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Das Geschäft des Andrej Gretschko

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„Liebling der Götter“ nannte voH Resignation ßiloJMody; Führer .der, parlamentarischen Opposition, die Ministerpräsidentin Indira Gandhi. „Bas Pendel schwingt not Ii immer, wie sie es will.“Die Zeit der zarteren Gefühle für die USA sind vorüber: Ihr Herz ist nie dabeigewesen. Die Zeit des großen Spieles im Bündnis mit der UdSSR ist wieder da. „Indira ist eine königliche Fräü“, sägte Pilo Mody. „Sie hat Nehrus Verachtung für die USA. Und sie fürchtet Moskau. Im Grunde ihres Herzens zieht es sie immer zu der Kraft, vor der sie sich ängstigt.“

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„Liebling der Götter“ nannte voH Resignation ßiloJMody; Führer .der, parlamentarischen Opposition, die Ministerpräsidentin Indira Gandhi. „Bas Pendel schwingt not Ii immer, wie sie es will.“Die Zeit der zarteren Gefühle für die USA sind vorüber: Ihr Herz ist nie dabeigewesen. Die Zeit des großen Spieles im Bündnis mit der UdSSR ist wieder da. „Indira ist eine königliche Fräü“, sägte Pilo Mody. „Sie hat Nehrus Verachtung für die USA. Und sie fürchtet Moskau. Im Grunde ihres Herzens zieht es sie immer zu der Kraft, vor der sie sich ängstigt.“

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Der Zug ihres Herzens ist besonders stark, wenn die furchtgebietende Kraft auf dem Wege weiterhilft, den sie für sich und für ihr Indien gewählt hat, den Weg zur asiatischen Großmacht.

Die Ankündigung der Aufhebung des USA-Waffenembargos für Südasien erreichte Delhi zur gleichen Zeit mit dem Sowjetmarschall Andrej A. Gretschko. Die Ankündigung aus Washington bedeutet die Aufnahme von USA-Waffenlieferungen nach Pakistan. Freilich könnte Indien theoretisch auch von der neuen Embargo-Freiheit für die Zone profitieren. Doch Delhi schätzt den möglichen Profit nicht sehr hoch ein. Für den sowjetischen Bündnispartner' Indien, das eigene und Sowjetwaffen hat, wäre der Profit jedenfalls geringer als für das mit den USA verbündete Pakistan. Vor allem kann Indira Gandhi aber die Gleichstellung mit dem kleineren Nachbarstaat nicht akzeptieren; die gleichen Ansprüche auf Waffenlieferungen aus den USA. Bei der leisesten Andeutung einer Bbenbürtig-I keit Pakistans mit Indien ist es um die Gunst der Herrscherin geschehen.

Der sowjetische Verteidigungsminister brachte aber die Hoffnung auf neue Sowjetwaffen, auf sowjetische Unterstützung der indischen Rüstungsindustrie und auf die Überwindung des Mißtrauens und der Verstimmung, die seit dem indischen Atomversuch in Pokharan zwischen den Verbündeten herrschen. Vor allem gibt es in Moskau nicht diese Gleiohsetzung mit Pakistan, die Delhi als entwürdigend und •für die Zukunftspläne als störend empfindet. Hat Moskau seine Hand in Pakistan dm Spiel, dann treibt es ein illegitimes und unterirdisches Spiel gegen den amerikanischen und vor allem gegen den chinesischen Einfluß. Der legitime Sowjetpartner auf dem Subkontinent, Indien, ist nicht gedemütigt. Denn Moskau kennt die hohe Dame in Neu-Delhi sehr gut, ihre Ansprüohe und die geträumten Höhenflüge, die sie in Wirklichkeiten verwandeln will.

Indira und ihr Regime sind nur aus dem Anspruch, daß Indien die Großmacht des nichtkommunistischen Asien sei, zu verstehen, ebenbürtig der kommunistischen Großmacht China. Die durch gewaltlosen Widerstand gegen das Kolornialregi-me ihre Freiheit errungen haben, wollen heute die führende Militärmacht des Kontinents sein. Erreichen sie ihr machtpolitisches Ziel, dann — so glauben sie — sei auch die Lösung der Wirtschafts- und Ernährungskrisen näher. Die Einheit und das Überleben der asiatischen Großmacht Indien wird die Angelegenheit der um ihren Einfluß und um den Frieden sorgenden Weltmächte sein.

