz und Schattenboxen haben eine uralte Tradition in China und in Südostasien. Das Pekinger Politbüro ist gegenwärtig Schauplatz eines solchen Spektakels. Man sieht oft gar nicht, wer mit wem boxt. Manchmal scheint jemand, vom Schatten eines gegnerischen Schlages getroffen, zu Boden zu fallen, ein anderes Mal fällt einer, ohne von seinem Rivalen auch nur berührt worden zu sein, aus dem Ring. Schatten verbergen oft die kurzen, starken, entscheidenden Schläge.Im Pekinger Politbüro ringen derzeit zwei oder drei Fraktionen miteinander. Jedenfalls wurde eine Kampagne gegen die
ICH finde, daß ein Neubau in Djakarta den größten Fehlschlag im Weltgeschehen seit 1945 symbolisiert: Ein Palast, für die Erwachsenenbildung bestimmt, gespendet von der Bundesrepublik Deutschland, bezugsfertig — jeder weiß, die indonesische Polizei oder Armee wird einziehen: Entwicklungshilfe für den herrschenden Apparat.Das Scheitern der Entwicklungshilfe hebt den Erfolg des Marshall-Planes auf, politisch und n wirtschaftlich. Sie hat das Solidaritätsgefühl in den westlichen Demokratien für die Ent-wicklungsländer fast ausgelöscht. Sie hat das Mißtrauen der Staaten, die heute
Die Kampfe im Libanon drohte] den Nahen Osten in Brand zu setzer die Detente zu sprengen, Moska-und Washington standen machtlo daneben, da brachte Damaskus dei Waffenstillstand zustande. Da Machtmittel war die indirekte In tervention. Palästinensische Einhei ten rollten aus Syrien in den Liba non ein und vereinten sich mit dei Palästinensern und mit den mili tanten Mohammedanern. Nach die sem Waffenstillstand liegen de Frieden und die Einheit des Li banon in den Händen der arabischei Kräfte; die Christen im Libanon sin< eine von allen Freunden verlasseni Minorität geworden, umgeben voi
Die Herbsternte war gut, denn der Monsun hat den erwarteten Regen gebracht. Die Frühjahrsernte wird gut sein, denn im Winter gab es einige Regentage. Nach Krisenjahren kann man wieder an die Selbsternährung des Landes denken; sogar in Indien könnten die Menschen optimistisch sein. Doch zwischen den Ernten, im Dezember und im Jänner, tagte die Nationalkonferenz der regierenden Kongreßpartei und tagte das Parlament. Was aus der Parteikonferenz in der Corbusierstadt Chandigarh kam und aus dem Parlament im Machtzentrum New Delhi, zerstört den Optimismus, wenn Optimismus so etwas wie Rückkehr zur Demokratie bedeutet, Pessimismus die Stärkung des autoritären Charakters im Regime. Parteiresolutionen wurden gefaßt, Gesetze beschlossen, Verfassungsreformen werden vorbereitet, die Indira Gandhis autoritäre, jeder Kontrolle entzogene Macht stärken. Die Wahl, in diesem Jahr fällig, wurde auf 1977 verschoben.
Der OPEC-Überfall vom 21. Dezember in Wien war die Vorschau. Tat, Flucht, vor allem das gute Ende in Algerien und in Libyen kündeten die Ausbruchsstellen und den Ablauf zukünftiger Krisen in der Dritten Welt an. Da die Krisen sich meistens an den Fragen der Beziehungen zum industrialisierten Westen eÄtzüntfen. wählen die Radikalen die Demokratien des Westens als Schauplätze ihrer Aktionen — risikolos und ohne große Angst vor den persönlichen Folgen kann man hier den Gemäßigten der Dritten Welt eine Lehre erteilen und zugleich die Demokratien demütigen.Theoretisch kann man die
Nun ist auch Laos Volksrepublik, per König hat „freiwillig“ abgedankt, ein kommunistischer Prinz wurde, wie das in Südostasien zur Regel geworden ist, volkdemokratisches Oberhaupt.
Der Staat, der im Dezember 1971 aus dem Sezessionskampf und Befreiungskrieg der Ostbengalen und der Inder gegen Pakistan entstanden ist, wächst sich zu einem politischen Monster aus: lebensunfähig, doch hochexplosiv. Massenelend und Massenlethargie sind Humus für die Rivalitätskämpfe der verschiedenen Machtgruppen und neuen Eliten. Die Not hat in den ersten Jahren den Kampf der Großmächte um Bangladesh gedrosselt. New Delhi, dahinter die Sowjets, waren „in“. Die anderenüber-ließen ihnen das wirtschaftliche und menschliche Ruinenfeld. Die Erhitzung der Kämpfe der Bengaleneliten lockte dann doch. Die Lockung wurde unwiderstehlich, als die Armee sich einschaltete: Putsch — Gegenputsch — Putsch, und hinter jeder Aktion eine Garnitur von Großmächten. Wie ein Sprengkörper, der nach beiden Richtungen losgehen kann, liegt „das goldene Bengalen“ zwischen Indien und China. Mit den Indern und den Sowjets war die Stoßrichtung bisher gegen Peking gerichtet. Die Militärs des letzten Putsches haben nun die Richtung geändert. Sie haben dabei die Kraft hinter sich, die heute alle Ostbengalen einigt: den Haß gegen den Befreierstaat Indien, gegen Indiens Partner, die UdSSR.
Am 3. November wurde wieder der internationale Flugplatz von Bangladesh gesperrt, alle Kommunikationswege unterbrochen. Zum dritten Mal im Leben des jungen Staates und innerhalb von fünf Jahren. Beim ersten Umsturz, der Befreiung, da war noch das Volk an den Vorgängen beteiligt, leidend und handelnd. Seither ist das Volk total unbeteiligt, ausgepumpt, lethargisch. Zwei Befreiungen, von den englischen Kolonialisten und von den westpakistanischen Unterdrückern, haben eine Auslese von Machthungrigen an der Spitze bewirkt. Die im Befreiungsgeschäft Großgewordenen kämpfen jetzt gegeneinander.
Indochina ist wieder von schwelenden Krisenherden bedroht Jetzt ist es offenbar, daß die Siege nicht vom Kommunismus errungen worden sind, sondern von den kommunistischen Mächten. Die Gegensätze werden kaum mehr verschleiert. Nach den Jahrzehnten der blutigen Befreiungskriege schleicht sich in Indochina der Kalte Krieg zwischen den kommunistischen Großmächten ein. Wenn es nach Hanoi geht, sind es jetzt ihrer drei. Hanoi meldet seine Ansprüche auf die Hegemonie in der Region drastisch an. Peking stemmt sich mit aller Kraft gegen die Großmachtarobitionen des Nachbarn, hinter denen, es, Moskaus Einkreisungspolitik vermutet. Moskau und Hanoi erscheinen auch eng miteinander verbunden.
Dreieinhalb Jahre nach Gründung des Staates Bangladesh wurde der Gründer, Scheik Mujibur Rahman, äm; 14. August 1975 ermordet und sein Regime ausgelöscht. Ein Monat nach dem Masr saker, in dem der Scheik und seine Familie ermordet wurde, bietet das neue Regime das Bild der gleichen Anarchie, die Mujiburs Regime gewesen ist, Zwei Untergrundarmeen wollen Mujibur rächen und einen Umsturz, der die alte Politik, der Moskau- und Dehlif reündschaft wiedererwecken soll, vorbereiten. Ein: prochinesischer Geheimbund in Chittagong nimmt den Kampf mit den Untergrundarmeeen auf und will einen beschleunigten und radikalen prochinesischen Kurs erzwingen. In Bangladesh würde schon längst wieder Bürgerkrieg herrschen, wenn es dort noch Bürger'mit der Kraft zum Kriege gäbe. So aber herrscht ein Banden- und Terroristenkrieg. Und die Herbsternte, die sich im leichten Regen des frühen Monsun so hoffnungsvoll angekündigt hat, wird von den Fluten des späten Monsun fortgeschwemmt. Bangladesh wird in diesem Winter weniger Nährung haben und mehr ausländische Hilfe brauchen, als in irgendeinem Jahr seit der großen Flut von 1970. Jedes Dorf in diesem Land gleicht einem der Schreckensbilder von Goya. Und selbst in Indien, dem Nachbarland, fragt man sich, wie weit es dort, in Bangladesh, noch kommen könne.
In den zerrütteten Regionen Südasiens weiß man heute, daß Erdöl eine der Triebkräfte hinter dem Coup von Bangladesh gewesen ist; chinesisches Erdöl. Sogleich nachdem die neuen Herren in Dakka mit dem alten Präsidenten Mujibur Rahman auch das alte Regime beseitigt hatten, lockerten sie die Beziehungen mit Indien und der UdSSR und verkündeten die Aufnahme diplomatischer und freundschaftlicher Beziehungen mit Pakistan und China. Die Befreier von 1971 waren plötzlich in Ungnade. Doch den pakistanischen Unterdrückern war der Völkermord längst vergeben, ihre chinesischen Freunde und Verbündeten standen in Dakka plötzlich in hoher Gunst. Kaum eine Woche nachher begannen die Chinesen, in Dakka die Eröffnung einer der größten Botschaften Pekings im Ausland vorzubereiten. Zu gleicher Zeit trafen die ersten Tanker mit Erdöl aus China in Chittagong, dem großen Hafen von Bangladesh, ein.
Der indische Landkoloß war die letzte Brücke; Indira Gandhi hat die Brücke gesprengt. Der Sprung geht quer durch die Welt, jetzt ohne Überbrückung: hier die Staaten der Demokratien, des demokratischen Leben^gefühls,. dort die Staaten der Diktaturen, dej,^torltärett l^bensformen. Ob der Sprung immer weiter auseinanderklafft und zum Abgrund wird, in dem alles versinkt — wer kann das heute ahnen?
Wer hätte damals gedacht, daß die Hinrichtung in Pakistan nur aufgeschoben war und dreieinhalb Jahre später in Bangladesh vollzogen werden wird? Doch 1971 wäre Scheich Mujibur Rahman unter den Salven der pakistanischen Unterdrücker seines Landes als der Führer des ostbengalischen Freiheitskampfes gestorben. Jetzt, aber 1975, mußte er unter den Revolverkugeln von Mitkämpfern von 1971, als ein gescheiterter Diktator, ein gescheiterter Staatsmann sterben. Hinter der Fronde der „Freunde“ Mujiburs steht als intellektuelle Kraft heute Syed Chawdhury, der erste Präsident der Republik, dann als Freund Englands ausgebootet und zuletzt von Mujibur als „Rettungsanker“ wieder aufgenommen. Jetzt hat er zusammen mit Khon-dakar Ahmed die Macht übernommen.
Die Ermordung des Mannes, den sie Bangabundu, Vater und Freund des Vaterlandes, genannt hatten, erschütterte die Menschen in Bangladesh nur wenig. Freiheit und Befreier hatten mehr Elend in das Land gebracht als vorher die pakistanischen Generale und deren Standrecht.
Am zehnten Tag des Ausnahmezustandes kamen die neuen Verordnungen: so etwa Schutzhaft ohne amtlichen Begründungszwang. Die Presse wird durch Instruktionen reguliert. Dem Beobachter aus Europa kommen beklemmende Erinnerungen und Assoziationen. Wie nennt man doch ein solches Regime in unseren Breitegraden? Hier in Indien herrscht jedenfalls postoperative Friedhofsruhe. Es bleibt die geflüsterte Frage: Wie kam es, wer steckt dahinter?
Der Jubel der (rechts-)kommunistischen Partei Indiens ließ Schlüsse zu. Eine Glückwunschbotschaft des größten Hindustahlbarons, Birla, verwirrte dann wieder. Offenbar spielt Indira Gandhi ein bewährtes Spiel: Gegeneinander Ausspielen von Links und Rechts. Doch im Nebel zeichnen sich neue Gestalten ab, junge Männer der „starken Hand“.
Ich war Tätzeuge. Ich habe gesehen, wie eine Demokratie erledigt worden ist. Sie hat sich nicht gewehrt. Die Mordwerkzeuge waren bürokratische Formeln. Man hat mit Formeln, wie mit einem Messer getötet. Diese kalte Tötung war unheimlicher, grausiger, als es eine blutige Tat gewesen wäre. Es bedurfte keines Staatsstreiches, nur einiger Minuten vor dem Mikrophon, und die große Demokratie der Dritten Welt, die einzige auf dem asiatischen Kontinent, klammert man Israel aus, war erledigt. Jetzt steht die westliche Welt, die doch fast nur Demokratien umfaßt, einer Dritten Welt gegenüber, die alle Demokratien in der Reichweite ihrer Gewalt als Fremdkörper ausgemerzt hat.
Der Rechtsstaat hat einen Triumph errungen, an dem die politische Demokratie zugrunde gehen könnte. Indira Gandhi ist vom Landesgericht ihres Wahlkreises wegen Wahlkorruption verurteilt worden. Das Urteil entzieht ihr das Parlamentsmandat, zwingt sie zum Rücktritt. Die Verurteilung kommt zu einem kritischen Zeitpunkt. Ihr Rücktritt wäre für ihre Partei und auch für Indiens Verbündete, die Sowjets, eine ernste Gefahr. Die Regierungspartei mußte eben eine Wahlniederlage einstekken, die erste, seitdem das Indira-Regime besteht. Und die Sowjets wollen mit einem stabilen Indien rechnen,
Nach jahrelanger Manipulation von allen Seiten urteilt der Westen: Die jetzt Unterliegenden in Vietnam sind Korruptioni-sten, Faschisten, eine CIA-Brut. Sie haben ihren Untergang vielfach verdient. Die Siegenden sind Revolutionäre. Sie fegen den Boden rein. Die Nachbarschaft sieht das alles nüchterner.
USA-Generalstabschef Georges Brown gibt'Saigon noch ein Jahr. „Sie kämpfen mit dem Rücken gegen die Wand.“ Wo ist die Wand, welche Wand? Konsequent haben “die KommuJ^sten * die ganze Welt mobilisiert.Und nach den gewonnenen Schlachten in Indochina kann eine Nahostkonferenz in Genf jetzt nur ein Kriegstribunal werden: Araber als Ankläger, die Sowjetunion als ihr Privatbete|lig-tenvertreter. Die USA als Ex-offo-Verteidiger, um kurze Verhandlungsdauer und geringe Geschäftsstörung bemüht.Israel der Angeklagte.
„Liebling der Götter“ nannte voH Resignation ßiloJMody; Führer .der, parlamentarischen Opposition, die Ministerpräsidentin Indira Gandhi. „Bas Pendel schwingt not Ii immer, wie sie es will.“Die Zeit der zarteren Gefühle für die USA sind vorüber: Ihr Herz ist nie dabeigewesen. Die Zeit des großen Spieles im Bündnis mit der UdSSR ist wieder da. „Indira ist eine königliche Fräü“, sägte Pilo Mody. „Sie hat Nehrus Verachtung für die USA. Und sie fürchtet Moskau. Im Grunde ihres Herzens zieht es sie immer zu der Kraft, vor der sie sich ängstigt.“
Die Regierungen sind durch ölpreise und Inflation immer tiefer in ihre Sackgassen getrieben worden und haben ihre Pläne längst aufgegeben. Die Oppositionen versickern in den Boden der progressiven Demoralisierung durch Not und Enttäuschung. Zur Jahreswende 1973 stand man unter dem Schock der Erdöl- timwälzung. Jetzt kennt man die Folgen. Unaufhaltsam, wie Lava aus unermüdlichen Vulkanen, breiten Energie- und Devisenschwund ihre tödlichen Decken über die Industriekomplexe in Indien, über die Produktionsstätten der anderen Staaten. Und damit verbunden, lähmt das Scheitern jeglicher landwirtschaftlicher Reform die physische Widerstandskraft der Hassen. Das gilt für die Staaten Südasiens, aber auch für die rohstoffarmen Staaten in östlicher Nachbarschaft des unglückseligen Subkontinents, für Burma und Thailand. Auf dem Territorium der Staaten Indien, Pakistan, Bangladesh, Ceylon, Burma, Thailand stieg die Bevölkerung im vergangenen Jahr um 2,9 Prozent, und das Nationaleinkommen um 0,4 Prozent.