Diesem Ziel opfert die indische Regierung den Wert von fast vier Prozent des Nationalproduktes und von rund 25 Prozent ihres Budgets. Seit dem chinesischen Konflikt von 1961 sind dia Militärausgaben, auf das Fünffache gestiegen — von 3130 Millionen Ruplohs auf 16.000 Millionen Rupiahs (ungefähr 2000 Millionen Dollar) dm Jahr. Sicher, das Müitärbudget ist viel niedriger als die Militärbudgets der Weltmächte, die sich ja gegenseitig dm Schach halten müssen. Auf diese Feststellung bekam ich von Jagjivan Ram, der Verteidigungsminister war und Landiwirtschaftsminiister ist, die

Antwort: „Auch hier gibt es ein gegenseitiges Im-Schaüh-Halten.“ Gemeint war das Dreieck Indien, Pakistan, China.

Mit französischer Hilfe werden fünfundzwanzig Kriegsschiffe in der staatlichen Mazagan-Werft bei Bombay gebaut. Mit sowjetischer Hilfe wird die indische Lizenzproduktion der MIG erweitert, so daß MIG 23 auf dem Produktionsprogramm sind und, was die Sowjets immer verweigerten, seLbstversor-gende Bestandteil-, Instandhal-tungs- und Reparaturbetriebe. Indien ist schon die größte Militärmacht im nichtkommunistischen Asien — doch der Iran rückt nach, der Iran, Washingtons Verbündeter, um den man so geworben hat, und der dennoch Pakistan die CENTO-Freundschaft hält.

Auf dem Weg zur herrschenden Militärmacht bedarf es der Erbfeindschaften. Indien hat sie. Die Teilung des Subkontinents ist nicht überwunden. Die Arroganz der Pa-kistani und das Großraumdenken der indischen Nationalisten sorgen dafür, daß die blutige Verletzung von 1946 eine schwärende Wunde bleibt. Die Befreiung von Bangladesh gab Indien kurze Zeit die Großzügigkeit des Siegers. Das führte zum hoffnungsträchtigen Abkommen von Sirma. Die inneren Wirren und die wirtschaftlichen Erfolge Pakistans bringen dtte alten Erbfeindschaftsgefühle wieder zutage. Das entwertet Simla.

Die inneren Wirren in Indien, die enttäuschenden Resultate der Befreiung von Bangladesch und einige wirtschaftliche Erfolge in Pakistan bringen die alte Erbfeindschaft wieder ans Tageslicht.

Ob Delhi in ferner Zukunft die Wiedervereinigung der Länder auf dem Subkontinent zum Staat Indien plant, ist Spekulationsstoff. Daß Delhi sich nur mit einer subkontinentalen Hegemonie abfinden will, die Pakistan in die Rolle eines abhängigen Kleinstaates drückt, wird von den Indern selbst als ein politisches und militärisches Axiom angesehen.

Während der Waffenibezug Kern der sowjetisch-indischen Beziehungen ist und die indische Rüstungsindustrie dem Vergleich mit den besten der Welt standhält, ist für Delhi jede neue Waffe in Pakistans Arsenalen ein Grund zur Empörung und zur Neuordnung von Außen- und Freundschaftspolitik. Da China unentwegt Waffen nach Pakistan lieferte, wird die zweite Feindschaft Indiens mit jedem gelieferten Panzer und mit jedem gelieferten Flugzeug gefestigt — die Feindschaft gegen China, die Indien den Sowjets so wertvoll macht.

Auf. einem solchen Weg . sind die

USA heute wahrlich schlechte Gefährten. Natürlich braucht man die Wirtschaftshilfe, die Kredite und die Nahrungsmittel aus den USA — doch das militärpolitische, das strategische Ziel hat Priorität. Und als mit dem Ende des Embargos Amerikas strategische Wirkung in einen Gegensatz zu Amerikas wirtschaftlicher Hilfe geriet, war die kurzeZeit des schönen Wetters wieder vorbei.