Selbst Kalkutta ist ein Schlaraffenland aus der Sicht von ( Dacca und von Chittagong. In den Dörfern von Bangladesch er- ] innern sich Millionen von Menschen an das sorglose Leben als Flüchtlinge in den westbengalischen Lagern. Und der Hunger von 1974 ist nicht leichter ertragbar als es das Wüten der Paki- 1 stanis 1971 war. So zieht es die Menschen aus der Talsohle des Hungers, Bangladesch, in die Metropole der Flüchtlinge, Kalkutta, zurück. Doch der Empfang dort ist jetzt anders, als er es 1971 ‘ war. Die Brüderlichkeitseuphorie von West- und Ostbengalen ist ; in Haß und Mißtrauen zwischen Ost- und Westbengalen umge- ‘ schlagen. Die Westbengalen bieten den vor dem Hunger Geflohe- į nen keine Lager mit gesicherter Verpflegung. Und die ostbenga- c lische Regierung in Datca bezeichnet die Flüchtlinge vor dem Hunger als Deserteure. s
Kann eine gerechte Aufteilung der Nahrungsmittel der Welt den Hunger der Hungernden in den Ländern der dritten Welt stillen? Indiens Landwirtschaftsminister bietet den Schlüssel zur Beantwortung dieser Frage. Auf der Weltnahrungsmittelkonferenz in Rom gehörte er zu den radikalsten Anklägern des Westens, was der Westen an sein Vieh verfüttere, das würde den Hunger in der Dritten Welt überwinden. Doch in New Delhi sagte Jagjeevan Ram nach seiner Ernennung zum Landwirtschaftsminister, der Hunger in Indien sei nur zum Teil das Resultat von Naturkatastrophen; zum größeren Teil sei er „men-made“, von Menschen verschuldet, von jenen Indern verschuldet, für die Nahrung ausschließlich ein Mittel der Spekulation zur grenzenlosen Bereicherung, und Ernährung ein Privileg der Besitzenden ist.
Wer in Bangladesch sagt, „es kann nicht noch ärger werden“, gilt als Narr. Wer in Bangladesch sagt, „die Grenzen des Ertragbaren sind überschritten“, hat die vergangenen Jahre vergessen. Seit der Flut von 1970 ist es mit jedem Jahr ärger geworden. Und in jedem neuen Jahr wurde, was im vergangenen als Grenze des Ertragbaren erschien, weit überschritten. Der Nullpunkt, der für den einzelnen so absolute Gültigkeit hat, scheint für ein Volk ungültig zu sein. Der Flut von 1970 folgten 1971 Massaker und Krieg. Der Befreiung folgte Totalkorruption der Regierung, wachsender Hunger aus progressiver Lähmung. 1974 ist es wieder die Flut; doch die Flut konnte nur noch verkommene Reisfelder zerstören, durchlöcherte Dämme sprengen. Mit indischer Hilfe hat 1971 der Ministerpräsident Mujibur die Pakistaner besiegt. Nach indischem Muster will er heute der Krise beikommen.
Anfang Oktober war der Schah von Persien in Indien. Ende Oktober war Kissinger hier zu Gast. Die beiden Gäste des Monats Oktober markieren das Spannungsfeld, auf dem die rohstoffarmen Staaten Asiens ihren Weg suchen, allen voran Indien, auf dem Weg aus tiefer Armut zur Großmachtposition. Die Wegrichtung ist deutlich zu erkennen. Präsident Fords scharfe Sprache gegen die Preispolitik der Erdölstaaten beantworteten die destituten Staaten Asiens mit Deklarationen der Solidarität mit den Erdölstaaten. Der grandiose Empfang für den Schah von Persien in Indien galt zum Teil als Antwort auf Washingtons Drohungen.
Seit dem Frühjahr hat Indien alle Vorsicht fallengelassen. Früher hatte man sich in Delhi um eine Normalisierung der Beziehungen mit China — soweit es das Bündnis mit Moskau zuließ — bemüht. Jetzt aber ist New Delhis Asienpolitik ein ständiges Ignorieren, wenn nicht Provozieren Pekings. Sicher kränkt Moskau sich darüber nur wenig. Doch es ist unwahrscheinlich, daß Moskau die eigenwillige Indira Gandhi in eine Politik solcher Mißachtung des Nachbarn treiben kann. Und es hat den Anschein, daß Indien aus eigenem Antrieb den Kampf um die Position der ersten Großmacht Asiens aufnimmt. Die indischchinesische Feindschaft ist seit 1962 ein Axiom der indischen Politik. Die antichinesische Stimmung ist parallel mit den indischen Großmachtansprüchen gewachsen und reicht von links nach rechts. Die Atomexplosion hat das Selbstbewußtsein gestärkt. Jetzt aber glaubt man in Delhi, daß die Nachfolge-Mao- Probleme in China Indien als As in die Hände spielen könnten.
„Twelf Down“ — die großen Züge haben ihre Namen, und die großen Lokomotiven. Abfahrt Delhi — Junction 14 Uhr, Ankunft Patna 20 Uhr am nächsten Tag. Aber wird der „Twelf Down“, mit dem ich fahre, in Patna noch rechtzeitig ankommen? Werden sie ihn durchlassen? Auf den Kessel der Lokomotive hatten Eisenbahner „Last Train to Patna“ geschrieben: letzter Zug nach Patna. Die Uberschußpassagiere hängen auf den Dächern der Waggons wie lebende Teppiche. Vor Patna werden wir auf freier Strecke immer wieder auf gehalten; einmal von Streikenden, dann von Soldaten. Mein „Twelf
Ende August riß Indien die uneingeschränkte Kontrolle über das Himalaja-Königtum Sikkim an sich. Zur gleichen Zeit mit dieser neuen Grenzsicherung gegen China stieg in Indien die Inflationsrate dieses Jahres auf 28 Prozent und die Nahrungsmittelaufbringung fiel unter den Stand des Dürrejahres 1S73. Das alte Rezept — außenpolitische Machtausbreitung gegen wirtschaftliches Desaster —, funktioniert es in dieser Tiefenlagc noch?
Um ein Haar hätte Henry Kissingers Vernachlässigung der glosenden Brandherde Washingtons Erfolge beim Löschen der akuten Brände zunichte gemacht. Fast hätte Washingtons Fehleinschätzung der griechischen Obristen die NATO gesprengt. Und seit langem führt Washingtons Etikettierung von Maka-rios' Zypern als „das Kuba des Mittelmeeres“ zur Gefahr eines sowjetisch kontrollierten Ost-Mittelmeeres.So verheerend — und konsequent — können Fehleinschätzungen nur sein, wenn sie auf falschen Informationen beruhen. Hätte Washington mehr den Berichten der griechischen Demokraten getraut,
Solange in Portugal kein stabiles Regime herrscht, ist es um den südwestlichen Zipfel des westeuropäischen Konzeptes schlecht bestellt. General Spinola ist nach wie vor der unumstrittene Felsen des nachrevolutionären Geschehens. Und als neuer Regierungschef debütiert in diesen Wochen der führende Intellektuelle der Revolution des 25. April. Durch Terrorakte und Militäraktionen sucht die Befreiungsbewegung Frelimo den Übergang nach europäisch-demokratischen Spielregeln zu verhindern. Die Forderung nach bedingungslosem Abzug der Portugiesen ist zugleich eine Forderung nach
Der neue Herr ist in sein Ministerium eingezogen. Würdevoll und ruhig. Die Scheinwerfer waren abgeschaltet, Massenmedien nahmen kaum Notiz. Es wurde auch von Programmen nicht gesprochen. Befürchtungen und Hoffnungen ersterben in dieser Nüchternheit. Das war so, wie es der Persönlichkeit des neuen Außenministers entspricht und wie es der hohen Diplomatie und der traditionsreichen Beamtenschaft ziemlich erscheint.Doch die Aufgaben, die auf den neuen Außenminister zukommen, sind mit den Tugenden und Eigenschaften eines Modelldiplomaten nicht unbedingt kongruent. Sicher wird aber der neue
„Dort wird sich Europas Schicksal entscheiden“, sagte mir ein Diplomat mit Asienerfahrung aus der Umgebung des Bundeskanzlers. Wir sprachen über die Dritte Welt im allgemeinen, über Asien im besonderen. Und s war am Tag, nachdem der österreichische Außenminister Österreichs Bundespräsident geworden war.„Wo gibt es zwischen uns und unseren westlichen Nachbarn einen Berg Hebron, daß Waldheim und seine Österreicher uns dort jenen UNO-Geist und jenes Neutralitätsbewußtsein vorexerzieren, die wir in Asien nicht mehr kennen, und die im Westen außer Österreich, fast kein Staat je
Am 14. Juni sprach Breschnjew in Moskau über das Streben der Sowjets nach einem Abkommen zur Beendigung der unterirdischen Atombombentests. Das traf Washington unvorbereitet. Jahrelang waren alle Verhandlungen zur Beendigung unterirdischer A-Bomben-Tests an Moskaus Ablehnung jeglicher Art von lokaler Inspektion gescheitert. Bre-schnjews plötzliches Verlangen läßt Hoffnungen auf eine sowjetische Konzessionsbereitschaft zu.Die Motivierung? Sicher Moskaus Wunsch, dem alles verzehrenden Atomrüstungswettlauf ein Ende zu setzen; dahinter aber die Angst vor einer Atomtestinfektion in Asien.Denn:
Als er die Grenze überschritt, war er nicht mehr Watergate-Nixon. Auf der Reise und am Reiseziel Moskau ist er der Repräsentant der Vereinigten Staaten uneingeschränkt. Erst wenn er wieder amerikanischen Boden betritt, wird er mit der Last des innenpolitischen Mühlsteines fertig werden müssen. Ist diese Verwandlung ein Zaubertrick, Symbol für eine moralische Krankheit der Vereinigten Staaten? Moskau glaubt nicht an Zauberer und gibt sich nicht mit Totkranken als ebenbürtigen Partnern in der Weltpolitik ab. Die Verwand-lungsfähigkeit ist eher der Ausdruck der Kraft der Demokratie— der
Kaum hatte die österreichische Delegation Moskau verlassen, schaltete nicht nur die sowjetische Diplomatie, sondern auch die sowjetische Presse auf die Vorbereitung des nächsten Besuches. Dem Besuch des österreichischen Bundeskanzlers in Moskau wird um den 24. Juni die Reise des amerikanischen Präsidenten nach Moskau folgen. Und die Gespräche der Sowjetführer mit den Repräsentanten der neutralen Demokratie Österreich sollten die geeignete Atmosphäre für die Moskauer Gespräche mit dem Präsidenten der westlichen Großmacht erzeugen.War das die Absicht der Sowjets, so kann die Haltung
Mehr als fünf Monate hat es gebraucht, mehr als 3500 Leben hat es gekostet. Das israelischägyptische Truppenen'tflechtungs-abkommen manövrierte die UdSSR an den Rand des Nahost-Geschehens. Und jeder machte einfach seine Rechnung ohne den Wirt, der damals auf ein syrischisraelisches Abkommen rechnete. Je stärker sich Ägypten Washington näherte, desto dornenvoller wurde Kissingers Weg nach Damaskus. Als Kissinger, der Erfolgreiche, damals seine Erfolglosigkeit erkannte, öffneten sich neue Möglichkeiten: Washingtons eigentlicher Verhandlungspartner wurde wieder Moskau. Nachdem zwischen
Nur wenige Tage vor der Explosion der Testbombe in Raja-stan standen die Eisenbahner in ganz Indien noch im Generalstreik. Über die Grenzen der 17 Bundesstaaten trieb der Generalstreik die Krise des Indira-Regimes dem kritischen Punkt zu. Die Explosion der Testbombe unterbrach die Entwicklung der politischen Krise zur Explosion. Über die Grenzen der 17 Bundesstaaten löste eine befreiende Großmachteuphorie — wie nach Bangladesch — die Empörung und die Niedergeschlagenheit ab. Die Grenzen der Bundesstaaten haben bisher jede nationale Reform und jede nationale Rebellion verhindert Regierung und Exekutive bauten darauf. Doch der Generalstreik der Eisenbahner kann eine neue Epoche ankünden, in den Gewerkschaften, in der Gesellschaft, in der Republik der 600 Millionen Menschen.
Die Kommunisten haben in Westeuropa eine Wahl verloren. Moskau hat in Asien eine Atombombe gewonnen.Der Wahlausgang in Frankreich ist für Moskau im Moment kein schmerzender Verlust. Der Atomtest in Rajastan ist in Moskaus Nervenkrieg gegen China ein unermeßlicher Gewinn; freilich für später von ambivalentem Wert.Aus Mahatma Gandhis Freiheitskampf des gewaltlosen Widerstandes geboren, hat Nehrus „sanfter Riese“ unter Indira Gandhi Zähne bekommen — atomare. Bloß zum Kauen, sagt Indira. Wofür immer: den Nachbarn erscheinen sie wie die gefletschten Zähne, durch die ein Landgigant
Man spürte den Schlag von München bis nach Hamburg. Am Mittag waren die Auflagen aller Zeitungen verkauft. Das politische Leben stockte. Stärker als durch alle Verträge, hat die DDR mit diesem Schlag die „Wahrheit“ den Bundesdeutschen eingebläut — ihre Wahrheit: Es gibt zwei deutsche Staaten. Die Berliner Mauer ist nur die lokale Verdichtung der letzten gesamtdeutschen Wirklichkeit. Mißtrauen liegt zwischen den beiden deutschen Staaten und die zugleich begründete und — irrationale Angst, die jedes totalitäre Regime vor jeder Demokratie hat. In der ganzen Bundesrepublik erkannte
Breschnjews überdimensionale Investitionseinladung löste in Japan Bestürzung und Empörung aus: man hatte die Einladung erwartet. Als sie dann kam, blieb den panikanfälligen Japanern der Atem aus.Ministerpräsident Tanakas offizielle Residenz, nahe den in Frühlingspracht blühenden kaiserlichen Gärten, blieb Besuchern, auch den bestellten, einen Tag lang verschlossen. Endlich, nach Jahren vergeblichen Wartens, sollte Japans Wirtschaft den Weg in die sibirischen Weiten finden. Japanische Investitionen, in der Höhe von acht bis zehn Millarden Dollar — ungefähr ein Achtel des
Das könnte jedem passieren. Das ist so oft passiert Mangelhafter Sicherheitsvolkehrungen machen sich bei Gott nicht nur sozialistische Regierungen schuldig. Dennoch, dieser Spionagefall in Bonn ist nicht ein sensationeller Höhepunkt in der Routine des Spieles zwischen Spionage und Gegenspionage. Das Außergewöhnliche ist der politische Hintergrund. Ostdeutschlands bester Mann in Bonn agierte nicht im feindlichen Ausland, auch nicht in einem demokratischen Westdeutschland der Hoffnungen auf eine deutsche Demokratie für alle Deutschen Er agierte in einem Deutschland, das die Mauer
Die ganze Welt — nicht Nixon allein — steht unter dem Schatten des parlamentarischen Verfahrens. In den USA will zum ersten Male eine Majorität die Entbindung des Präsidenten von seiner Verantwortung (Harris-Poll: 43 Prozent für, 41 Prozent gegen Impeachment). In seiner eigenen Partei wächst die Ungeduld über den Parteiführer, der zum Parteiballast geworden ist.Vor der Schwelle des „Ovalen Büros“, dem Arbeitsraum des amerikanischen Präsidenten, steht der Vizepräsident der USA, Gerald Ford. Auf ihn sind jetzt die Blicke der Politiker und Staatsmänner auf der ganzen Welt
1973 beschloß das Parlament der Indischen Union, den Getreidehandel zu verstaatlichen. Das war im Auftrag der Unionsregierung der Indira Gandhi und mitten in der Dürre nach dem monsunarmen Jahr 1972. Die Getreidehändler waren dagegen. Der verstaatlichte Getreidehandel konnte den Folgen der Trok-kenheit nicht beikommen. Das Getreide wurde von den Großbauern und von den Getreidehändlern gehortet, und eine korrupte Bürokratie stellte die Weichen zu den schwarzen Märkten. Die Getreide- und die Reisfelder trugen nach dem guten Monsun im Sommer 1973 reiche Ernte. Doch die Rationsläden in den Städten blieben weiter leer. Im Frühjahr 1974 brachte das Versickern der Kunstdüngerversorgung infolge der ölpreiserhöhung dann die schwarzen Märkte zum Überfluten und die Preise weit außerhalb der Reichweite von zumindest vierhundert Millionen Menschen. Neun Monate lang ließ man zu, daß der Verteilungssozialismus in ein Verteilungschaos wuchs. Nun, da Getreidepolitik, Erdölpreis, Inflation durch Mangelwirtschaft ineinander zur unüberwindlichen Krise verwuchsen und Aufstände das Regime der sozialistischen Kongreßpartei gefährdeten, holte man die Getreidehändler wieder zurück.