Dazu kommt die Erosion der amerikanischen Glaubwürdigkeit, des amerikanischen Prestiges. Indira Gandhi hatte im Moment, als sie ihre Beziehungen zu den USA verbessern wollte, einen der brillantesten und großartigsten Berater, Kaul, als Botschafter nach Washington geschickt. Botschafter Kaul ist, wie die Nehrus, ein Kashmiri-Brahmane und er verfügt, wie die Nehrus, über ein indisches Herrenbewußtsein unter westlich intellektuellem Diamantschliff. Er war die größte Kraft, die Indien jemals im Ausland gehabt hat — solange eine Kraft in Washington etwas ausrichten konnte. Und er erkannte, wann nichts mehr auszurichten war, nicht nur in bezug auf Lieferungen allein, sondern in bezug auf die ganze Asienpolitik.

In seiner Amtszeit und vor seinen Augen hat der von Demokraten toe-herrrschte Kongreß in Washington dem Präsidenten die Außenpolitik, besonders die Asienpolitik, entwunden. Und der Kongreß sieht das Heil des USA-Regimes und dies USA-Systems in der Flucht aus allen militärischen und auch aus den moralischen Verpflichtunigen, besonders in Asien. In dieser Situation hat kein indischer Botschafter in Washington noch irgendeine Manövrier- und Aktionsmöglichkeit und Kaul leistete keinen Widerstand mehr, als die Kräfte der Erbfeindschafts- und Großmachtpolitik in Delhi das Ende des USA-Embargos zum Anlaß einer neuen Richtungsänderung der indischen Außenpolitik nahmen.

Der Anlaß erschien in Delhi um so überzeugender, zumal Washington als die letzten Verbündeten, die der Hilfe wert sind, weil sie die Hilfe in jeder Beziehung abzahlen können, die Erdölstaaten, vor allem den Pakistan wieder favorisierenden Iran, anerkennt. ■

Während der Schönwetterzeit zwischen Delhi und Washington war natürlich der Himmel zwischen Delhi und Moskau trübe. Da war zuerst die große Verstimmung über den indischen Atomversuch. Die Inder hatten die Sowjets von ihren Atam-plänen genauso wenig inf armiert wie den Westen. Das nahm Moskau übel. Moskau nahm den indischen Atomversuch viel ernster als die westfli-hen Mächte. Die sowjetischen Führer wollten keine — gar keine — Atommacht in ihrer Nachbarschaft. Das wieder nahm Delhi übel. Natürlich wurden nach Pokharan die sowjetischen Bedenken gegen die Weigerung Delhis, den Atomsperrvertrag zu unterschreiben, viel artikulierter. Mißtrauen, Verärgerung hielten fast ein dreiviertel Jahr lang an.

Danin kam ein chinesischer Vize-minister als Begleiter einer chinesischen Ping-Pong-Mannschaft nach Indien. Moskau erkannte die Warnung und erfaßte die Möglichkeiten, die sich aus dem Zusammenbruch des amerikanischen Prestiges lin Asien ergaben. Mit Gretschko kam ein sowjetischer Verteidigungsminister nach Delhi, der plötzlich Verständnis für die indischen Atompläne hatte. Und er sagte auch nichts, er warnte nicht mehr davor, daß Indien heute weniger denn jemals den Sperrvertrag unterschreiben will.

Andrej Gretschko breitete in Delhi das Konzept eines' Gegengeschäftes aus, das den Plänen der Weltmacht und der Großmacht gerecht werden soll. Moskau unterstützt die Großma^htbestrebungen Indiens — Indien unterstützt die Pläne Breschnjews für einen asiatischen Sicherheitepakt zur Isolierung Chinas.

So weit, so gut. Nur Indien hat eine Autokratin, die im Interesse ihrer Pläne und der indischen Groß-machtssouyeränität jederzeit und gegenüber jedermann, auch gegenüber Breschmjew, ihren eigenen Willen hat, ihr eigenes Spiel spielt.

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