In New York trat die UNO zu einer Sondersitzung „Rohstoff-unid Entwicklungsprobleme“ zusammen. Die Starbesetzung des Plenums zeugte von der Bedeutung des Themas. Doch im Februar war noch „Sondersitzung Erdöl“ auf dem Programm gestanden. Die Staaten der Erdöl-produktion waren dagegen. Sie zogen alle Register und sie erzielten ihr Ziel: Eine Sondersitzung nach ihrem Geschmack und mit ihrem Thema.„Erdöl“ hätte eine Gegenüberstellung von Erdölbesitzern und Erdölverbrauchern — den industrialisierten und den industrie-armen — geführt. Das neue und breitere Thema schweißt die
Die Konfusion in den westlichen Beziehungssystemen strebt einem Höhepunkt zu: Besinnung auf die Notwendigkeit der Zusammenarbeit in der NATO, doch englisch-kontinentale Zerreißprobe der Europäischen Gemeinschaft. Der Tod im Elysee schuf ein kurzes Intervall. Die Nachfolge wird entscheiden, ob dem neugestrafften Warschauer Pakt weiterhin ein wirtschaftlich und militärisch zerbröckelnder Westen gegengegenübersteht.Der 25. Jahrestag der Gründung der NATO verlief in überraschender Harmonie. NATO-Generalse-kretär Luns sprach von der NATO als der Existenzbedingung für Westeuropa, für die
Den Angriffen auf Konfuzius und auf Beethoven folgen Angriff 6 auf Führer der Armee und der Partei. An den Mauern in der Revolutfonssta^t Wuhan kleben schon wieder Wandzeitungen. Im stets ausbruchbereiten Schanghai wird demonstriert. Ein politischer Wirheisturm, Säuberung oder Kulturrevolution, oder beides, irgendwo oben gewünscht, kündet sich an. Die Chinaspäher in der Kronkolonie Hongkong raten ergebnislos, woher er kommt, wen er wegfegen soll. Großmächte rätseln weniger — zumindest öffentlich. Geharnischter und gezielter als je zuvor werden Moskaus Polemiken. Washington faßt das Problem möglichst überhaupt nicht, wenn unbedingt notwendig, mit Samthandschuhen an. Im Patt ihrer Entspannungspolitik fixiert, wissen Moskau und Peking, daß aus den ideologischen Gewittern in China die chinesische Antwort auf die Verdichtung der Wetterfront in der internationalen Politik entsteht.
Als der Oktoberkrieg zu Ende war, half Moskau die Situation am Suezkanal zu entschärfen.Doch fünf Monate später stärkte Gromyko in Damaskus den syrischen Widerstand gegen jede Befriedung des Nahen Ostens.Was ist verändert?Eine dritte Kraft ist entstanden. Zersplittert oder geschlossen beginnt das arabische Erdöl seine eigene Dynamik zu entfalten. Teile der Staaten des arabischen Erdölbesitzes sind dem Westen verbunden, Teüe dem Osten. Doch in Wechselbeziehung führen sie nun die Hände der Großmächte, der verbündeten und der gegnerischen. Das Beispiel: die Unsicherheit der
Scheich Mujibur Rahman, Ministerpräsident von Bangladesch, war aus dem dunstigen Dakka gekommen. Die Boeing des algerischen Präsidenten Boumedienne hatte ihn zur Konlerenz der islamitischen Staaten nach Pakistan gebracht. Man hatte keine pakistanische Maschine geschickt, um trübe Erinnerungen an seine Reise vor drei Jahren als pakistanischer Gefangener zu vermeiden. Auf dem Flugfeld des frostigen Lahore empfingen ihn alle Großen der islamitischen Konferenz: Könige, Präsidenten, Generäle und Arafat von der Palästinensischen Befreiungsfront. Bangladeschs „Banga-bundhu“ (Vater des
„Ein Moses unserer Tage würde die Ölkrise ankündigen als die schwerste aller Plagen. Alle anderen Plagen kennt Indien bereits. Doch unter der Ölkrise droht die Union zu zerbrechen.“ Umarshankar Joshi, Prorektor der Universität Ahme-dabad, Lyriker und Sanskritgelehrter, brauchte mehr als sechs Jahrzehnte, um diesen Pessimismus zu erlernen. Indien und Ahmedabad sind gute Lehrstätten. Vor Umar-shankars Haus stehen Gewehrpyramiden, die Soldaten campieren auf dem Cricketplatz. Durch die engen Straßen der Altstadt patrouillieren Gendarmen. Über die breiten Straßen des neuen Stadtteiles
Früher als in Europa geht in Asien die politische Saat der Erdölmanipulation auf. In Japan und in Indien münden die Energiekrisen in Regierungskrisen. Die wirtschaftliche Großmacht Asiens verliert infolge ihrer Energieknappheit den wirtschaftlichen Halt in den südostasiaitischen Staaten und zugleich das wiedergewonnene Selbstbewußtsein. Der — nach China — größte Staat Asiens wird durch die ölverteue-rung einen inflationistischen Wellenberg hochgetrieben. Niederlagen bei Provinzwahlen, Demonstrationen, die nur durch Polizeisalven unter Kontrolle gehalten werden, künden das
Lagos, Nigerden, hat den höchsten Preis erzielt: 22 Dollar für den Barrel Rohöl. Aber im Norden des Landes sagte mir der Emir von Zaria: „Das Erdöl fließt nicht, wo das Wasser fehlt.“ Und er meinte die Erdöldollars. Das gilt für ganz Afrika. Unter dem Boom der neuen Erdölpolitik werden die Reichen hier reicher, die Armen noch ärmer. Zwar gibt es die großen Profite für die Erdölherren noch nicht lange Zeit. Prinzip und System von Aufteilung und Investition können sich noch nicht voll zeigen. Doch Indikationen müßte es geben. Die zeigen in die verkehrte Richtung. Die
Der Kapitän hat nur sein Diplom, nicht mehr das Kommando. Der Mannschaft, von den Seeleuten auf den anderen Schiffen als überfüttert und dekadent verachtet, ist es gelungen, das führerlose Schiff in die Hand zu bekommen.Was gilt da in der Weltpolitik wirklich das vielfache Versagen und die mottige Finanzmoral des Präsidenten der USA? Auch die genialen Solos des Se-cretary of State hätten nur begrenzte Wirkung, würden heute noch die angeschlagenen und nicht die wieder ihrer Kraft und ihres Willens bewußten USA dahinterstehen. Nicht von der Angst vor einer Rezession in Panik getrieben,
Jetzt sind sie erkennbar: Die Gruppen der Gewinner und die Gruppen der Verlierer. Die Feudalherren und die junigtürkischen Gewaltigen über die nahöstlichen Erdölterritorien sind mit den multinationalen Erdölgesellschaften in den Gruppen der Gewinner — dahinter die Großmacht des Sowetkammunismus und die Großmacht des Kapitalismus. Die Industrieländer Europas und die Paupers der dritten Welt sind die Verlierer.Die feudalen Herrscher über Erdölterritorien haben in dem Monat nach dem Beginn des Erdölboykotts — nach US-Schätzungen — mehr als dreihundert Millionen Dollar
Langsam, Zug um Zug, legt die UdSSR ihren Sioherheitsgürtel um China; China strafft als Reaktion die Muskelstränge, richtet das Nervensystem einheitlich aus. Man spricht wenig; das ist ominös. Die Führung in Peking lenkt in ihrer Neu Jahrsbotschaft auf die Konflikte zwischen „Revisionisten“ und „Imperiallsten“, zwischen der UdSSR und den USA ab. Breschnjew erwähnt in seiner Neujahrsbotschaft China nur mittelbar.Doch es sprechen die Tatsachen. Methodisch und pdamäßig bewaffnet die UdSSR ihre Verbündeten in Mittel- und Südasien weit über die aktuellen und lokalen
Mit großem Katzenjammer ging Westeuropa in das neue Jahr. Westeuropäische Errungenschaften sind plötzlich nicht mehr die Voraussetzungen gesellschaftlicher Hoffnungen und Möglichkeiten. Die Wohlfahrtsgesellschaft trägt den Stempel eines Sodom und Gomorrha der sinnlosen Wunsch-befriedigung. Offenbar werden aus einer Mischung von Marx und Rousseau, aus den Untersuchungen feiner Ökologen Schuldbewußtsein und Unter-gangslibido in Westeuropa gespeichert.Die politischen Erpressungen aus den Rohstoffländern, die Preistreiberei mit dem essentiellen Rohstoff der westlichen Industrie werden als
Mit dem Einbruch des Frostes stand in eisigen Buchstaben das Menetekel an den Wänden jedes Regierungssaales. Doch gegen Mitte des Monats gab es Hoffnung ... Diejenigen, die in Panik geraten waren und sich anschickten, gegeneinander zu rennen, entzifferten die Schrift.Die Hoffnung auf eine westeuropäische Sicherheit durch die große Öffnung nach Osteuropa war längst in Berlin und zum Schluß in Prag blaß geworden. Die Hoffnung auf ein „Rette sich, wer kann“ — auf Kosten der europäischen Nachbarschaft — hat sich überall als fadenscheinig erwiesen. Da wurde auf der Gipfelkonferenz
Amerikas neuer Vizepräsident, Gerald Ford, ist ein Mann mit wenig innenpolitischer und überhaupt keiner außenpolitischen Vergangenheit und Markierung. Die Gefahr eines außenpolitischen Interregnums in Washington aber ist nah. Der Isolationismus breitet sich aus und auf den Schwächepunkt der Außenpolitik vor. Über dem gemeinsamen Nenner der Detente der Großmächte, und der exklusiven Ausrichtung des Versagens der Verbündeten der sowjetischen Weltpolitik gegen China, verwachsen der Isolationismus von rechts und von links ineinander. Die Frage: Wen hat Kissinger hinter sich, wer wird
Im Ablauf von 24 Stunden änderte Japan seine politische Position,zum Mittleren Osten um 180 Grad -r- von Neutralität zu vorbehaj ■ . A^^te ,stützung der arabischen Forderungen. „Notwendigkeit in eiPem Land, das 80 Prozent seines Energiebedarfes aus dem Mittelost-Erdöl deckt“, erklärte Ministerpräsident Tanaka, als Kissinger bestürzt seine Rückreise aus China in Tokio unterbrach. Kissinger schied skeptisch, wie er gekommen war. Seit Jahren desavouieren die USA ihren stärksten Verbündeten in Asien. Der Grund: Wirtschaftsprobleme zwischen den beiden Großmächten der Wirtschaft; dahinter steht aber Washingtons wachsendes Mißtrauen gegen die politische Führung und Stimmung in Japan. Hört Washington das Gras wachsen, wenn seine Politiker vom Wachsen des Nipponismus, des traditionellen Japan-Nationalismus in vielen Formen und vielen Farben sprechen?
„Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will.“ Dieser Leitsatz galt einst der Stärkung des proletarischen Klassenbewußtseins. Heute droht die Verwirklichung des Machtanspruches aus einem mutierten Klassenkampf. Aus der Hybris von Marxismus und Nationalismus in Asien und aus echtem Gegensatz entstand der „Klassenkampf“ der Rohstoffproduzenten gegen die Besitzer der Produktionsmittel, die Industriestaaten. Standen einst die Räder im Klassenkampf still, so wurde die Kartoffelsuppe auf den Proletariertischen dünn. Sehr selten standen alle Räder still; seit dem Kapp-Putsch
Im Dezember 1971, vier Monate nach dem Abschluß des sowjetisch-indischen Bündnisses, siegte Indien in Ostpakistan. Das pakistanische Militärregime brach zusammen. Was Ostpakistan gewesen war, wurde das befreite Bangladesch. Die Großmächte hinter Pakistan, China und die USA, konnten nur protestieren. Im August 1973, wenige Tage nachdem die überwiegend regierungsgesteuer-te Presse Indiens „Zwei Jahre Sowjetbündnis“ gefeiert hatte, wurde von Pakistan und Indien das Abkommen zur Beseitigung der Kriegs-falgen, vor allem zur Repatriierung der Kriegsgefangenen und Internierten
Für 7000 Schilling erkauft man Flug, Badestrand, Hotelzimmer. Poch die Tage der sonnigen Unbekümmertheit verbringt man auf der Insel Ceylon neben Bittennis und Polizeigewalt. Griechische Urlaube gibt es auch im Indischen Ozean. Ein fehlgeschlagener Bandaranaike-Sozialismus und die konterrevolutionären Folgen einer Rebellion der Jugend haben die Persöniichkeits-veränderung verursacht. Ceylon, die Insel der buddhistischen Harmonie mit freier Reiszuteilung in einem Sozialismus der Toleranz und der Humanität, gibt es nicht mehr. Der freie Reis für jedermann war das Symbol, die freie
Das Flugfeld unter uns schien beängstigend klein. Auf dieser Landebahn war vor achtzehn Monaten, am 10. Jänner 1972, eine Riesenmaschine der britischen Luftwaffe aus London gelandet mit Scheich Mujibur Rahman als Passagier. Über diesem Flugfeld weht nunmehr seit dem 16. Jänner 1971 die neue Fahne eines neuen Staates: Bangladesch. Bangladesch, das bis zum 16. Dezember 1970 Ostpakistan war. Als der Scheich in Dakka landete, kontrollierten indische. Soldaten den Flughafen, die Stadt, das Land als Befreier und als Sieger.
Im Schatten ihrer Gipfelharmonie präparieren beide Großmächte, die USA und die UdSSR, ihre Klienten in Mittel- und in Südasien für die nächste Runde im regionalen Nervenkrieg. Es geht jetzt um Pakistan: Kann der Rumpf Ruhe und Sicherheit innerhalb seines alten Verbündetenkreises der USA, Chinas und Irans finden oder wird er in die Arme des sowjetischen Freundschaftsbündnissystems getrieben?
Staub liegt auf den Passagieren der dritten Klasse. Der Zug hält oft an. Dann schwemmt der Schweiß den Staub von den Gesichtern. Im fahlen Gelb der ausgetrockneten Ebene sinkt jeder Reisende in einen Halbschlaf. Zieht aber eine Wolke am Himmel vorbei, sind sie alle wach und stürzen an die Fenster...Sechzehn statt zwölf Stunden braucht der Ahmedabad-Expreß von Bombay in die Hauptstadt von Gu-jarat. Nach diesem Jahr der Trockenheit sind die Bahndämme noch von den Fluten der vergangenen Jahre ausgeschwemmt. Uber hunderte Kilometer ist der Boden hart und zerrissen, ein vertrockneter Sumpf.
Die beiden Krisenherde, der Mittlere Osten und Südasien, beginnen zu einem geschlossenen Krisenterritorium zu verschmelzen. Die Beteiligten der Mittelostkrise und die Beteiligten der südasiatischen Krise schließen Bündnisse. Indien hat Syrien und den Irak als Verbündete erworben, Pakistan hat die Waffengemeinschaft mit dem Iran gewonnen: gemeinsame Feinde, gemeinsame Freunde.
Wenige Tage vor dem Waffenstillstand in Vietnam war Singapurs Minsterpräsident Lee Quan Yew Gast der regierenden Generäle in Bangkok. Kurze Zeit nach dem Waffenstillstand wurde die Konferenz von ASEAN (Assoziation der Südostasiatischen Staaten) nach Kuala Lumpur einberufen. Unter den fünf Staaten von ASEAN: Malaysia, Indonesien, Thailand, Singapur, den Philippinen, ist Singapur die dynamischeste Kraft, Wird von regionaler Sicherheitspolitik gesprochen, so hat Singapur, Südostasiens „Mini-Japan“, allein die harten Werte seiner Modernisierung und Industrialisierung als Rücklage.
„Kommst du im nächsten Jahr wieder, wirst du mich in den Wäldern finden, in einem Bodenverteilungskomitee oder im Gefängnis." Felixberto Olalia, Partisanen-Veteran, Bauernführer, Gewerkschaftsführer, ergänzte am Flugplatz von Manila den politischen Abschied: „Komm 1973 wieder. Dann wirst du Zeuge der Entscheidungen sein." Von Ölalia kam der letzte Brief im September, später keiner mehr. Er ist nicht in die Berge gegangen, denn die Rückzugsgebiete der „Neuen Volksarmee" in Zentral-uzon und in Isabella sind vom Militär umstellt; mit der Vernichtung soll nach 25 Jahren des Bürgerkriegs jetzt ernst werden. Er arbeitet nicht in einem Bodenverteilungskomitee, und es ist nach wie vor kein Böden zum Verteilen da. Er ist wieder im Gefangenenlager. Eine Entscheidung ist gefallen, noch bevor das Jahr 1972 um war: Präsident Marcos' Kriegsrecht.
Mit Kakuieno Tanaka hat beim Kongreß der Liberaldemokratischen Partei im Frühjahr die „Neue Rechte“ gesiegt. Manager des „Transistorennationalismus“ nützten den antiamerikanischen Nippon-Patriotismus aus und lösten das politische Patri-ziertum der Nachkriegszeit ab. Als Vorsitzender der Regierungspartei verwirklichte Tanaka die alte Forderung der Nationalisten nach Souveränität der japanischen Außen-und Handelspolitik. Miki, ein Minister vom linken Flügel, Ohta, ein Politiker des rechten Flügels der Regierungspartei bahnten Tanaka den Weg nach Peking. Tanakas Besuch in Peking
Die Bomber platzten wie ein Schock in die stagnierenden Friedensverhandlungen und schwanden wie ein böser Traum, nur die Folgen blieben: Tote, fürs Leben Gezeichnete, Ruinen. Die Bomber können, wenn die Verhandlungen in Paris neuerlich stocken, jeden Tag wiederkommen, und sie kommen schon jetzt täglich wieder — wie ja schon seit Wochen, wenn auch südlich jenes ominösen Breitengrades, jenseits dessen der Tod im Angesicht heraufdämmernden Friedens anscheinend eher toleriert werden kann. Westeuropa reagierte auf Nixons Bombenoffensive allergischer als die Schutzmächte Nordvietnams,
Jetzt zeigt es sich, wie gut gezielt die Schüsse waren. Die Zielfernrohre der Gewehre müssen auf historische Sicht eingestellt gewesen sein. Wahlprogramme, Wahlkampagnen und vor allem die Wahlkandidaten verraten die Unersetzbarkeit von John F. Kennedy, Robert Kennedy und Martin Luther King. Und unersetzbar in der Gewerkschaftswelt“ ist offenbar auch Walter Reuther, Automobilarbeiterführer, beim Flug von Gewerkschaftsversammlung zu Gewerkschaftsversammlung abgestürzt. Die Wahl findet in dem Vakuum statt, das mit den Attentaten entstand.
Nach der Wahnsinnstat von München war die Welt — insbesondere auch die UNO — zumindest darin einig, sie für eine Aktion linksextremer Kräfte zu halten — tatsächlich schienen seit einiger Zeit die Terroristen einander nicht nur an Inhumanität, sondern auch an immer linkerer Profilierung zu überbieten. Die jüngste Flugzeugentführung in Malmö und die Befreiung der Ustascha-Mörder mittels Geiselnahme und Erpressung hingegen war eindeutig das Werk einer Gruppe, auf die ausnahmsweise das Etikett „faschistisch“ wieder einmal paßt. Aber Linksextremisten und Faschisten lernen nicht nur voneinander, und sie nähern sich einander auch keineswegs nur auf dem Gebiet der Methodik an. Linksextremismus und Faschismus verbinden sich auch immer wieder zu einem ideologischen Amalgam, vor allem dort, wo die Grenzen zwischen Freiheitskampf und Chauvinismus ins Schwimmen geraten.
China gehörte 1941 zu den Kriegsgründen, China ist heute neuralgischer Punkt, doch in einem sind Tokio und Washington) heute einig: Kann die Neuralgie njcht geheilt werden, darf sie doch nicht zu einer japanisch-amerikanischen Krise in Ostasien führen. Um der besorgniserregenden Entwicklung der japanisch-amerikanischen Beziehungen entgegenzuwirken, trafen einander der neue Ministerpräsident Japans, Kakuie Tanaka, und Nixon. War zu solchen Aussprachen bisher der japanische Ministerpräsident immer nach Washington gereist, so war diesmal der Treffpunkt auf halbem Wege zwischen beiden Hauptstädten.
Der Revolutionär Mao ist alt. Sein Kronprinz Lin-piao ist tot. Und Peking ist jetzt ein Zentrum der internationalen Diplomatie geworden. Ist Peking ein Zentrum der internationalen Revolution geblieben? Hatte zu Beginn der Kulturrevolution der Kommunismus östlich Kalkuttas — mit Ausnahme der KP Koreas — rund um Peking gelagert, ist der chinesische Lagerplatz jetzt leer. Felix-berto Olalia begründete: „Die Kulturrevolution ist abgewürgt worden, damit Tschu En-lais Sozialismus in einem Land ungestört beginnen kann.“ Olalia sprach für die Neue Volksarmee in den Wäldern von Lu-zon.
In Bangla-Desh zeigt es sich: Eine Armee kann besiegt werden, selbst wenn sie von China und von den USA unterstützt wird.Bangla-Desh lernt nun: Hat man China und die USA zum Gegner, so bleibt man auf den Marktplätzen der Weltmeinung ohne Hoffnung.Bis Ende Dezember des vergangenen Jahres flössen Zeitungen und Fernsehschirme von Schilderungen des bitteren Sterbens der Ostbengalen über. Einige Wochen nach der Gründung des neuen Staates wurde es um Bangla-Desh still. Erst im späten Frühling begannen sich die Zeitungen wieder mit Bangla-Desh zu befassen; der „Spiegel“ leitete die neue
Krasser als in anderen Staaten ist in Japan das Mißverhältnis von sichtbarer Spitze und unsichtbarer Masse des politischen Eisbergs; ganz wenig liegt über, Unergründbares unter dem Wasserspiegel. In japanischer Tradition ist ein Politiker der sichtbare Akteur zur Exekution von Plänen und Entscheidungen der unsichtbaren Machthaber.
In Tokio erkennt man jetzt den wahren Erfolg der Asienpolitik Nixons. Steckt die Vietnamisierung des Vietnamkrieges zwar noch tief im Unrat, den die Wahl Nguyen Van Thieus hinterlassen hat, so nähert sieh Nixons Asiendoktrin doch der Verwirklichung.
Während Ponomarew auf dem Flughafen von Kairo seine Aeroflot- Maschine nach Moskau bestieg, flogen schon 2000 sudanesische Soldaten in russischen Antonows Richtung Süden — Khartum. Ponomarew hatte als Gastdelegierter am Kongreß der Sozialistischen Einheitsorganisation Ägyptens teilgenommen; politische Demonstration und Gegenbesuch, denn die ägyptische Monopolpartei hatte eine Delegation zum 29. Panteikongreß der KPdSU entsandt.In Ponomarews Gepäck waren drei Resolutionen des Kongresses der arabischen „Bruderpartei“, Solidarische Grüße für die KPdSU, Beschwörungsformeln von der
Am Abend des Mordes von Dallas war Tokio eine Stadt in Trauer. Am nächsten Tag in Taipeh sprachen die Menschen vom Präsidenten, der ermordet worden war, von wenig anderem. Zwei Tage später sagte ein Zöllner im isolierten und neutrali- tätsbesessenen Rangoon: Ohne ihn wird es jetzt schwerer sein und länger dauern, bis wir in Asien wirklich leben können. Noch am Ende der folgenden Woche fragten Menschen in Bombay einander und den Fremden: Was wird nun werden? Dieser Präsident hatte Entscheidungen getroffen die den Links-Nationalisten und den Afro-Asien-Neutralisten verhaßt waren und er
Das Militärregime von Islamabad hofft, die Lösung gefunden zu haben. Bangia Desh soll in einer Religionsschlächterei untergehen. Wo die Kämpfe in Ostpakistan am Versiegen sind, beginnt Westpakistans Armee schon die Hindu-Hatz. Die Bengalensolidarität soll durch den Bengalenhaß zerstört werden: Moslem-Bengale gegen Hindu-Bengale.
Als sie Bangia Desh ausriefen, sangen sie die Hymne des Rabin-, dranath Tagore. Unheimlich glatt und atemberaubend schnell ging vor einer teilnahmslosen Welt das Drama des Ausradie- rens eines Volksentscheides durch die Vernichtung des Volkes dem Ende zu. Die Straßen nach Westbengalen waren schwarz von Menschen auf der Flucht. In Kalkutta müssen die Millionen Flüchtlinge aus den Jahren der Religionsmassaker nun ihre Schlafstätten auf der Straße mit den hunderttausenden neuen Flüchtlingen vor dem pakistanischen Militär teilen. Fast alle sind Analphabeten. Aber sie singen die Hymne von Rabindranath Tagore, sie kennen seine Gedichte, Rabindranath aus dem Hause der westbengalischen Feudalherren Tagore hat der Sprache der Bengalen neuen Glanz und neuen Stolz gegeben. Das Bewußtsein der Bengalen folgte der Sprache. Fragt man einen Moslem in Ostpakistan „Wer ist Gründer der Nation?“, dann antwortet er nicht „Jinnah“, er sagt „Rabindranath Tagore“, denn er meint nicht Pakistan, sondern Bengalen.
Katanga, Biafra sind vergessene Vergangenheit. Aus dem südlichen Sudan, wo nichtislamitische Stämme und islamitische Zentralmacht* einander im klassischen Stil der Kolonialkriege dezimieren, dringen keine Nachrichten. In allen Ecken und an allen Enden der „Dritten Welt’ kämpfen gegeneinander Zentralregierungen im Namen der „Nationalen Integrität”, Aufständische im Namen des Antikolonialismus. Sind die Kämpfe beendet, ist die „Nationale Integrität” wieder gerettet, kräht kein Hahn mehr. Die Kräfte der „Dritten Welt” sind mit einem Elefantengedächtnis behaftet, wenn es um die relativ ferne Vergangenheit geht; die Demokratien des Westens sind mit opportunem Gedächtnisschwund gerne dienstbar, geht es um die unmittelbare Vergangenheit und um die Gegenwart.
Mehr als 250 Mdlilianien Mensctei gehen diese Woche in Indien zur Wahl. Sde wählen für oder gegen die Tochter Nehirois. 1966 war Indiana Gandhi noch eine Verleigenheiits-lösung geweaen. Nach dem Tod des Miinisterpräsddenten Shaistni landein sich die Gewaltigen uniter den Nachfahren Gandhds in einuem macht-polibisohen Patt.
Frankfurt: Massenauftrieb nervöser Passagiere, am indischen Schalter indisch getönt, dichter, lebhafter. Die deutschen Schalterbeamten der Air India sprechen ihr Deutsch und Englisch im weichen Singsang der Inder und behandeln den Pasisagier in Nöten als Weltleidensgefährten. Sonderwünsche werden mit einem Hin- und Herschieben des Kopfes auf starrem Hals zur Kenntnis genommen; sanfte, indische Aussage der Teilnahme, manchmal der Hilfsbereitschaft.Ist diese Maschine inmitten der Düsenmaschinen aller Länder schon Indien? Die Hostessen im Sari erwecken in manchem Indienreisenden
Am 9. Oktober ist in Japan das Fest der Chrysanthemen. Was später aufblüht, ist dürr und welkt schon in der Knospe. Aber der Herbst ist sehr warm und dauert lange. In diesen Monaten sind die großen Gärten in Tokio voll von Männern in dunklen Gewändern und Frauen in Festtagskimonos. Auf den alten Friedhöfen mitten in den Wohnvierteln verglimmen Tag und Nacht die Räucherstäbe.Nach dem bunten Chrysanthemenfest werden die schweren Tage des sonnigen Herbstes gefeiert, wie im Frühjahr das Rild der welkenden Kirschblüte ohne Frucht — die helle Kirschblüte — geliebt wird.
Die Hochzeit des nepalesischen Kronprinzen Bireinda mit der Raija-prinzessin Laxmi Devi am 27. Februar 1970 wird der Rahmen eines Gipfeltreffens der asiatischen Geheimdiplomatie sein. Nepal ist ein idealer Treffpunkt; trotz Neckermann-Reisen noch immer relativ weltentlegen, trotz vieler Anfechtungen noch immer neutral. Daß der Himalayastaat mit Indien eng verbunden und vom kommunistischen China überschattet ist, dient nur der guten Sache. Denn indisch-chinesische Gespräche sind der große Geheimtip für Khatmandu; sollten die seit langem geplanten Gespräche zustande kommen, kann die
Dieser Artikel erschien am 19. März 1960. Unser Mitarbeiter, der in vielen Reportagen die Welt Ostasiens für die Leser der „Furche“ erschloß — heute wirkt er in diplomatischer Verwendung in Tokio —, besucht Japans Regierungschef des Jahres 1946, der sich sehr skeptisch zum rasanten Wirtschaftswunder Japans in den letzten Jahrzehnten stellt.ER LIESS MICH VON SEINEM ROLLSROYCE aus dein Hotel abholen. Das Hotel, in dem ich wohnte, stand in einem jener Viertel von Tokio, in denen Fremde auf eigene Gefahr wohnen. Im Wagen saßen ein Chauffeur in europäischer Livree und ein Diener im